Der schnelle Weg zum Ausweis

Vielversprechender Versuch zur Reform der Terminvergabe

Ein Personalausweis und ein ReisepassSchneller zum Pass: Die endlos langen Wartezeiten auf Termine im Bürgeramt sollen bald der Vergangenheit angehören. Foto: psk

So groß der Ärger in Berlin war, so groß war in den letzten Jahren der Spott im Rest der Republik. Dass Bürger hier zwei, drei, manchmal vier Monate warten müssen, um an einen neuen Personalausweis, einen Reisepass oder eine Geburtsurkunde zu kommen, wurde Symbol für eine dysfunktionale Verwaltung und bot Satiresendungen wie »extra 3« oder der »heute-show« jede Menge Material.

Als Bezirksstadtrat Oliver Nöll im Herbst 2021 sein Amt antrat, versprach er, das zu ändern. Doch Corona-Krise, Flüchtlingsströme aus der Ukraine und nicht zuletzt die Wiederholungswahl schienen dieses Vorhaben zu durchkreuzen. Tatsächlich jedoch ist inzwischen enorm viel Bewegung in die Sache gekommen. Mit einem neuen System sollen Bürger nun viel schneller an Termine und ihre notwendigen Papiere kommen. Zwei Versuche im Ausbildungsbürgeramt in der Schlesischen Straße und im Bürgeramt in der Yorckstraße verliefen so vielversprechend, dass das neue System ab März langfristig in der Schlesischen Straße getestet werden soll.

»Die Ergebnisse haben meine kühnsten Erwartungen übertroffen«, erklärt Oliver Nöll, der nun die Hoffnung hat, dass die inakzeptabel langen Wartezeiten auf einen Termin nicht nur in Kreuzberg und Friedrichshain, sondern bald in ganz Berlin der Vergangenheit angehören.

Tatsächlich werden zwischen 20 und 25 Prozent der über die zentrale Teminvergabe vereinbarten Termine nicht eingehalten. Fast ein Viertel aller Terminslots könnte also theoretisch kurzzeitig vergeben werden. Durch die nicht eingehaltenen Termine ergibt sich zwangsläufig auch ein Stau, der immer größer wird. Wenn alle Terminslots vergeben werden könnten, müsste sich dieser Stau zwangsläufig auch wieder auflösen. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend.

Kreuzberger Modell auch für den Bund?

Offiziell hatten die Arbeiten an dem Programm, das die Terminvergabe auf neue Füße stellen sollte, bereits im Sommer begonnen. Hilfe dafür war nicht nur von der Senatsinnenverwaltung, sondern auch vom Bundesinnenministerium gekommen. Dort glaubt man nämlich, dass das Modell aus Kreuzberg so vielversprechend ist, dass es auch in anderen kommunalen Verwaltungen in ganz Deutschland eingesetzt werden könnte.

»Man muss sich das vorstellen wie Check-in-Automaten auf dem Flughafen«, erläutert der Bezirksstadtrat. Dort stehen dann die freien Slots sofort zur Verfügung. Die letzten kleineren Unstimmigkeiten bei der Software sollen während des Langzeitversuchs noch beseitigt werden.

Für Oliver Nöll bedeute das neue System aber nur einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung der Verwaltung. Er prophezeit: »In den nächsten drei Jahren werden wir bei der Digitalisierung der Dienstleistungen einen Quantensprung erleben.«

Darüber hinaus weist er auch noch auf einen anderen Aspekt hin. Die Zusammenarbeit zwischen Bezirksamt, Senats­innenverwaltung und Bundesinnenministerium habe in diesem Fall ausgezeichnet geklappt. »Das ist der Beweis dafür, was alles geht, wenn man zusammenarbeitet.«

Vor allem den Mitarbeitern im eigenen Haus fühlt er sich zu tiefem Dank verpflichtet. Neben dem Bereich Flüchtlinge, Corona und Wahlorganisation habe sein Amt auch noch das neue Wohngeld plus und das Bürgergeld bewältigt und bereits jetzt die ersten Bescheide verschickt. Ganz so dysfunktional könne die Verwaltung also nicht sein, meint er.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2023.

Gesucht: Moderne Verwaltung

Einen echten Bürger­amts­termin­schwarz­handel gibt es anscheinend nicht – wohl aber einen Dienstleister, der gegen Entgelt genau das anbietet, was bereitzustellen eigentlich Aufgabe des Landes Berlin wäre: Eine bedienbare und funktionierende Online-Plattform zur kurzfristigen Terminvereinbarung. Man kann das privatwirtschaftliche Angebot praktisch finden oder verwerflich, im Endeffekt ist es doch nur ein Symptom. Der Senat stiehlt sich aus der Verantwortung, seinen Bürgern eine moderne Verwaltung zu bieten, die auch mit der wachsenden Einwohnerzahl zurechtkommt. Stattdessen schiebt man den Bezirken den Schwarzen Peter zu und fröhnt einer kontraproduktiven Sparwut. Andererseits sollten sich auch die Bezirke nicht damit bescheiden, auf den Senat zu schimpfen, sondern müssen selbst nach Lösungen suchen. Ideen wie das Ausbildungsbürgeramt sind schon mal ein Anfang.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2015.

