Cartoon zum Anziehen

Kiez und Kneipe verlost Punk-T-Shirts

Seit fast zwei Jahren – genauer gesagt seit 22 Monaten – erscheinen regelmäßig die Erlebnisse des 50-jährigen Punks in der Kiez und Kneipe. Sein Schöpfer Bert Henning, Inhaber des Comic­ladens »Grober Unfug« und selbst in ähnlichen Altersregionen unterwegs, nimmt dieses Fast-schon-Jubiläum zum Anlass, sich bei seinen Lesern zu bedanken, und spendet einen Stapel T-Shirts mit nebenstehendem Motiv für die treuesten Fans des 50-jährigen Punks. Wer uns bis Ende September eine Postkarte schickt, auf der der Satz »Ich brauche unbedingt ein T-Shirt vom 50-jährigen Punk, weil…« vervollständigt ist, hat gute Chancen, eines von jeweils fünf Frauen- bzw. Männer-T-Shirts zu gewinnen. Alternativ nehmen wir Eure Antworten auch unter punk@kiezundkneipe.de
entgegen. Dabei sollte auch die Angabe der eigenen Adresse und der gewünschten T-Shirt-Größe nicht fehlen. Die kreativsten Antworten werden dann im Oktober in der KuK veröffentlich. Wie es sich für ein anständiges Preisausschreiben gehört, ist der Rechtsweg natürlich ausgeschlossen. Die Anschrift für Einsendungen lautet:

Kiez und Kneipe
Fürbringerstr. 6
10961 Berlin

Einsendeschluss ist der 28.9.2011!

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2011.

„Kann das alles rechtens sein?“

Bewohner der Willibald-Alexis-Straße 34 wenden sich an den Regierenden

Die Verzweiflung vieler Menschen ist groß. Die Bewohner der Willibald-Alexis-Straße 34 sehen ihre Hausgemeinschaft und ihre Wohnexistenz durch einen neuen Eigentümer bedroht. In einem Offenen Brief wollen sie den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit auf ihre Probleme aufmerksam machen.

Hier können Sie den Brief in voller Länge lesen (PDF-Datei).

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2010.

Rettung in letzter Sekunde

Archiv der Jugendkulturen geht stiften

Was ist der Unterschied zwischen Gothics und Emos? Welche Musik hören Skater? Und wie ist das mit der Jugendkriminalität? Fragen wie diese sind es, die sich hevorragend im Archiv der Jugendkulturen in der Fidicinstraße klären lassen – vorausgesetzt, man ist bereit, sich durch den riesigen Berg von rund 8.000 Büchern, 30.000 Fanzines, 8.000 Schülerzeitungen und 480 Diplomarbeiten zu wühlen. In zwölfeinhalb Jahren ist hier die wahrscheinlich umfangreichste Sammlung zum Thema Jugendkultur entstanden und kann von jedermann kostenlos für Recherchen genutzt werden.

Archivgründer Klaus Farin inmitten der Zeitschriftensammlung. Foto: rsp

Doch obwohl das als Verein geführte Projekt seit Jahren auch einen wichtigen Beitrag für die Forschung leistet und bereits mehrfach für seine Schulprojekte ausgezeichnet wurde, muss es ohne einen Cent Regelförderung auskommen. Nach Bundesfamilienministerin Schröder hat zuletzt auch Bildungssenator Zöllner eine Förderung der Einrichtung abgelehnt. Die laufenden Kosten werden aus Spenden von Mitgliedern, einzelnen Förderern und den Einnahmen des eigenen Buchverlags mehr schlecht als recht getragen, die meisten Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich. Zu Ende Oktober stand deshalb die Entscheidung an, ob man den Mietvertrag verlängert oder das Projekt aufgibt.

Bereits vor einigen Monaten hatte der Verein daher die Gründung einer Stiftung beschlossen. Ziel war es, bis zum 31. Oktober die Stiftungssumme von 100.000 Euro zusammenzubekommen.

