Kühler Karneval-Neustart

Fehlende Klos lassen Besucher verzweifeln

In nahezu letzter Minute war im vergangenen Jahr der Karneval der Kulturen vor dem Aus gerettet worden. So war 2015 die Handschrift des neuen Veranstalters noch nicht erkennbar. 2016 sollte nun den wirklichen Neuanfang markieren.

Musikalischer und grüner sollte vor allem das Straßenfest werden. Mit dem neuen Veranstalter war auch die Hoffnung verbunden, dass die Kommerzialisierung, die in den letzten Jahren auf dem Blücherplatz stetig zugenommen hatte, ein wenig eingedämmt werden würde.

Der »Grüne Bereich« beim Straßenfest gehörte zu den Neuerungen des neuen Veranstalters.

Foto: pskDer »Grüne Bereich« beim Straßenfest gehörte zu den Neuerungen des neuen Veranstalters. Foto: psk

Momentaufnahmen während und nach dem Fest lassen eher darauf schließen, dass die Neuerungen noch nicht richtig angekommen sind, oder dass sich manche Dinge sogar fundamental verschlechtert haben.

Der »Grüne Bereich« führte bei einigen Besuchern zu gewissen Irritationen. So manch einer hatte es noch nicht einmal richtig mitbekommen, dass in der neu hinzugekommenen Baruther Straße und in der Zossener bis zur Blücherstraße eigentlich der Raum für ökologische Angebote sein sollte. Dass dazu auch Fischstände und Bierwagen gehörten, fiel wiederum jenen auf, die die Grüne Meile als solche durchaus erkannt hatten.

Die hölzernen Klo­häuschen kamen zwar pittoresk daher, waren aber offensichtlich auch nicht für jeden als solche zu erkennen. Andere, denen der Sinn und Zweck klar war, gaben unumwunden zu, dass ihnen Dixie-Klos lieber seien. Da wird also noch einige Überzeugungsarbeit auf die Öko-Klobetreiber zukommen.

Doch gerade die Notdurft war ein ganz großes Thema während des Karnevals der Kulturen. Viel zu wenig öffentliche Toiletten habe es gegeben, klagten viele Besucher. Diesem Umstand ist es wohl auch geschuldet, dass die Zahl der Wild- und Baumpinkler sprunghaft angestiegen ist. Selbst die Lücke zwischen zwei parkenden Autos musste so manches Mal als kurzfristige Bedürftnisanstalt herhalten. Hauseingänge, Bäume, Sträucher, Hecken und Zäune – nichts war vor den den Urin­strah­len sicher.

Auch die »Standpolitik« am Tag des große Umzugs warf Fragen auf. So musste ein überraschter und wenig erfreuter Wirt feststellen, dass ausgerechnet unmittelbar vor seinem Biergarten ein Zelt zum Zwecke des Bierausschanks aufgestellt worden war. Früher, so meinte der Wirt, hätten die Veranstalter Rücksicht auf die angrenzende Gastronomie im Kiez genommen.

Frühes Pfingstfest verhagelt Händlern die Geschäfte

Das erweiterte Musikprogramm dagegen stieß bei vielen Gästen auf Zuspruch. Zu den vier großen Bühnen sind nun noch acht kleine Bühnen in Seitenstraßen gekommen.

Allerdings war ein Besuch auf dem Straßenfest nun auch nicht gerade ein Schnäppchen. Der Caipi-Preis, so etwas wie die Preisreferenz des Festes, ist an manchen Ständen inzwischen auf sechs Euro geklettert. Allerdings ließ sich das nicht von jedem das ganze Fest über durchhalten. Überhaupt war es an dem sehr frühen Pfingstfest viel zu kühl und zu feucht, als dass die Straßenhändler voll auf ihre Kosten gekommen wären.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2016.

Lettland weist Demonstranten aus

KuK-Mitarbeiter darf nicht über Proteste gegen SS-Gedenken berichten

Der Protest endete noch ehe er begonnen hatte. Lothar Eberhardt, Mitarbeiter von Kiez und Kneipe, war mit vier weiteren Mitstreitern gerade in der lettischen Hauptstadt Riga gelandet, da wurden sie auch schon von Sicherheitsbeamten des baltischen Staates abgefangen. Die erklärten dem Besuch aus Berlin, dass er hier unerwünscht sei und sich sofort wieder auf die Heimreise begeben solle.

Rückblende: Zwei Jahre zuvor hatte sich schon einmal eine Delegation aus Berlin auf den Weg nach Riga gemacht. Ihre Absicht: Sie wollten gemeinsam mit lettischen Antifaschisten gegen den »Tag der Legionäre«, den Lettland traditionell am 16. März feiert, protestieren. Dahinter verbirgt sich das Gedenken an die 15. und 19. SS-Waffen-Grenadier-Division. Die beiden Großverbände waren 1943 aufgestellt worden. Von 1998 bis 1999 galt der 16. März sogar als Nationaler Gedenktag.

Abgeschoben: KuK-Mitarbeiter Lothar Ebehard (links) im Gefangenentransport auf dem Weg nach Litauen.