Wochenlange Warterei

In den Bürgerämtern sind Termine nur schwer zu bekommen

Die Berliner Bür­ger­äm­ter kommen derzeit nicht aus den Schlagzeilen: Termine für Ummeldungen oder Ausweisbeantragungen sind – wenn überhaupt – nur mit mehrwöchigem Vorlauf zu haben. Verschiedene Zeitungen berichteten gar über einen florierenden Schwarzhandel mit Bürgeramtsterminen.

Auch in den Kreuzberger Bürgerämtern ist die Situation keinen Deut besser als im Rest Ber­lins. Über die Online-Buchung auf berlin.de sind Termine meist nur kurz nach Mitternacht erhältlich, wenn der nächste Tag am Ende der Achtwochenfrist freigeschaltet wird, innerhalb der Reservierungen möglich sind.

Nicht jetzt...Nicht jetzt…

Laut Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler sei das leider kein neues Problem. »Letzten Sommer war die Situation noch schlimmer.«

Grund für den Rückstau sei vor allem der vom Senat 2012 beschlossene Stellenabbau in den Bezirksämtern. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg sollten bis 2016 140 Stellen gestrichen werden, davon 12 in den Bürgerämtern. Mitte letzten Jahres wurde aus Personalmangel bereits das Bürgeramt in der Schlesisches Straße geschlossen, das im April als Ausbildungsbürgeramt wiedereröffnet werden konnte. Tatsächlich sind Ende letzten Jahres sogar zwei neue Stellen bewilligt worden.

An der leidigen Terminsituation hat das indessen noch nichts geändert, denn die Zahl der An- und Ummeldungen steigt auch beständig.

...und auch nicht später. Termine in Bürgerämtern sind derzeit Mangelware. Screenshot: berlin.de…und auch nicht später. Termine in Bürgerämtern sind derzeit Mangelware. Screenshot: berlin.de

Die Achtwochenfrist ist eine Vorgabe der Senatsverwaltung für Inneres. Wenn es nach Mildner-Spindler gehen würde, würde man die Frist wieder auf vier Wochen verkürzen, denn 20% der Terminkunden würden gar nicht erst zu den Terminen erscheinen. In die freien Slots werden momentan »Notfallkunden« geschoben, die ohne Termin beim Bürgeramt vorsprechen. »Niemand wird unverrichteter Dinge weggeschickt«, verspricht der Bezirksstadtrat. In »echten Notfällen« (z.B. Ausweisverlust) würde sofort geholfen werden, ansonsten gäbe es einen Terminvorschlag innerhalb der nächsten Tage.

Kartenzahlung ist im Bürgeramt verpflichtend

Einen Termin innerhalb der nächsten Tage verspricht auch der Dienstleister buergeramt-­termine.de – gegen Zahlung einer Provision von 25 bis 45 Euro. Den Vorwurf des Schwarzhandels weisen die Jungunternehmer weit von sich, und tatsächlich reserviert der Service nur konkrete Termine im Kundenauftrag, ist also eher mit einem Sekretariatsservice vergleichbar. »Echten« Schwarzhandel mit Terminen soll es laut Mildner-Spindler ohnehin nicht geben, zumindest nicht in Friedrichshain-Kreuzberg, denn die Termine sind immer personengebunden und nicht übertragbar.

Wer dann – auf welche Art und Weise auch immer – einen Termin beim Bürgeramt bekommen hat, sollte bei kostenpflichtigen Dienstleistungen seine EC-Karte nicht vergessen. Denn in Friedrichshain-Kreuzberg ist seit Mitte Juni regulär keine Barzahlung mehr möglich. Ausnahmen gäbe es nur für Bürger, die über keine Karte bzw. kein Konto verfügen, erklärt der Stadtrat. In solchen Fällen bestünde auch weiterhin die Möglichkeit, Gebühren bar zu begleichen.

Als Grund für die Umstellung wird vor allem die Problematik großer Bargeldbestände genannt. Insbesondere an den längeren Öffnungstagen Dienstag und Donnerstag hätte häufig der laufende Betrieb unterbrochen werden müssen, um einen Kassensturz zu machen, da die Sicherheitsgrenzen für die Tresore in den Zahlstellen überschritten wurden. Durch die Umstellung erhofft man sich so auch, rund 350 Kunden mehr pro Monat bedienen zu können.

Kommentar zum Thema: Gesucht: Moderne Verwaltung

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2015.