Dank der Spendenbereitschaft von Wissenschaftlern, Privatpersonen, Bundestagsabgeordneten aber auch 15-jährigen Schülern und Jugendclubs kamen bis zum Stichtag immerhin knapp 94.000 Euro zusammen. Damit wird es auf jeden Fall weitergehen, so Klaus Farin, Gründer des Archivs. Trotzdem darf natürlich weitergespendet werden. Denn wenn mehr als 100.000 Euro zusammenkommen, hat er auch schon Pläne.

»Wir bekommen ständig Anfragen von Leuten, die ein Freiwilliges Soziales Jahr machen wollen, können uns das aber momentan nicht leisten«, erklärt Farin. Mit dem Geld könnte das Archiv einen FSJ-Platz einrichten.

Sinn der Stiftungsgründung ist vor allem, in Zukunft einfacher an Fördergelder zu kommen, denn die Gesetzgebung erlaubt es, Spenden an Stiftungen einfacher steuerlich abzusetzen. Darüberhinaus genießen Stiftungen aufgrund ihrer Rechtsform ein relativ hohes Ansehen, da Spender sich sicher sein können, dass keine Gelder veruntreut werden.

Viel zu forschen: Meterweise Literatur zu den vielen Aspekten von Jugendkultur ergänzt die Sammlung von Fanzines und Flyern. Foto: rsp

Geld jedenfalls wird das Projekt auch weiterhin benötigen. Denn allein für Miete und Nebenkosten wie Strom und Versicherungen für die 700 Quadratmeter wird monatlich ein Betrag im oberen vierstelligen Bereich fällig.

Neben dem reinen Archivbetrieb, wird in der Fidicinstraße auch selbst zum Thema geforscht. Mit dem »Journal der Jugendkulturen« gibt es eine eigene Fachzeitschrift. Regelmäßig finden in den Räumlichkeiten auch Ausstellungen statt – wie zuletzt die Fotoausstellung »Heimat«, bei der es um Berliner Jugendliche mit verschiedenen kulturellen Hintergründen ging. Darüberhinaus ist das Archiv auch bundesweit unterwegs: Im Rahmen des Projektes »Culture on the Road« werden in Workshops und Projekttagen jugendkulturelle Themen vermittelt. Zielgruppe sind einerseits Schüler, andererseits Lehrer, Sozialarbeiter und Erzieher.

Weitere Infos: www.jugendkulturen.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2010.

Wo wärst du heute, wenn die Mauer noch stehen würde?

Neun Kreuzberger fragen sich, wie ihr Leben verlaufen wäre. Erinnerung und Spekulation über ein geteiltes Deutschland

Vor fast 21 Jahren fiel die Mauer, und 20 Jahre ist die Wiedervereinigung her. Viele Menschen sind in Zeitungen und im Fernsehen zu Wort gekommen und haben erzählt, wie sie die Wende erlebt haben. Wir haben die umgekehrte Frage gestellt: Wie wäre dein Leben verlaufen, wenn die Mauer noch stehen würde? Wo wärst du heute, wenn es noch zwei deutsche Staaten geben würde?

Almut Gothe: Noch drei Jahre Dienst bei der NVA. Foto: rsp

Für Almut Gothe ist die Antwort einfach. »Ich wäre noch die nächsten drei Jahre bei der NVA.« Schon mit 14 Jahren hatte sie verkündet, Offizier werden zu wollen. Als 20jährige fing sie an, Militärfinanzen zu studieren und verpflichtete sich für 25 Jahre zum Dienst bei der Armee. Ohne die Wende wäre ihr Lebensweg damit fest vorgezeichnet gewesen. Oder zumindest größtenteils. »Vielleicht würde ich jetzt auch im Knast sitzen, weil ich meine Klappe nicht halten konnte.«

Heiko Salmon: »Wäre die Wende nicht gekommen wäre ich Pferdezüchter.« Foto: rsp

Auch Heiko Salmon, glaubte seinen Lebensweg zu kennen. »Ich wäre jetzt Pferdezüchter«, erzählt der gebürtige West-Berliner. Neben seinem Job als Verwaltungsbeamter hatte er damals mit zwei Freunden mit der Pferdezucht begonnen. Nach dem Mauerfall aber brach der Markt zusammen, da das Brandenburger Umland mehr und günstigere Weideflächen bot. Dazu schwand das Interesse des Berliner »Geldadels« am Trabrennen. Auch dass Wehrpflicht jemals ein Thema für ihn sein könnte, hatte er nicht erwartet, bis er Mitte der 90er zur Musterung bestellt wurde.

