Zu kalt, zu früh, zu Montag

Kunterbunte Klamotten gegen den deprimierendsten Tag des Jahres

Novemberwetter im Januar schlägt auf die Stimmung. Foto: Marco Massimo / pixabay

Der dritte Montag im Januar trägt den Beinamen Blue Monday – denn er ist angeblich der deprimierendste Tag des Jahres. Zumindest wird es gerne so behauptet. Das Problem dabei? Dieser Tag hat zwar einen Titel, aber noch lange keine wissenschaftliche Grundlage. Ein bisschen PR, ein bisschen »Januar ist eh doof«, und schon haben wir den perfekten Schuldigen für unsere Laune gefunden. Wen wundert es da, dass es ausgerechnet einen Montag erwischt hat – denn sind nicht alle Montage immer irgendwie ein bisschen … meh?

Im fortgeschrittenen Januar treffen einfach alle Faktoren aufeinander, die einem das Leben schwer machen. Es regnet vermehrt, draußen ist es insgesamt recht trüb, die Sonne lässt sich kaum blicken, und der Vitamin D-Spiegel ist im Keller. Hinzu kommt, dass der Geldbeutel nach den Feiertagen leer ist, die euphorische Freude über etwaige Geschenke abgeflaut und die guten Vorsätze von vor drei Wochen schon längst in die Tonne getreten wurden. Ganz im Gegensatz natürlich zu den angefutterten Gewichtsreserven, die sich eher hartnäckig halten.

Auch wenn es keine nachweisbare wissenschaftliche Grundlage gibt, die für eine konkrete Bestimmung, des deprimierendsten Tag des Jahres verantwortlich zeichnet, so ist das Ergebnis auf der emotionalen Ebene durchaus nachvollziehbar. Zu kalt, zu früh, zu Montag eben. Unterkriegen lassen wir uns davon aber trotzdem nicht, wir tricksen den Blue Monday dieses Jahr aus und drehen den Spieß um. Einfach im Bett bleiben zählt nicht, heute werden härtere Geschütze aufgefahren – schließlich gilt es auch noch unbedarfte Mitmenschen aus der Tristesse zu retten.

Graue Grummelstimmung bekämpft man am besten mit Farbe. Viel Farbe. Also ran an die kunterbunten Klamotten im Schrank. Für einige mag sich das – je nach persönlichem Kleidungsstil – wie ein Bad Taste Day anfühlen. Aber mal ehrlich, wer kann noch Trübsal blasen, wenn er aussieht wie ein explodiertes Müsli? Kommen wir zum nächsten Schritt: Lächeln. Kein Scherz, das ist völlig ernst gemeint. Jeder Mensch wird heute angelächelt, sogar die grantige Kollegin oder der genervte Bäckereifachverkäufer. Es wird an vielen abprallen, aber einigen wird es den Tag versüßen – und diese Stimmung kommt ungetrübt zum Sender zurück. Pro-Tipp für diejenigen, die sonst eher seltener lächeln: ab und zu leicht auf die Backen klopfen zum Auflockern – sonst gibt es Muskelkater. Das ist übrigens auch kein Scherz.

Bleibt zu hoffen, dass dieses Jahr viele farbenfrohe Gestalten am 20. Januar in Kreuzberg gesichtet werden, die sich selbst und anderen ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Eines ist aber gewiss: Die anderen 51 Montage im Jahr sind bei Licht betrachtet neben dem Blue Monday gar nicht mehr so schlimm.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2025 (auf Seite 14).

Zwischen Unsicherheit und Hoffnung

Die Lebensrealität syrischer Geflüchteter in Kreuzberg

Foto von Abdulrahman, einem Geflüchteten aus SyrienAbdulrahman lebt seit neun Jahren in Berlin. Foto: mh

Seit mehr als einem Jahrzehnt herrscht in Syrien ein brutaler Bürgerkrieg, der Millionen Menschen zur Flucht gezwungen hat. Viele syrische Geflüchtete haben in Berlin, insbesondere in Kreuzberg, Sicherheit und die Chance auf einen Neuanfang gefunden. Hier fanden sie Unterstützungsnetzwerke, ein Gemeinschaftsgefühl und oft einen ersten Hoffnungsschimmer nach traumatischen Erlebnissen. Am 24. November 2024 wurde der syrische Machthaber Baschar al-Assad gestürzt, ein Ereignis, das von vielen Unterdrückten als Befreiung empfunden wurde. Trotz dieser politischen Entwicklungen bleibt die Situation in Syrien angespannt.

In Deutschland sorgen Debatten über die Zukunft syrischer Geflüchteter, die Einstufung Syriens als sicheres Herkunftsland und mögliche Abschiebungen für Verunsicherung und Ängste in der Community.

Sollen oder wollen syrische Geflüchtete nach Syrien zurückkehren? Auch wenn die Lage dort nicht nur politisch, sondern auch emotional instabil ist?

In den letzten Wochen habe ich mit vielen syrischen Geflüchteten in Kreuzberg gesprochen. Wie vielfältig die Erfahrungen, Herausforderungen und Perspektiven sind, zeigt dieser Blick in die syrische Community.