Foto: privatAbgeschoben: KuK-Mitarbeiter Lothar Ebehard (links) im Gefangenentransport auf dem Weg nach Litauen. Foto: privat

In Lettland ist das Gedenken an die baltischen Legionäre durchaus umstritten. Für die einen sind es Kollaborateure mit dem Naziregime, für andere Freiheitskämpfer gegen die sowjetischen Unterdrücker des Baltikums.

Von zahlreichen deutschen Demonstranten gegen den Marsch zum Nationaldenkmal wurden vor zwei Jahren die Personalien aufgenommen. Fünf von ihnen wurden am Flughafen von Riga abgefangen, einer sechste Person wurde in Hamburg der Zutritt in die Maschine nach Riga verwehrt.

Den fünf Berlinern wurde mitgeteilt, dass sie »eine Gefahr für die öffentliche Ordnung« darstellten und deshalb mit einem Einsreiseverbot bis 16. März belegt worden seien – einem Einreiseverbot, von dem sie allerdings nichts wussten. Und da sie sich weigerten, den nächsten Flieger zurück nach Deutschland zu nehmen, sollten sie zunächst in das Lager für illegale Einwanderer nach Dagopils verfrachtet werden. Pinkanterweise handelt es sich dabei um ein ehemaliges KZ.

Von dort aus ging es im vergitterten Gefangenentransport an die Litauische Grenze, wo die Abgeschobenen in einen Fernbus nach Berlin gesetzt wurden. 20 Stunden später waren sie wieder zu Hause.

Doch damit ist der Fall noch lange nicht ausgestanden. Lothar Eberhardt, der auch in seiner Eigenschaft als Journalist über den »Gedenktag der Legionäre« berichten wollte, sieht sich nicht nur in der Versammlungsfreiheit, sondern auch in der Pressefreiheit beschnitten. Er hat nun die Deutsche Journalisten-Union (dju) eingeschaltet.

dju rügt die lettischen Behörden

Die Gewerkschaft hat sich mittlerweile mit den Behörden in Lettland in Verbindung gesetzt und scharf gegen Maßnahmen und vor allem gegen die Einschränkung der Pressefreiheit protestiert.

Lothar Eberhard will aber wieder nach Lettland. Spätestens zum nächsten Aufmarsch am »Tag der Legionäre«. »Wenn ich die Chance habe, wieder einzureisen, dann werde ich das tun«, gibt er sich kämpferisch. »So etwas geht gar nicht«, sagt er und verweist darauf, dass es sich dabei um ein natio-nales Gedenken an Nazis handele. Das ist nicht nur für ihn ein unerträglicher Gedanke. Die Deutschen waren unter anderem auf Einladung lettischer Opferverbände nach Riga gereist. Auch jüdische Organisationen hatten sich an dem Protest gegen den Gedenktag, der übrigens auf Druck Russlands im Jahr 2000 seinen offiziellen Charakter verlor, be­tei­ligt. Der Tag ist auch ein großer Konfliktpunkt zwischen baltisch- und russischstämmigen Letten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2016.

Diese App ist leider ausverkauft

[Update] Leider hat uns das Bürgeramt nur 47 Apps geschickt. Die waren natürlich ganz schnell heruntergeladen. Pünktlich zum 1. April hätte uns eigentlich ein Paket mit 1200 weiteren BürgerAmtsApps erreichen sollen. Doch leider vorde das Paket von DHL, Ups, wir meinten Hermes, auf dem Postwege irgendwie verloren.

Flexible Terminvergabe im Bürgeramt dank personalisierter Zeitzone – das verspricht die neue BüAApp.

Foto: pskFlexible Terminvergabe im Bürgeramt dank personalisierter Zeitzone – das verspricht die neue BüAApp. Foto: psk

Das ist schade, denn nun müssen Sie leider in Ihrer eigenen Zeitzone verharren und können sich nicht mal eine doppelte persönliche Sommerzeit genehmigen. Falls Sie sich trotzdem eine persönliche Zeitzone basteln wollen, geht das übrigens ganz einfach. Fliegen sie einfach an mehreren Tagen hintereinander immer wieder über die Datumsgrenze (irgendwo im Pazifik rechts von Australien). Und das wiederholen Sie so oft, bis die Stundenzahl Ihrer gewünschten Zeitzone entspricht.

Sollte Ihre Uhr dann aber plötzlich den 1. April anzeigen, dann haben Sie es übertrieben.

Wieder Flüchtlinge in GHS

Ehemalige Schule wird nun offiziell Flüchtlingsunterkunft

Es mutet ja fast wie die Ironie des Schicksals an, dass ausgerechnet die Gerhart-Hauptmann-Schule nun zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut wird, die vorwiegend von Schwangeren und Frauen mit Kindern bewohnt werden soll.

Einst war die leer stehende Schule den protestierenden Asylbewerbern vom Oranienplatz als Winterquartier zur Verfügung gestellt worden. Doch die humanitäre Tat des Bezirks wurde bald zu einem wahren Horrortrip. Immer mehr Menschen, die eigentlich nichts mit den Protesten auf dem Oranienplatz zu tun hatten, zogen in das Haus ein, Obdachlose und Drogendealer aus dem benachbarten Görlitzer Park zogen in die Schule. Es kam zu Gewaltakten, die hygi­enischen Zustände wurden katastrophal und am Ende stand eine ebenso umstrittene wie dramatische Räumung. 20 Flüchtlinge weigerten sich, die Schule zu verlassen und drohten, sich vom Dach zu stürzen.