Harald Jaenicke: Auch kein Jurist, aber schneller. Foto: rsp

Harald Jaenicke, Kreuzberger Kellerkneipenkellner, kam dank anwaltlicher Beratung gerade noch so um den Wehrdienst herum. »Ich weiß nicht, ob es viel anders wäre, vermutlich hätte ich mein Jura-Studium drei Jahre früher abgebrochen«, sagt er. Das Interesse vieler Studenten aus den neuen Bundesländern an einem Studium an der FU sorgte für einen höheren NC und damit für Wartezeit für Harald. »Ich bin ein typisches West-Berliner Kiezkind, aber wahrscheinlich könnte ich mir die Wohnung in Schöneberg nicht mehr leisten.«

Iris Praefke: Vielleicht kein Kino, aber wohl doch was mit Kultur. Foto: rsp

Für Moviemento-Betreiberin Iris Praefke ist die Wende nur ein Faktor von vielen. »Hätte ich nicht zufällig meinen damaligen Freund kennengelernt, hätte ich nie Sozial- und Politikwissenschaften studiert« – was sie durch ein Auslandsstipendium wiederum indirekt zum Kino brachte. In der DDR hätte die Weimarerin aber garantiert nichts politisches studiert. »Wahrscheinlich hätte ich jetzt Kinder und wäre verheiratet. Aber irgendwas kulturelles würde ich wohl schon machen.«

Dominique Croissier: Zurück in der Provinz mit Kind und Kegel. Foto: privat

Dominique Croissier kam schon vor dem Mauerfall her und wäre wohl irgendwann wieder nach Heidelberg zurückgegangen. »West-Berlin war groß aber piefig. Da gab‘s zwar Kreuzberg, aber das war wie ein Dorf.« Als die Mauer weg war, gab es in Ost-Berlin einen gefühlt rechtsfreien Raum, in dem man ein Vakuum besetzten konnte – in Dominiques Fall einen ehemaligen Friseurladen, in dem sie mit ein paar Freunden einen angesagten Club aufmachte. »Ansonsten wäre ich wohl einfach in der Provinz versackt, mit einem ekligen Mann verheiratet, und hätte aus Verzweiflung Kinder bekommen, die wie Opossums an mir hängen würden.«

Chen Castello: »Wäre die Mauer nicht gefallen, wäre ich heute vielleicht tot.« Foto: psk

»Vielleicht würde ich dann gar nicht mehr leben«, meint Chen Castello nachdenklich. 1985 war er wegen des Bürgerkriegs aus seinem Heimatland Mozambique in die DDR geflüchtet und hatte dort im sächsischen Seifhennersdorf einen vierjährigen Arbeitsvertrag erhalten, der 1989 auslief. Ihm drohte die Rückführung und erneute Verfolgung. Ein befreundeter tschechischer Grenzbeamter wollte ihm zur Flucht durch die ČSSR nach Österreich verhelfen. Doch dann fiel die Mauer.

Silke Walter: Markenmanagerin in Berlin statt Kunstlehrerin in der Provinz. Foto: privat

Wäre die Mauer noch da, so würde Silke Walter heute als Englischlehrerin und Kunsterzieherin an einem Gymnasium in einer sächsischen Kleinstadt unterrichten. Wahrscheinlich hätte sie einen Ehemann und zwei Kinder, ihr Leben wäre in ruhiger Bahn verlaufen. Mit dem Fall der Mauer aber hat sich alles geändert. Sie machte Karriere in Berlin in einem internationalen Konzern als Marketingmanagerin und unterrichtet heute als Hochschuldozentin in Sachsen und Berlin ihr Fach Marketing.

