Kettensägenmassaker statt Karneval

Umfangreiche Sanierungen am U-Bahnhof Gneisenaustraße schockieren Anwohner

Grünstreifen mit gefällten Bäumen oberhalb des U-Bahnhofs Gneisenaustraße, links ein Wahlplakat der Grünen mit dem Slogan "Wir schützen nicht das Klima, sondern: Menschen"Keine gute Werbung für den Klimaschutz: Kahlschlag über dem U-Bahnhof Gneisenaustraße. Foto: cs

Mit großer Fassungslosigkeit wurden die Bewohner:innen des Gneisenaustraßen-Kiezes Mitte Februar Zeugen der Fällung teils über 100 Jahre alter Platanen und Linden oberhalb des U-Bahnhofs Gneisenaustraße zwischen Mittenwalder und Zossener Straße. Grund dafür ist eine gemeinsame Baumaßnahme der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) und der Berliner Wasserbetriebe (BWB).

Geplant sind umfangreiche Sanierungsarbeiten an der überalterten Infrastruktur aus der Gründerzeit. Die BVG ist verantwortlich für die Tunnelsanierung und die Arbeiten am U-Bahnhof. Dazu gehören die Erneuerung der äußeren Abdichtung und der Einbau eines zusätzlichen Rettungswegs. Diese Maßnahmen stehen jedoch nicht im Zusammenhang mit dem seit Monaten im Bau befindlichen Aufzug am U-Bahnhof. Die BWB übernehmen die Arbeiten an den zentralen Trink- und Abwasserleitungen, während die NBB die Gastransportleitungen erneuert.

Die koordinierte Planung soll nicht nur die Bauzeiten optimieren, sondern auch die Einschränkungen des Autoverkehrs und des U-Bahnbetriebs so gering wie möglich halten. Dennoch werden die Eingriffe einen großen Teil des Straßenraums betreffen. Es wird wechselnde Baugruben, zeitweilige Straßensperrungen, Verkehrsbehinderungen, weniger Parkplätze und eine erhöhte Lärmbelastung geben. Ein weiterer Nebeneffekt der Maßnahmen ist, dass der Umzug des Karnevals der Kulturen 2025 nicht wie gewohnt durch Kreuzberg führen kann.

Baumfällungen womöglich ohne vorgeschriebene ökologische Baubegleitung

Laut Bezirksamt und BVG ist die Fällung der Bäume auf der U-Bahn-Trasse unvermeidlich. Die Wurzeln seien in die alte Tunneldecke eingewachsen und würden die dringend notwendige Sanierung gefährden.

Obwohl das Projekt bereits seit drei Jahren geplant ist und am 21. Februar vergangenen Jahres in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz vorgestellt wurde, kritisieren zahlreiche Kiezbewohner:innen die unzureichende und viel zu späte Informationspolitik.

Erst am 12. Februar, knapp eine Woche vor der Fällung der 18 Bäume, fand eine Informationsveranstaltung im Nachbarschaftshaus Urbanstraße (NHU) statt. Weniger als 20 Personen nahmen teil, davon knapp die Hälfte betroffene Anwohner:innen. Der Grüne Abgeordnete Dr. Turgut Altuğ war als einziger Politiker anwesend.

Die von den BWB, der NBB, der BVG und dem Architekturbüro N. Lehmann Artus GmbH vorbereitete PowerPoint-Präsentation gab zwar einen umfassenden Einblick in das Sanierungsprojekt, hinterließ aber den bitteren Eindruck, dass die Baumfällungen längst beschlossene Sache waren. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass es sich um eine Art Alibi-Veranstaltung handelte.

Baumschnitt an der GneisenaustraßeAlle 18 Linden und Platanen zwischen Mittenwalder und Zossener Straße wurden gefällt. Foto: cs

Die Bauzeit ist in fünf Bauabschnitten bis 2028/2029 geplant. Wer Berlin kennt, weiß aber, dass sich solche Projekte oft um einige Jahre verzögern können. Der anwesende Verein mog61 e.V. kritisierte die unzureichende Ankündigung der Informationsveranstaltung. Von der BVG wurde dann angegeben, dass angeblich 14.700 Flyer im Kiez verteilt worden seien. Doch alle vom Verein befragten Anwohner:innen gaben an, keine Informationen erhalten zu haben. Auch dem Verein ist niemand bekannt, der einen Flyer oder eine Postwurfsendung im Briefkasten gefunden hat. Kein Wunder also, dass so wenige an der Veranstaltung teilnahmen. Der Verein und einige weitere Anwesende erfuhren nur durch die Vernetzung mit dem NHU von der Veranstaltung. Die Frage nach weiteren Veranstaltungen wurde von der BVG an diesem Tag mit der Begründung abgelehnt, dass der organisatorische Aufwand zu groß sei.