Sie leben heute noch immer in der Schule, aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung. Die sah auch ein Flüchtlingszentrum vor, das die Bewohner einrichten wollten. Ein Konzept dafür haben sie allerdings noch nicht vorgelegt.

Der Nordflügel ist inzwischen soweit renoviert, dass dort 109 Flüchtlinge einziehen können. Ein Konfliktpunkt könnte der Pavillion darstellen, den die Bewohner des Südflügels gerne für ihr Flüchtlingszentrum hätten, in dem aber zunächst einmal eine Krankenstation und ein Spielzimmer eingerichtet werden sollen.

Allerdings wird der Pavillion eh bald Geschichte sein, denn er soll im Herbst einem Bauprojekt weichen.

Neben der Flüchlingsthematik gibt es ja in Kreuzberg durchaus auch noch ein anderes Problem: bezahlbarer Wohnraum.

Hier nun plant der Bezirk, zusammen mit der landeseigenen HOWOGE insgesamt 121 Wohnungen zu bauen. Es handelt sich dabei in erster Linie um kleine Wohnungen, deren Bruttokaltmiete nicht über 6,50 Euro pro Quadratmeter liegen soll. Die Bauarbeiten sollen im Herbst beginnen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2015.

Die Ironie der Geschichte

Bomben aus dem zweiten Weltkrieg haben Tausende von Kreuzbergern binnen einer Woche gleich zwei Mal aus ihren Häusern getrieben. Sie waren so etwas wie verspätete Kriegsflüchtlinge, für ein paar Stunden halt.

Etwa zur gleichen Zeit werden Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten im mittleren Osten im Flughafen Tempelhof untergebracht, just in dem Gebäude, in dem einst die gefürchteten Sturzkampfbomber JU87 gefertigt wurden. Über ihre Bombenlast hinaus verbreiteten die »Stukas« mit ihren »Jericho-Trompeten« eine grauenhafte psychologische Wirkung.  Sie galten als Symbol des Blitzkrieges.

Die Quittung war unter anderem jene Bombennacht vom 3. Februar 1945, dessen Nachlass nun zwei mal beseitigt wurde.

Ist das nun nur die Ironie oder ein Wink mit dem Zaunpfahl der Geschichte, dass wir  auf diese Weise an die eigene Zeit von Krieg und Flucht erinnert werden?

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2015.

Die Zeltstadt im Hangar

Flüchtlinge auf dem Flughafen Tempelhof untergebracht

Einst galt er als größtes Gebäude der Welt, der Flughafen Tempelhof. Kein Wunder, dass der 1,2 Kilometer lange Gebäuderiegel immer wieder Begehrlichkeiten weckt, wenn irgendwo Platzbedarf ist.  So ist es erstaunlich, dass erst jetzt Raum für Flüchtlinge geschaffen worden ist.

Ende Oktober zogen die ersten Flüchtlinge in den Hangar 1, in dem eine ganze Zeltstadt entstanden ist. 55 Zelte wurden hier aufgebaut, in den meisten stehen sechs Doppelbetten. In einigen gibt es mehr Platz. Hier sollen Familien untergebracht werden, die dann einen geschützten Raum finden.

Fragezeichen gab es zunächst bei den sanitären Einrichtungen. Toiletten sind zwar vorhanden, aber die reichen bei Weitem nicht, wenn zwischen 660 und 1.000 Flüchtlinge die Halle belegen sollten. Duschen gab es zunächst gar nicht. Die schnell angedachte Zwischenlösung im über den Winter geschlossenen Columbiabad zerschlug sich ebenfalls sehr schnell. Inzwischen gibt es mobile Duschen vor Ort.

Zunächst blieb der Ansturm allerdings aus, unter anderem deshalb, weil ein ganzer Zug mit Flüchtlingen, der eigentlich für Berlin bestimmt war, irrtümlich nach Eisenhüttenstadt umgeleitet worden war. Doch in den folgenden Tagen füllten sich die Zelte und Betten.

Ein Abebben des Flüchtlingsstromes ist in den nächsten Wochen nicht zu erwarten, und so ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch diese Notaufnahmekapazitäten erschöpft sind. Doch am Flughafen Tempelhof soll noch mehr passieren. Auch die Hangars 2 und 3 sollen für Neuankömmlinge hergerichtet werden.

Auf dem dahinterliegenden Flugfeld, wo sich auch bei herbstlichen Temperaturen viele Freizeitsuchende auf Skates, Fahrrädern oder mit Drachen herumtreiben, kommt nach einer Umfrage des Berliner Tagesspiegels die Flüchtlingsunterbringung gut an. Die meisten befürworten die Maßnahme. Ein Skater hat für die Freunde eine überaus einleuchtende Erklärung: Solange die im Flughafen untergebracht sind, kann die Politik hier keine andere Bebauungsidee umsetzen und alles bleibt so wie es ist.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2015.