Joachim Mühle: Gedenkstätte statt Gaststätte. Foto: rsp

»In der Gastronomie wäre ich eher nicht gelandet«, überlegt Joachim Mühle, Chef des Valentin. Er vermutet, dass er stattdessen ein gutes Auskommen im öffentlichen Dienst oder bei einem freien Träger in West-Berlin hätte. Als Diplom-Politologe suchte er nach dem Abschluss 1993 nach einem Job in einer antifaschistischen Gedenkstätte – aber da gab es 250 Bewerber, teils bereits promovierte Experten aus der DDR.

Claudia Bombach: Keine Souvenirstände am Potsdamer Platz mehr. Foto: psk

»Ich bin fast ein bisschen erschrocken, als ich über die Frage nachgedacht habe«, meint Claudia Bombach. Bei ihr hätte sich ohne den Mauerfall so gut wie nichts geändert. Als Stadtführerin würden ihre Touren heute noch an den Souvenirständen am Potsdamer Platz enden und ein Highlight der Tour wäre noch immer das Schöneberger Rathaus. »Ach, ja und die Mieten in Kreuzberg wären billiger.«

cs

psk

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Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2010.

Heiter bis wolkig

1. Mai in Kreuzberg verlief weitgehend friedlich

Frau mit kleinem Kind auf dem Arm, das Ohrenschützer trägtEin ruhiger 1. Mai – wer wünscht sich das nicht? Foto: rsp

Noch wenige Tage vor dem 1. Mai waren die Medien geprägt von übelsten Befürchtungen zum Verlauf der Kreuzberger Maifeierlichkeiten. Doch trotz Schwarzmalerei im Vorfeld verlief die Traditionsveranstaltung bis auf einige wenige Scharmützel weitgehend friedlich.

Dazu trug sicher auch die gelöste Stimmung nach dem erfolgreich verhinderten Nazi-Aufmarsch in Prenzlauer Berg bei. Linke Gegendemonstranten hatten am Nachmittag, teilweise gewissermaßen gemeinsam mit der Polizei, die Straßen blockiert, so dass die Rechtsextremisten ihre Route auf rund 800 Meter verkürzen mussten. Im Kreuzberger MyFest-Gebiet rund um den Mariannenplatz wurde derweil kräftig gefeiert und gebechert – im wahren Sinne des Wortes, denn das Glasflaschenverkaufsverbot des Bezirks (KuK berichtete im April) wurde relativ konsequent durchgesetzt. Selbst die Aral-Tankstelle in der Skalitzer Straße musste ihr Sortiment kurzfristig auf Bier in Plastikflaschen umstellen – offiziell über das Verkaufsverbot informiert wurde Tankstellenpächter Thomas Kalweit erst am Morgen des 1. Mai.

Nicht ungetrübt war die Veranstaltung auch für die Organisatoren des »Netzwerk MyFest«. Nach Angaben der Initiative, die seit 2003 das MyFest organisiert, wurde der Etat für Bühnen durch den Bezirk gekürzt, so dass die ursprünglich geplante Rockbühne am Oranienplatz kurzfristig abgesagt wurde. Die Finanzierung notwendiger Sicherheitsmaßnahmen wäre auch mit Erlösen aus Getränkeausschank nicht gewährleistet gewesen.

Räuber und Gendarm

Für einige Aufregung sorgte dieses youtube-Video

Zu kleineren Reibereien zwischen Polizei und Demonstranten kam es im Zuge der traditionellen 18-Uhr-Demo. Für einige Aufregung sorgte allerdings eine im Laufe des Abends beim Video­portal youtube veröffentlichte Aufnahme, die zeigt, wie ein Demonstrant am Spreewaldplatz von einem Polizisten ins Gesicht getreten wird. Erfreulicherweise hat die Polizei noch am Abend mit internen Ermittlungen begonnen.

Doch auch die Polizei hat mindestens einen schwerverletzten Beamten zu beklagen, der allerdings nicht, wie es zunächst hieß, mit einem Messer in den Rücken gestochen wurde.