Katrin Schmidberger, MdA, antwortete schriftlich auf eine Anfrage mit Kritik von Anwohner:innen: »Der Bezirk hat für die Baumfällungen nicht nur hohe Anforderungen an Ausgleichsmaßnahmen (sowohl monetär als auch qualitativ) gestellt, sondern auch die BVG verpflichtet, sämtliche Öffentlichkeitsarbeit in Form von Pressemitteilungen, Aushängen und Infoveranstaltungen zu übernehmen, damit die Anwohner:innen informiert sind. Eine Informationsveranstaltung der BVG hat am 12.2. stattgefunden und sollte eigentlich per Postwurfsendung an alle Anwohner:innen, Gewerbetreibenden und Einrichtungen gehen. Sollte diese Information euch nicht erreicht haben, ist dies natürlich mehr als ärgerlich.«

Zwischenzeitlich haben sich verschiedene Widerstandsinitiativen gebildet. Unter anderem die Berliner NaturFreunde und das Bündnis Stadtnatur in K61 appellieren eindringlich an die zuständigen Behörden, alle weiteren Maßnahmen auszusetzen, bis alle ökologischen und artenschutzrechtlichen Bedenken umfassend geklärt sind.

Ein Schreiben des Bezirksamts auf Anfrage des Bündnisses Stadtnatur in K61 gibt Anlass zur Sorge. Darin heißt es: »Seitens der Bauherren wurde uns im vergangenen Jahr eine artenschutzfachliche Bewertung vorgelegt. Da diese nicht den herkömmlichen Standards hinsichtlich Brutvögelerfassung, Fledermausfauna und Habitatstrukturen entsprach, wurden entsprechende Nachuntersuchungen gefordert. Diese wurden jedoch nicht vorgelegt. Nach wie vor ist unklar, ob die mit dem Gestattungsvertrag des Straßen- und Grünflächenamtes zur Fällung der Bäume beauflagte ökologische Baubegleitung stattgefunden hat.«

Fest steht: Die U7 wird saniert, die Bäume sind bereits gefällt, und eine weitere öffentliche Informationsveranstaltung ist nicht geplant. Die Anwohner:innen fühlen sich übergangen, und der Unmut dürfte noch lange anhalten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2025 (auf Seite 1).

Engagiert trotz widriger Umstände

Quartiersrat fordert Sanierung der Friedrichstraße 1 bis 3

Der Garten des F1 lädt vor allem im Sommer zum Verweilen ein. Foto: rsp

Ende Juni hat sich der Quartiersrat des Meh­ring­platzes mit einem Brandbrief an den Senat gewandt. Der Kiez um den Platz habe sich zunehmend zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt. Jugend- und Drogenkriminalität grassierten hier ebenso wie Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen.

»Kaum ein Tag vergeht mehr ohne Polizeieinsatz, bei den Anwohner:innen wächst die Angst«, heißt es in dem offenen Brief. Schon heute habe das Viertel mit seinen rund 5.500 Bewohnern die schlechtesten Einschulungsuntersuchungsergebnisse im ganzen Bezirk. »Viele der hier lebenden Familien wohnen mit 5 bis 9 Personen in 2,5- bis 3-Zimmerwohnungen. Zahlreiche Kinder und Jugendliche im Gebiet verbringen daher ihren gesamten Alltag außerhalb der Wohnung – ohne Geld, ohne Perspektive, voller Wut«, so der Quartiersrat weiter.

Als ganz entscheidenden Punkt zur Wiederherstellung des sozialen Friedens benennt der Brandbrief eine Ausweitung der Kinder- und Jugendarbeit sowie der sozialen Angebote für die Nachbarschaft. Doch die scheitere vor allem an der jahrelang verschleppten Sanierung des Gebäudekomplexes Friedrichstraße 1 bis 3, der die Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung KMA sowie das Stadtteilzentrum F1 beherbergt. Aktuell gehe man von einer Sanierung frühestens 2032 aus.