AGB soll Anhang kriegen

CDU stimmt für Erweiterungsbau am Blücherplatz

Als vor zehn Monaten der Berliner Senat bei der Volksabstimmung über die Zukunft des Tempelhofer Feldes eine krachende Niederlage einstecken musste, wurde gleichzeitig ein Projekt zu Grabe getragen, das das Land immerhin mehr als eine Viertelmilliarde Euro gekostet hätte: der Neubau einer Zentral- und Landesbibliothek. Es war eine Herzensangelegenheit des damaligen Regierenden Bürgermeisters, und es gibt nicht wenige, die Wowereits Rücktritt in Verbindung damit sehen, dass ihm der Bau seines »Klausoleums« auf dem Tempelhofer Feld verwehrt wurde.

Darüber wurde beinahe vergessen, dass die ZLB tatsächlich Probleme plagen. Eines davon heißt Platz, das andere die unterschiedlichen Standorte am Blücherplatz und in Mitte.

Der Parkplatz an der AGB soll einem Anbau der ZLB weichen.

Foto: pskDer Parkplatz an der AGB soll einem Anbau der ZLB weichen. Foto: psk

Mehrere Überlegungen wurden schon ins Spiel gebracht, wo denn eine künftige ZLB untergebracht werden könnte. 60.000 Quadratmeter braucht es mindestens. Die gäbe es zum Beispiel im ehemaligen Flughafengebäude, doch leider nicht zusamenhängend, sondern von anderen Mietern unterbrochen. Schon vor einem Jahr galt das dem Senat als unüberwindliches Hindernis.

Dann fiel ganz plötzlich auf, dass das ICC ja leersteht. Doch das hat ja seine Gründe, und die Probleme des im Unterhalt so teuren Baues würden durch den Einzug der ZLB ja auch nicht gelöst.

Seit längerem im Gespräch ist eine Erweiterung der Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz. Genau dafür setzt sich jetzt auch die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus ein und eröffnet damit die seltene Gelegenheit zu einer schwarz-grünen Koalition zumindest in einem Thema. Die Grünen sind für diese Lösung durchaus zu haben.

Allerdings gibt es eine ganz klare Einschränkung: »Es darf kein Quadratmeter Grünfläche verschwinden«, erklärt Bürgermeisterin Monika Herrmann kategorisch. Übersetzt heißt das, dass der Waterloo-Park nicht angetastet werden darf.

Umbau- und Sanierungskosten für Kongresszentrum und Flughafengebäude sind hoch

Doch daran sollte eine Einigung nicht scheitern, denn die CDU schielt wohl auch weniger in den Park, als eher auf den großen angrenzenden Parkplatz westlich der AGB.

Das ist auch eine Vorstellung, mit der die Grünen gut leben können. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek: »Die AGB war immer einer der drei am besten geeigneten Standorte für einen ZLB-Neubau.«

Einen Blankoscheck bedeutet das freilich noch nicht, denn die Grünen wollen zunächst einmal ein Konzept vom Senat sehen und dann auch wissen, ob sich das Ganze rechnet.

Allerdings dürfte da die AGB-Lösung gegenüber ICC und Flughafen Tempelhof zumindest Vorteile in punkto Infrastruktur haben. Immerhin war zwar das Dach des Flughafengebäudes einst so konstruiert, dass es bis zu 200.000 Menschen bei Flugshows hätte tragen können, das Innere des Gebäudes war aber nie als Bibliothek ausgelegt. Und so gibt es durchaus Experten, die glauben, dass es an der für eine Bibliothek notwendigen Statik mangeln könnte. Einfach einziehen und ein paar Bücher in die Regale stellen – damit ist es in Temeplhof keinesfalls getan. Auch hier würden aufwändige Baumaßnahmen nötig sein, die durch den Denkmalschutz auch nicht einfacher würden.

Das ICC als Bibliothek wird sich mancher nur schwer vorstellen können, andere fänden das eine bestechende Idee. Doch hier steht auf jeden Fall eine sehr teure Sanierung an, deren Kosten im Moment sowieso schwer zu beziffern sind. Zudem scheidet für die CDU die ICC-Lösung aus einem anderen Grunde aus. Sie will das ICC wieder zu dem machen, was es ja ursprünglich war – ein Kongresszentrum.

Und die SPD? Die würde vermutlich das Wort Zentral- und Landesbibliothek ganz aus ihrem Wortschatz streichen, ist es doch mit einer verheerenden politischen Pleite verknüpft. Sie hofft auf eine rasche, stille Lösung.

Die Chance, dass das ZLB-Problem bald gelöst ist, stehen also gar nicht so schlecht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2015.

Notquartier oder Ferienwohnungen?

Monika Herrmann mit neuer Idee zur Flüchtlingsunterbringung

Notquartier: In dieser Turnhalle sind derzeit rund 30 Flüchtlinge untergebracht.

Foto: pskNotquartier: In dieser Turnhalle sind derzeit rund 30 Flüchtlinge untergebracht. Foto: psk

Die Zahl der Flüchtlinge wächst, und mit ihr die Probleme in punkto Unterbringung. Container werden aufgestellt, Turnhallen requiriert und Traglufthallen aufgeblasen. Und trotzdem, es reicht nicht.