»Ich wünsche mir, meine Familie und meine Freunde wiederzusehen«, sagt Djamal, der 2015 nach Deutschland kam und in einem Restaurant arbeitet. »Aber das Syrien, das ich kenne, gibt es nicht mehr. Meine Angst ist zu groß, dass es instabil bleibt. Grundsätzlich würde ich dorthin reisen, um zu helfen. Voraussetzung müsste für mich allerdings sein, dass ich nach Deutschland zurückkehren könnte, falls die Verhältnisse dort sich wieder verschlimmern sollten.«

Die Altenpflegerin Amira betont, dass sie sich in Deutschland eine neue Existenz aufgebaut hat: »Ich sehe meine Zukunft hier. Zurückgehen wäre ein Risiko, das ich nicht eingehen möchte. Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut und bin integriert. Ich möchte Sicherheit für meine Kinder. Aber ich möchte auch den Menschen in Syrien helfen.«

Besonders eindrucksvoll war das Gespräch mit Abdulrahman, der die Meinung vieler syrischer Geflüchteter widerspiegelt. »Ich bin mir nicht sicher, ob Syrien jetzt wirklich so frei ist, wie ich es mir erhofft habe«, erzählt er in verständlichem Deutsch. »Sobald sich die Situation verbessert und Syrien ein demokratisches Land wird, in dem alle friedlich zusammenleben können, werde ich zurückkehren. Aber eigentlich ist die Situation noch unklar. Viele Länder mischen sich in Syrien ein und verfolgen ihre eigenen Interessen. Ob ich zurückkehren will oder nicht, kann ich im Moment nicht wirklich entscheiden.«

Auf die Frage, wie er sich in Deutschland fühlt angesichts der veränderten Situation und der rassistischen Stimmung, die Abschiebungen fordert, antwortet er: »In Berlin fühle ich mich sicher. Ich bin seit neun Jahren hier. Ich bin mit 16 nach Deutschland gekommen. Ich bin sozusagen hier aufgewachsen. Ich habe die Sprache gelernt. Ich bin hier in die Schule gegangen und ich habe vor allem viele Freunde gefunden. Die Menschen in Kreuzberg haben mir sehr geholfen, und dafür bin ich sehr dankbar.«

Ob er Kreuzberg als seine Heimat ansieht, frage ich ihn. »Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Kreuzberg meine zweite Heimat ist. Seit ich angekommen bin, lebe ich hier. Ich arbeite im sozialen Bereich im Nachbarschaftshaus und engagiere mich ehrenamtlich in Kreuzberg.«

Ein zentraler Punkt in den Gesprächen war die Bedeutung von Orten wie Kreuzberg für Geflüchtete. Für die syrische Geflüchteten-Community ist Kreuzberg nicht nur ein Zufluchtsort, sondern auch ein Ort, an dem sie ihre Kultur bewahren und weitergeben können. Viele von ihnen engagieren sich in Projekten, die syrische Traditionen fördern, sei es durch Kunst, Musik oder die Eröffnung von Restaurants oder Cateringdiensten.

Doch die Frage bleibt: Wie kann Deutschland und insbesondere Berlin für Geflüchtete eine langfristige Perspektive schaffen, die weder von Abschiebung noch von ungewisser Duldung geprägt ist? Darauf zu antworten, ist komplex und setzt politischen Willen voraus.

Ich habe aus diesen Gesprächen mitgenommen, dass Kreuzberg zeigt, dass Integration nicht nur ein politischer Begriff ist, sondern im Alltag gelebt werden kann. Es ist ein Ort der Hoffnung – nicht nur für Geflüchtete, sondern für alle, die an eine Zukunft ohne Grenzen glauben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2025 (auf Seite 3).

Was ist und was noch werden soll

Bezirk legt Konzepte für Klimaschutz und Klimaanpassung vor

Luftbild von Häusern am Schlesischen Tor, darin eingezeichnet ein Entwurf für DachgärtenSchlesisches Tor Berlin 2045. Illustration: Reinventing Society & Ioomn (CC BY-NC-SA 4.0, Foto: BerlinSkyCrew)

In Hinsicht auf das Stadtklima kann man Friedrichshain-Kreuzberg guten Gewissens als Bezirk der Superlative bezeichnen: eng bebaut und eng besiedelt, hoch versiegelt und teilweise deutlich unterversorgt mit Grünflächen. An heißen Sommertagen liegt die Temperatur bis zu 11° Celsius höher als im Brandenburger Umland, und die Anzahl heißer Tage (also derer mit einer Höchsttemperatur ab 30° C) hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht – im vergangenen Jahr waren es 20.

Mit diesen Fakten und den Berliner Klimaschutzzielen (Klimaneutralität bis 2045, Reduktion der CO2-Emissionen um mindestens 70 Prozent bis 2030) im Hintergrund hat Friedrichshain-Kreuzberg als erster Berliner Bezirk ein Klimaschutz- sowie ein Klimaanpassungskonzept erstellt. Diese wurden im Dezember von der BVV beschlossen.