Der Sanierungsrückstau des 50 Jahre alten Gebäudes ist allgegenwärtig. Foto: rsp

Im F1 wäre man schon froh über eine Instandsetzung. Die war eigentlich ab September 2024 geplant, muss jedoch nach KuK-Informationen mindestens bis Januar verschoben werden, weil die Finanzierung noch nicht steht. Wegen Schimmel und Wasserschäden sind hier bereits seit Längerem einige Räume gesperrt.

Eine unschöne Situation für das Stadtteilzentrum, dessen Konzept gerade darin besteht, Räume für Vereine und nachbarschaftliche Initiativen zur Verfügung zu stellen oder, wie Leiter Matthias Klockenbusch es formuliert, »Ideen, die von außen kommen, groß zu machen.«

Das gelingt dem F1 trotz der widrigen Umstände erstaunlich gut, wie ein Blick in den digitalen Raumplaner offenbart: In den acht derzeit nutzbaren Räumen treffen sich sieben Tage die Woche die verschiedensten Initiativen und Gruppierungen: Ob Chor, Sport- oder Theatergruppe, Mieter-, Frauen- oder Jugendtreffs, Nähgruppe, Repaircafé oder Deutschkurs – das Angebot ist durchaus beachtlich.

Viel Anklang findet die (Kleider-)Tausch­ecke, die vor rund anderthalb Jahren im vorderen »Willkommensbereich« eingerichtet wurde. Im Sommer lädt der riesige Garten zum Verweilen ein, montags bis freitags gibt es ein Nachbarschaftscafé.

Vor allem am Wochenende würde das F1 aber gerne noch mehr anbieten. Wer sich als Verein oder engagierter Nachbar einbringen und eigene Angebote schaffen möchte, findet die Kontaktdaten auf f1­-mehringplatz.de.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2024 (auf Seite 3).

Unterm Kunstrasen liegt der Splittergraben

Willi-Boos-Sportplatz wird mindestens ein Jahr lang saniert

Noch weiß niemand, welche Überraschungen unter dem Willi-Boos-Sportplatz warten. Foto: rsp

Wo kürzlich noch gekickt wurde, türmen sich jetzt Bodenaushub und die Reste des alten Bodenbelags: Der Sportplatz an der Gneisenaustraße wird saniert, und das mindestens ein Jahr lang.

Im Zuge der Sanierung wird nicht nur der über die Jahre stark abgenutzte Kunstrasen ersetzt, sondern auch der Unterbau. Und das ist auch der Grund, warum die Zeitangabe »ein Jahr« mit Vorsicht zu genießen ist: Denn unter dem Platz liegen unter anderem alte Splittergräben (eine Art Minimalbunker). Es dürfte nicht unwahrscheinlich sein, hier auf Munitionsreste aus dem zweiten Weltkrieg zu stoßen. Je nach Belastung müsse womöglich auch umfangreich Sand ausgetauscht werden, wenn in diesem Verunreinigungen durch Kampfmittel entdeckt werden, erklärt Sportstadtrat Andy Hehmke.

Beim BSC Eintracht/Südring, nach dessen Gründer Willi Boos die Sportanlage seit 2010 benannt ist, freut man sich zwar über die dringend notwendige Sanierung, bemängelt jedoch die nicht ausreichende Vergabe von Ersatztrainingszeiten. »Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg steht hier in der Pflicht, da uns in Gesprächen eine vollwertige Vergabe von Ersatznutzungszeiten zugesagt worden ist«, schreibt der Verein auf seiner Website.

Hehmke verweist indessen darauf, dass nicht nur Eintracht/Südring betroffen sei: »Unser hochverdichteter Innenstadtbezirk hat viel zu wenige Sportanlagen. Alle sind zu 100 Prozent ausgelastet. Wenn wegen Sanierung ein Platz temporär vom Netz geht, müssen auch die anderen Vereine von ihren Zeiten welche abgeben.« Eintracht/Südring habe man im Juli über die Maßnahmen informiert.

Auch das angrenzende Leibniz-Gymnasium, das den Platz als Sport- und zum Teil als Pausenfläche nutzt, ist von der Sperrung betroffen. Während der Bauzeit steht der Schule der Sportplatz an der Züllichauer Straße zur Verfügung.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2023.