Doch in Treptow, an der Trasse der künftigen A100 stehen 90 Wohnungen leer, die sofort bezugsfertig wären. Aber die beiden Häuser sollen abgerissen werden, für eine Autobahn, für die die Bauarbeiten an diesem Teilstück in sieben Jahren beginnen.

In der momentanen Situation wären sie buchstäblich Gold wert, doch für Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel ist das kein Thema. Eine Zwischennutzung kommt für ihn nicht in Frage.

Monika Herrmann, Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, hat diese Haltung so richtig in Harnisch gebracht. Sie hat gerade die Sporthalle »MariannenArena« an das Land weitergereicht, damit dort bis zu 80 Flüchtlinge, Frauen und Kinder, untergebracht werden. 30 sind es bis jetzt.

Dort gibt es zwar keinen Schulunterricht, aber viele Vereine müssen jetzt ausweichen. Herrmann fürchtet, dass die hohe Akzeptanz und Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen mit der Zeit schwinden könnte.

Die Unterbringung ist eigentlich auf wenige Wochen begrenzt. Und sehr viel mehr als Stockbetten gibt es für die Flüchtlinge auch nicht. Betreut werden sie von den Johannitern, die allerdings ein hohes Aufkommen an Sachspenden verzeichnen können. »Wir ertrinken beinahe in Kinderkleidung«, erklärt ein Mitarbeiter der Johanniter. Trotzdem sind Sachspenden durchaus willkommen.

Die Bezirksbürgermeisterin ist in einem Zwiespalt. Zwar will auch sie so viele Flüchtlinge wie möglich menschenwürdig unterbringen, aber sie hätte halt auch gerne ihre Turnhalle bald wieder zurück.

Sie hat nun eine ganz neue Idee ins Feld geführt: Warum sollte man nicht illegale Ferienwohnungen als Flüchtlingsunterkünfte nutzen? Der durchaus erwartete und eigentlich schon übliche Shitstorm fiel eher lau aus.

Justizsenator hat rechtliche Zweifel

Nicht einmal die CDU, die sich sonst sehr gerne und sehr schnell auf die grüne Bezirksbürgermeisterin einschießt, begehrte laut auf. Immerhin, Justizsenator Thomas Heilmann hält den Vorschlag für nicht praktikabel. Das ändert allerdings nichts daran, dass er jetzt zunächst rechtlich geprüft wird. Trotzdem steht das böse Wort von der »Enteignung« im Raum. Doch die sieht Monika Herrmann nicht. Einerseits würden die Eigentümer ja trotzdem Miete erhalten, andererseits sei eine Unterbringung von Flüchtlingen zeitlich begrenzt. Außerdem verweist sie darauf, dass es sich in diesem Fall ja um illegale Ferienwohnungen handele. Juristisch ist das möglicherweise knifflig, aber sie erklärt auch, dass jeder der legal eine Ferienwohnung besitzt oder betreibt, diese natürlich ebenfalls als Flüchtlingsunterkunft gegen eine entsprechende Miete zur Verfügung stellen kann.

Justizsenator Heilmann meldet unter anderem deshalb Zweifel an, weil ja auch viele öffentliche Gebäude leer stünden und nennt dabei das ICC.

Monika Herrmann rechnet vor, dass vom Liegenschaftsfonds des Landes, der über mehr als 100 Gebäude verfügt, gerade mal 13 Objekte als Flüchtlingsunterkünfte vorgeschlagen wurden, also etwa eines pro Bezirk.

Ein Gebäude, in dem eine ganze Menge Flüchtlinge untergebracht werden könnten, steht in der Kreuzberger Franz-Künstler-Straße. Das ehemalige Haus der Schreber-Jugend war auch schon einmal im Gespräch, die Flüchtlinge vom Oranienplatz, beziehungsweise von der Gerhart-Hauptmann-Schule aufzunehmen. Damals scheiterte es an der fehlenden Heizung. Inzwischen wäre eine Unterbringung, selbst mit Heizungsnachrüstung nicht mehr möglich. »Es fehlt der Brandschutz, und das Gebäude soll abgerissen werden«, erläutert die Bürgermeisterin.

Trotzdem hätte auch hier schon längst etwas passieren können. Wenn das Gebäude abgerissen worden wäre, dann hätte man auf dem Gelände wenigstens Wohncontainer aufstellen können.

Tatsächlich scheint es zumindest in der Theorie genügend Wohnraum für Flüchtlinge zu geben – aber auch hohe bürokratische Hürden.

Kommentar: Mehr Mut ist machbar

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2015.

Mehr Mut ist machbar

Eigentlich ist es unfassbar. Tausende von Berlinern gehen jeden Montag auf die Straße, demonstrieren für Fremdenfreundlichkeit und solidarisieren sich mit Flüchtlingen. Die Spendenlager der humanitären Organisationen quellen zum Teil schon über. Und dann verschärft der Senat die Situation noch künstlich, weil er nicht in der Lage ist, den Flüchtlingen genügend adäquaten Wohnraum – der da wäre – zur Verfügung zu stellen. Die Blockierer sitzen nicht etwa, wie man vermuten könnte, im Hause Henkel, sondern in der SPD-geführten Verwaltung für Stadtentwicklung. Was soll das? Sitzen da etwa Rassisten? Ist die Behörde Pegida- unterlaufen? Unsinn. Dahinter steckt die Furcht, die Geister nicht mehr los zu kriegen, die man rufen würde – siehe Gerhart-Hauptmann-Schule. Eine Entschuldigung ist das nicht. Feigheit ist keine Tugend. Mehr Mut würde manches Problem lösen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2015.