Rangeleien mit der PolizeiNachts um drei kam es nur noch zu den üblichen Rangeleien. Foto: rsp

Spätestens als gegen 22 Uhr Regen einsetzte, war der größte Teil des Krawalls vorbei, vermutlich auch, da zahlreiche potentiell Beteiligte den Heimweg antraten. Erst einige Stunden später kam es in der Adalbertstraße noch zu den üblichen »Räuber-und-Gendarm«-Spielchen. Ausgehend von einigen wenigen amüsierwilligen Krawallmachern, die mitgebrachte Feuerwerkskörper und herumliegenden Müll entzündeten, sahen sich die Ordnungshüter schließlich genötigt, die Straße gegen 4 Uhr morgens komplett zu räumen.

Beste Gelegenheit für die BSR, den gesammelten Müll eines rauschenden Festes von den Straßen zu schaffen. Der bestand – insofern ging die Rechnung des Bezirks auf – tatsächlich kaum aus Glasscherben sondern zum größten Teil aus Plastikbechern.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2010.

Ordnungsrechtliche Kleinkrämerei

Seit Jahren ist Kreuzberg alljährlich Schauplatz von Randale und Krawall. Jetzt hat das Bezirksamt den Übeltäter ausfindig gemacht: Alkohol, vor allem in Flaschen. Zweifellos enthemmt Alkohol, und zweifellos fliegen im Zuge der Konfrontationen mit der Polizei leere Flaschen oder meinetwegen auch volle Dosen. Und ja, der 1. Mai ist ein gesetzlicher Feiertag, an dem die Ladenöffnungszeiten per Gesetz eingeschränkt sind. Aber ein Straßenfest lebt auch und gerade von seiner Stellung als Ausnahmezustand: Wo sonst Autos fahren stehen Bühnen, und am Straßenrand gibt es Stände, und da gibt es dann eben auch – einmal im Jahr – Bier zu kaufen. Wenn jetzt das Bezirksamt durch ordnungsrechtliche Kleinkrämerei versucht, die Problematik des 1. Mais zu lösen, dann ist das vor allem eine Bankrotterklärung, die auch die trifft, die einfach friedlich feiern wollen und ihr Bier lieber trinken als es zu werfen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2010.

Alkoholfrei in den Mai

Bezirksamt verhängt Verkaufsverbot für Glasflaschen

Wer am Morgen eines 2. Mais zwischen Mariannenplatz und Kotti durch die Straßen von Kreuzberg 36 schlendert, darf sich auf das Durchwaten etlicher Scherbenhaufen gefasst machen. Wenn es nach dem Bezirksamt geht, soll sich das dieses Jahr ändern.

Bald arbeitslos? (Glas-)Flaschensammler auf dem Mariannenplatz Foto: rsp

In einem im Internet veröffentlichten Schreiben teilte man Mitte März den Anwohnern und ansässigen Gewerbetreibenden mit, dass dieses Jahr ein umfassendes Verkaufsverbot für Glasflaschen und Getränkedosen bestehe. Darüber hinaus dürfe an Anwohnerständen kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden, auch nicht in Pappbechern. Auch wolle man die ohnehin bestehenden gesetzlichen Regelungen zu Ladenöffnungszeiten konsequent verfolgen. Im Klartext heißt das, dass Kiosk- und Spätkaufbesitzer ihre Geschäfte nicht öffnen dürfen und auch Dönerläden und Kneipen der Außer-Haus-Verkauf von Glasflaschen untersagt ist.

Begründet wird das Verkaufsverbot mit der Unfallgefahr, aber auch mit der besonderen Eignung von herumliegenden Flaschen als Wurfgeschoss bei den alljährlichen Randalen. Und »auch gefüllte Dosen«, so der stellvertretende Bezirksbürgermeister Dr. Peter Beckers, »sind Wurfgeschosse.«

Mit Vorgaben oder Vorschlägen der Polizei habe die neue Regelung nichts zu tun, vielmehr handle es sich Ideen der MyFest-Organisatoren, erklärte Beckers weiter. Betroffen ist das gesamte Areal zwischen Mariannenplatz, Oranienplatz und Skalitzer Straße.

Eben dort, Skalitzer Ecke Mariannenstraße, befindet sich der Getränkehändler, der am 1. Mai vermutlich den größten Umsatz erwirtschaftet: Die Aral-Tankstelle von Thomas Kalweit. Laut Beckers soll das Flaschenverkaufsverbot auch hier gelten.