Die Konzepte beschreiben, wodurch Emissionen im Bezirk entstehen, welche Auswirkungen die Klimakrise derzeit hat und welche Maßnahmen der Bezirk für Klimaschutz und Klimaanpassung ergreifen kann.

Immer im Blick dabei war der begrenzte Handlungsspielraum des Bezirks in Bezug auf Zuständigkeiten (etwa für das Kanalnetz und den öffentlichen Personennahverkehr liegen diese beim Senat) und Finanzen: Nur ein geringer Teil des Bezirkshaushalts ist frei verwendbar, daher ist die Umsetzung vieler Maßnahmen nur mit Hilfe von Fördermitteln möglich.

Aus diesem Grund wurden in den beiden Konzepten jeweils vier Handlungsfelder definiert, in denen der Bezirk eigene Zuständigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten hat.

Für jedes Handlungsfeld wurde ein Teilkonzept erstellt.

Von abstrakt bis konkret

Die Konzepte beinhalten kurz- bis mittelfristig umsetzbare Maßnahmen und sollen weiterhin als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für zukünftige Maßnahmen dienen. Klimaschutz soll als eine Querschnittsaufgabe in allen Verwaltungsbereichen und darüber hinaus etabliert werden.

Die Liste der in den Konzepten genannten Maßnahmen ist umfangreich und beinhaltet sowohl sehr abstrakte als auch ausgesprochen konkrete Ideen.

Um die beiden Konzepte erarbeiten zu können, hat das Bezirksamt jeweils eine zweijährige Förderung zur Erstellung eines Klimaschutzkonzepts und zur Erstellung eines Klimaanpassungskonzepts erfolgreich beantragt. Dadurch konnten zwei Klimaschutzmanagerinnen und eine Klimaanpassungsmanagerin eingestellt werden, die für die Erarbeitung der Konzepte zuständig sind und ihre Umsetzung begleiten werden.

Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann bezeichnet die Klimakonzepte als »das Fundament für ein klimafittes Friedrichshain-Kreuzberg« und gibt einen optimistisch-kämpferischen Ausblick: »Um die Folgen der Klimakrise einzudämmen, braucht es entschlossenes Handeln auf allen Ebenen. Wir werden der Herausforderung aktiv begegnen – gemeinsam mit aktiver Zivilgesellschaft, innovativer Wirtschaft und unserer veränderungswilligen Verwaltung. Gemeinsam gestalten wir Friedrichshain-Kreuzberg klimaresilient – jetzt und für die Zukunft.«

Alle (Teil-)konzepte als PDF gibt es hier. Mitte Februar sollen die Konzepte in einer Veranstaltung vorgestellt werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2025 (auf Seite 1).

Bezirk plant Coffeeshop-Modellprojekt

Cannabis-Abgabestellen sollen im Sommer 2025 kommen

Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann und Neuköllns Gesundheitsstadtrat Hannes Rehfeld unterzeichnen eine Absichtserklärung für das Modellprojekt.Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann und Neuköllns Gesundheitsstadtrat Hannes Rehfeld unterzeichnen eine Absichtserklärung für das Modellprojekt. Foto: BA X-Hain

Gemeinsam mit dem Nachbarbezirk Neukölln plant Friedrichshain-Kreuzberg ein Modellprojekt, das die Auswirkungen der kommerziellen Abgabe von Cannabis wissenschaftlich untersuchen soll. Dazu wollen die Bezirke mit der Humboldt-Universität und der Sanity Group GmbH, einem Hersteller von medizinischem Cannabis, kooperieren. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde Mitte Dezember unterschrieben.

Volljährige Teilnehmende mit Wohnsitz in einem der beiden Bezirke und den notwendigen gesundheitlichen Voraussetzungen sollen die Möglichkeit erhalten, Cannabis legal an ausgewählten Verkaufsstellen zu erwerben. Voraussetzung ist die regelmäßige Teilnahme an wissenschaftlichen Befragungen, um wertvolle Erkenntnisse für die Forschung zu gewinnen. Die Weitergabe der gekauften Produkte an Dritte ist untersagt. Ergänzt wird die Studie durch eine Kontrollgruppe, die aus Mitgliedern eines lokalen Cannabis Social Clubs besteht. Der Studienzeitraum soll fünf Jahre betragen. Los geht es frühestens im kommenden Sommer, denn bevor das Projekt umgesetzt wird, bedarf es noch einer Genehmigung durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Die Verkaufsstellen, von denen zwei bis vier geplant sind, sollen  auch »eine unkomplizierte Möglichkeit zur Intervention« schaffen, heißt es in einer Pressemitteilung des Bezirks. Geschultes Fachpersonal soll dort Fragen der Studienteilnehmer beantworten und für Gespräche bei auffälligem Konsumverhalten zur Verfügung stehen. »Auf diese Weise können Teilnehmende frühzeitig auf unterstützende Beratungsangebote hingewiesen werden, um potenziell schädliche Konsummuster zu verhindern.« Ein Teil des Erlöses soll in bezirkliche Präventions- und Suchthilfemaßnahmen fließen.

Vergleichbare Projekte sind in Frankfurt am Main und Hannover geplant.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2025 (auf Seite 1).