Mit zweierlei Maß gemessen

Natürlich kann man sich, so wie es der Senat tut, schulterzuckend auf den Standpunkt stellen und zur Möckerkiez-Genossenschaft sagen: »Pech, verzockt.« Ausgerechnet der Senat, der König aller Zockervereine, der sich seit Jahren beim Flughafen ebenso verzockt hat wie bei der Abstimmung übers Tempelhofer Feld.

Bis zu 22.000 neue Wohnungen will der neue Regierende Michael Müller jedes Jahr aus dem Hut zaubern. Doch gegen viele Projekte regt sich Widerstand. Ob auf den Buckower Feldern oder der ehemaligen Kleingartenkolonie Oeynhausen.

Hier gab es keinen Protest, sondern engagierte Bürger. Und würde der Senat an die Genossenschaft die gleiche Messlatte anlegen, wie an BER, müsste er nicht nur eine Bürgschaft abgeben, sondern die Genossen mit Geld überschütten. Am Gleisdreieck wird sich zeigen, wie ernst es Müller mit seiner Wohnungspolitik ist.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2015.

Ein Projekt hängt in der Luft

Monika Herrmann hofft auf Landesbürgschaft für Möckernkiez

Stillstand: Derzeit geht auf den Baustellen am Gleisdreick nichts.

Foto: pskStillstand: Derzeit geht auf den Baustellen am Gleisdreick nichts. Foto: psk

Es hätte zumindest eine gute Antwort auf die Verdrängungsdebatte sein können: das Projekt Möckernkiez. Am Rande des Ostparks am Gleisdreieck sollte auf genossenschaftlicher Basis ein ganz neues Stadtviertel entstehen, mit bezahlbarem Wohnraum, einem Biosupermarkt, einem integrativen Hotel. Insgesamt 464 Wohnungen verteilt auf 15 Gebäude auf drei Hektar.

Die Rechnung klang zunächst recht vielversprechend: Die Genossen sollten 30 Prozent des Wertes der Wohnung einzahlen und nach dem Bezug eine vergleichsweise moderate Miete von im Schnitt acht Euro pro Quadaratmeter berappen. Das hätte – aus Sicht des Jahres 2010, als das Projekt startete – vielleicht auch funktioniert. Allerdings sind in Berlin in diesen vier Jahren die Mieten um satte 40 Prozent gestiegen. Das blieb auch nicht ohne Folgen für das Projekt Möckernkiez. War 2010 mit einem Quadratmeterpreis von 2000 Euro kalkuliert worden, liegt er jetzt bei 2750 Euro.

Doch damit noch nicht genug der Probleme. Weder das geplante Hotel, noch der Biosupermarkt werden nach jetzigem Stand realisiert werden.

Alles in allem fehlten der Genossenschaft Anfang Dezember noch rund fünf Millionen Euro, um das angestrebte Eigenkapital von 32,6 Millionen zu erreichen. Das Gesamtprojekt umfasst inzwischen ein Volumen von 124 Millionen Euro. Geplant waren 80 Millionen. Das Problem bislang: Die Banken wollen nicht mitmachen.

Für die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann sollte das Projekt an dieser Hürde nicht scheitern. »Eine Bürgschaft vom Senat fände ich nicht schlecht«, meint sie. »Man kann die Leute jetzt nicht hängen lassen. Da hängen Existenzen kleiner Leute dran. Hier sollte sich die Landesregierung einen Ruck geben.«

Doch im Moment scheint die Landesregierung noch gar nicht daran zu denken. Bau-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup jedenfalls sagte dem rbb gegenüber klipp und klar: »Das Land bürgt nicht.«

Senatserinnerungen an das Tempodrom

Der Staatssekretär erinnert daran, dass der Senat gerade in Kreuzberg mit Bürgschaften schlechte Erfahrungen gemacht hat und verweist auf das Tempodrom, das ja in Sichtweite des Möckernkiezes liegt.

Die Empfehlung ist denn auch eine ganz einfache: Entweder soll sich die Genossenschaft irgendwie mit den Banken einigen oder eine größere Wohnungsgenossenschaft mit ins Boot nehmen.

Ob das allerdings die Lösung ist? Mit ihrer Planung wollten sich die Genossen ja gerade von anderen genossenschaftlichen Projekten abheben.

Das sieht auch die Bezirksbürgermeisterin so. Sie spricht von einem »sehr bezirklichen Herangehen.« Zwar räumt sie ein, dass die Planungen vielleicht etwas großzügig ausgefallen sind, erinnert aber daran, wer hier investiert. Hier gehe es um Menschen, die nicht zu den Besserverdienenden gehörten und die zum Teil ihre ganzen Ersparnisse als eine Art Alterssicherung in das Projekt gesteckt hätten.

Von den 15 geplanten Gebäuden stehen bislang vier im Rohbau, die vorerst alle winterfest gemacht worden sind. Ansonsten ist auf den Baustellen in den letzten Monaten nicht mehr sehr viel gelaufen.