Glasflaschenverkaufsverbot soll auch für Tankstelle gelten

Für Thomas Kalweit würde ein Verkaufsverbot einen Umsatzausfall von 40.000 Euro bedeuten, immerhin mehr als ein Viertel des MyFest-Etats. Bescheid gesagt hat ihm indessen noch niemand. »Da kann man mir auch nicht mit Staatsraison kommen«, sagt der Aral-Pächter, der der Angelegenheit aber gelassen entgegensieht und auch auf die Lobby seiner ‚Company‘ vertraut.

Das mit der Regelung einhergehende faktische Alkoholverkaufsverbot hält er selbst für keine gute Idee: »Solange die immer noch ihren Alkohol kriegen, sind sie friedlich.«

Wenn er wirklich kein Bier verkaufen darf, wird er seine Tankstelle am 1. Mai einfach schließen. Das wäre ärgerlich für die Einsatzkräfte von Polizei und Rettungsdienst, dient ihnen doch die Tankstelle traditionell auch als eine Art Knotenpunkt und Rückzugsort.

Noch ist nicht hundertprozentig sicher, ob sich das Flaschenverbot tatsächlich auch auf die Aral-Tankstelle bezieht, und Kalweit will erst einmal abwarten, bis er direkt vom Ordnungsamt angesprochen wird. Fest steht aber schon jetzt, dass das Vorhaben des Bezirksamts in der Umsetzung nicht unproblematisch sein wird. Das Mitbringen von Flaschen in die ‚Bannmeile‘ ist nicht verboten, folglich wird es auch keine Taschenkon­trollen geben, die, wie es hieß, ohnehin nicht politisch gewünscht seien. So dürfte es, was den Alkoholkonsum aber auch die Anzahl potentieller »Wurfgeschosse« angeht, kaum einen Unterschied zu den Vorjahren geben, in denen teilweise sogar noch Mehrweg-Flaschen zum Zwecke der Müllvermeidung propagiert wurden.

Für Kalweit, aber vor allem auch die vielen kleinen Geschäfte in der Festzone werden die Umsatzeinbußen sicher spürbar sein. Profitieren werden höchstens die Betreiber der wenigen Alkohol ausschenkenden Stände, die in der Nähe von Bühnen genehmigt werden. Abzuwarten bleibt, wie die Besucher angesichts der Mangelsituation reagieren. Ob Alkoholentzug bei den Feierwilligen zur guten Laune beiträgt, ist wohl eher ungewiss.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2010.

Protest, Polizeipräsenz und Party

Wissenschaftliche Studie zum 1. Mai in Kreuzberg veröffentlicht

Die Auseinandersetzung mit den alljährlichen Geschehnissen am 1. Mai in Kreuzberg wird seit jeher sehr emotional geführt. Jetzt hat sich ein Forschungsteam der FU Berlin wissenschaftlich mit dem Phänomen auseinandergesetzt. Die Wissenschaftler um den Strafrechtler Prof. Dr. Klaus Hoffmann-Holland haben einen ersten Forschungsbericht veröffentlicht, der die Gewalthandlungen aus kriminologischer Sicht analysiert.

Grundlage für die Studie waren Strafakten der Berliner Justiz zum 1. Mai 2009, Interviews mit Besuchern und Beteiligten sowie die Auswertung von Weblogs.

Ein Fazit der Studie ist die Erkenntnis, dass es sich bei den Ereignissen um »ein komplexes soziales Geschehen« handelt, dass »von den verschiedenen Akteuren sehr unterschiedlich gedeutet wird«. Denn selbst die Gruppe der Teilnehmer der traditionellen 18-Uhr-Demo, der das Hauptaugenmerk der Forscher galt, ist mitnichten homogen und hat teilweise sehr widersprüchliche Wahrnehmungen von den gleichen Abläufen. Dies zeigt etwa die Rekon-struktion der Geschehnisse entlang der Demo-Route. Wer wann wen provoziert oder angegriffen hat, was zuerst war, Festnahmen durch die Polizei oder Flaschenwürfe – all das ist selbst unter Demonstrationsteilnehmern bestenfalls unklar.