Das heißt nicht, dass das Projekt am Ende ist, aber es hängt in der Schwebe. Derzeit hat die Genossenschaft etwa 1.300 Mitglieder und es kommen noch neue hinzu. Für die wird es allerdings deutlich teurer, als ursprünglich gedacht. Sie werden nun 40 statt 30 Prozent der Bausumme einbezahlen müssen. Bei einer vier Zimmer-Wohnung mit 100 Quadratmetern sind das trotzdem noch weniger als 100.000 Euro. Allerdings dürften dann die Mieten nicht mehr ganz so günstig sein, wie gedacht.

Letztlich hängt alles daran, was für einen Partner die Möckernkiez Genossenschaft am Ende finden wird und zu welchen Konzessionen die Mitglieder bereit sind. So scheinen derzeit noch viele Möglichkeiten offen. Allerdings wird die Situation neu bewertet werden müssen. Die Genossenschaft hat reagiert und den Vorstand zum Jahrebeginn auf fünf Mitglieder erweitert.

Das einzige was sicher ist: Eine Bauruine wird dort nicht stehen bleiben. Was jetzt schon steht ist ein gefundenes Fressen für Baulöwen und Immobilienhaie.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2015.

Zehn Jahre Kiez und Kneipe

Ein Dank an Leser, Kunden und Mitarbeiter / von Peter S. Kaspar

Die KuK-Redaktion arbeitet seit sechs Jahren in dieser Besetzung zusammen.

Foto: philsDie KuK-Redaktion arbeitet seit sechs Jahren in dieser Besetzung zusammen. Foto: phils

Alle paar Jahre gibt es eine neue Welle des Zeitungs- und Zeitschriftensterbens in Deutschland. Große und namhafte Blätter verschwinden. In der Welt der Printprodukte haben fast nur noch Lifestyle- oder Special-Interest-Magazine eine Chance.

So gesehen haben wir, das Team von Kiez und Kneipe, wahrlich Grund, stolz zu sein. Seit zehn Jahren gibt es das Stadtteilmagazin jetzt schon. Erstmals erschien es am 4. Dezember 2004 mit dem bescheidenen Umfang von zwölf Seiten. Heute sind es mal 16, mal 20 und ganz selten sogar mal 24 Seiten.

Im Grunde ist die KuK ein gedruckter Anachronismus, vielleicht sogar ein Paradoxon, das dem berühmten Hummel-Paradoxon gar nicht so unähnlich ist: Gemessen an ihrer Körpergröße und ihrer Flügelfläche, kann eine Hummel angeblich gar nicht fliegen – aber sie tut es trotzdem.

Fröhlich wandelt die KuK seit einem Jahrzehnt auf einem schma­len Grat. So richtig in die Gewinnzone ist sie nie gekommen, aber auch nicht richtig in die Gefahr, pleite zu gehen. Es gab zwei existenzgefährdende Situationen. Einmal nach dem Brand der Redaktionräume und einmal nach dem Versuch ehemaliger Mitarbeiter, die Kreditwürdigkeit des Blattes zu untergraben.

Am Ende aber ist es alles immer irgendwie gut ausgegangen und die KuK steht heute besser da, als jemals zuvor in ihrer Geschichte.

Das hat sie in erster Linie ihren engagierten Mitarbeitern zu verdanken, die das Blatt jeden Monat ehrenamtlich und mit goßer Hingabe neu erfinden. Dieser harte Kern, der so seit sechs Jahren zusammen ist, hat die KuK zu dem gemacht, was sie heute ist.

Überleben könnte die KuK auch nicht ohne jene Kunden, die dem Blatt seit Jahren die Treue halten und die Kiez und Kneipe mit ihren Anzeigen unterstützen.

Das Überleben der KuK hat sicherlich auch damit zu tun, dass wir uns selbst nicht immer all zu ernst nehmen. Das Honorar für die Mitarbeit ist der Spaß am Zeitungsmachen und die Resonanz der Leser. Ohne sie wäre die Produktion einer Kiezzeitung ein sehr sinnbefreites Unterfangen. So kann denn auch eine Zeitung, die nichts kostet, nur durch ihre Leser überleben. Das sind jeden Monat zwischen 10.000 und 15.000.

Und die Zukunft? Wachsen wollen wir nicht mehr. Aber zum 20-Jährigen würden wir alle gerne wieder einladen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2014.

Bringt das wirklich was?

Innensenator Frank Henkel und Kreuzbergs Bürgermeisterin Monika Herrmann in einer gemeinsamen Taskforce gegen die Drogendealer im Görli – auf diese Idee muss man auch erst mal kommen. Die beiden trennt ein ideologischer Graben in der Tiefe des Grand Canyon – auch und gerade in der Drogenpolitik. Doch wer weiß, vielleicht gebiert der Wettbewerb der Systeme in der Taskforce Großes.

Doch egal, wer gewinnt, am Ende wird es aufs Gleiche rauskommen. Die Dealer sind dann zwar weg aus dem Görli, aber sie dealen eben anderswo.

Dealer wird es immer geben, aber dass es so viele sind, liegt daran, dass es so viele Flüchtlinge gibt, denen nicht erlaubt wird, sich sinnvoll (und ernährend) zu beschäftigen. Sinnvoll wäre es, Flüchtlinge in den Erwerbsprozess einzubeziehen. Das kostet weniger Geld und reduziert die Zahl der Dealer deutlich.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2014.

Görlitzer Park kommt nicht zur Ruhe

Neue Taskforce soll die Situation verbessern

Mit der Gründung einer Taskforce reagiert nun die Politik auf die sich offenbar verschärfende Drogensituation im Gör­lit­zer Park. Pikant ist die Zusammensetzung des Gremiums. Mit Innensenator Frank Henkel, seinem Staatssekretär Bernd Krömer und Justiz­se­na­tor Thomas Heilmann sitzen drei CDU-Leute, die für Law-and-Order stehen, zwei Vertretern der Grünen, Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Bezirksstadtrat Hans Panhoff, gegenüber. Beide stehen naturgemäß für eine liberalere Drogenpolitik.

Der Görlitzer Park gilt schon lange als Umschlagplatz für meistens weiche Drogen. Doch seit geraumer Zeit ist die Zahl der Dealer enorm gewachsen. Zudem klagen vor allem Anwohner, dass das Auftreten der Rauschgiftverkäufer inzwischen auch ziemlich forsch geworden ist.

In wie weit das richtig oder eher eine subjektive Wahrnehmung ist, ist nur schwer zu überprüfen. Dass die Zahl der Dealer enorm gewachsen ist, lässt sich hingegen belegen. Auch ein Zusammenhang mit den Asylsuchenden in der nahegelegenen Gerhard-Hauptmann-Schule ist schlecht wegzudiskutieren.

So ergeben sich zwei Linien, wie dem Problem beizukommen sei. Der Innensenator sähe am liebsten eine Null-Toleranz-Politik mit hoher Polizeipräsenz in und um den Park. Und ihm geht der Umgang mit den Flüchtlingen in Kreuzberg entschieden zu weit.

Monika Herrmann dagegen hofft, mit einem legalen Coffeeshop den Dealern die Grundlage zu entziehen. Sie setzt mehr auf Dialog und glaubt, dass eine weniger restriktive Flüchtlingspolitik ohne Residenzpflicht und Arbeitsverbot hilfreich wäre.

Einig sind sich die beiden unterschiedlichen Lager in der Taskforce jedoch in einem: Die jetzige Situation im Gör­litzer Park ist so nicht mehr tragbar und den eigentlichen Nutzern des Parks auch so nicht mehr zuzumuten.

Mit den Anwohnern will die Grünen-Fraktion in der BVV im Januar ins Gespräch kommen.

Grünflächenamt vergrämt die Dealer

Bei einer Veranstaltung – so sie zustande kommt – sollen die Mitglieder der Taskforce ihre Vorstellungen kundtun.

Bis dahin ist die Taskforce allerdings auch schon tätig geworden. Zum Teil mit überraschenden Erfolgen. So hat Baustadtrat Hans Panhoff, das Grünflächenamt losgeschickt, um das Unterholz einmal so richtig auszuforsten – das Unterholz, in dem die Dealer auch schon mal gerne ihren Stoff deponieren.

Tatsächlich fanden die Mitarbeiter des Grünflächenamtes nicht nur weiche Drogen in Form irgendwelcher Cannabisprodukte, sondern auch richtig hartes Zeug wie Crystal Meth und Kokain.

Der Hohlweg am Spreewaldbad, den Panhoff einen »richtigen Angstraum« nennt, soll zugeschüttet werden. Durch solche und ähnliche Maßnahmen soll den Dealern die Lust am Dealen genommen werden.

Innensenator Frank Henkel setzt da auf eine andere Strategie. Er will die Grenze für den in der Regel nicht verfolgten Besitz von Cannabis-Produkten für den Eigenbedarf von 10 bis 15 Gramm auf sechs Gramm herabsetzen – und zwar nur für den Park und seine Umgebung.

Die Polizei sieht den Ruf nach größerer Präsenz mit sehr gemischten Gefühlen, denn personell arbeiten die Ordnungshüter am Park sowieso bereits am Anschlag. Noch mehr Präsenz ist angesichts der Personalsituation nur schwer darstellbar. Zudem gerät die Polizei auch immer wieder mit Anwohnern des Görlitzer Parks aneinander. Viele fühlen sich zwar durch die Dealer bedroht, doch die Festnahme eines Dealers wird andererseits auch gerne als unangemessene Polizeigewalt interpretiert.

Inwieweit die Maßnahmen wirklich greifen und welche Konzepte am Ende möglicherweise zum Erfolg führen, wird so schnell nicht festzustellen sein. In der kalten Jahreszeit und den kurzen Tagen, wenn Bäume und Büsche entlaubt sind, sind auch nicht nur weniger Parkbesucher, sondern auch weniger Dealer unterwegs.

Doch das Problem könnte sich im nächsten jahr auch ohne Tatort von selbst lösen. Die Polizei beobachtet, dass viele Dealer den Park verlassen, um andernorts zu dealen. Im Görli gibt es zuviele Kollegen. Das ruiniert die Preise.

Kommentar: Bringt das wirklich was?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2014.