Ganz grob unterschieden werden drei Gruppen von teilnehmenden Privatpersonen: Diejenigen, die grundsätzlichen politischen Protest zum Ausdruck bringen wollen, diejenigen, die sich vor allem gegen die Polizeipräsenz wenden, und die, für die das »aufregende Erlebnis« im Vordergrund steht.

Erwartungsgemäß viel Raum nimmt die Beschäftigung mit der Wahrnehmung des Verhaltens der Polizei durch MyFest-Besucher und Demonstranten ein.

Katz-und-Mausspiel mit vielen Akteuren

Während ein Teil der Beobachter das Verhalten der Polizei als einschüchternd und bedrohlich wahrnimmt, halten andere es für professionell und routiniert. Von manchen wiederum wird die bloße Präsenz der Polizei als Provokation begriffen und entsprechend reagiert.

Einschüchtern und bedrohlich oder professionell und routiniert? Polizeieinsatz am 1. Mai.

Foto: rspEinschüchtern und bedrohlich oder professionell und routiniert? Polizeieinsatz am 1. Mai. Foto: rsp

Interessant sind auch die Analysen der Wissenschaftler zum weiteren Verlauf des Abends gegen Ende der eigentlichen Demonstration am Kottbusser Tor. Übereinstimmend wird die Situation als chaotisch und unübersichtlich beschrieben. Vielfach wird der Ritualcharakter der Auseinandersetzungen mit der Polizei betont, die von vielen als »Katz-und-Mausspiel« oder als »Sportveranstaltung« gesehen wird. Zunehmend verschwimmen dabei auch die Grenzen zwischen Zuschauern und Beteiligten.

Immer wieder steht dabei auch die Gewaltbereitschaft der Polizei im Fokus der Beobachtungen der Interviewten und Blogger. Häufig wird das Verhalten der Beamten als überzogen kritisiert, auch wenn selbst direkt involvierte gelegentlich Verständnis für »die Bullen« mitbringen und auch übertriebene Gewaltbereitschaft in den eigenen Reihen eingestehen.

Deutlich zeigt die Studie in einer umfangreichen Auswertung der Strafanzeigen aber auch, dass die in den Medien genannten Zahlen von Gewalttätern mit einiger Vorsicht zu genießen sind.

Indessen machen die Forscher in ihrem Bericht keine konkreten Vorschläge zur Prävention. Das war allerdings auch nicht die Aufgabenstellung. Vielmehr ging es um ein grundsätzliches Verstehen der Akteure und Zusammenhänge. Weitere Erkenntnisse könnten sich nach Ansicht der Autoren der Studie etwa durch qualitative Interviews mit beteiligten Polizisten ergeben – und durch Erhebungen zu Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt.

Weitere Informationen sowie der ausführliche Bericht finden sich auf der Webseite des Lehrstuhls unter: fu-berlin.de/maistudie

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2010.

Die KuK-Drucker

Wie kommt die Kiez und Kneipe eigentlich auf Papier? Wir waren zu Besuch bei unserer Druckerei KOMAG

Drucker Uli Sattler beim Einspannen der Druckplatte. Trotz Schnellspannvorrichtung ist die Benutzung eines Schraubenschlüssels obligatorisch.

Foto: rspDrucker Uli Sattler beim Einspannen der Druckplatte. Trotz Schnellspannvorrichtung ist die Benutzung eines Schraubenschlüssels obligatorisch. Foto: rsp

Es ist nicht wenig Arbeit, eine Zeitung wie die Kiez und Kneipe zu machen. Artikel müssen recherchiert und geschrieben werden, Fotos müssen gemacht werden, Anzeigen müssen akquiriert werden, und dann muss die ganze Angelegenheit auch noch umbrochen, also in eine Form gegossen werden, die nach Zeitung aussieht. Doch wenn sich die Redaktion nach einem erfolgreichen Umbruchwochenende erschöpft zurücklehnt, geht die Arbeit für andere Akteure erst richtig los. Denn was wäre eine Zeitung ohne die Druckerei?

Seit der ersten Ausgabe wird die KuK bei der »Kommunikations- und Marketingagentur GmbH«, kurz KOMAG, in der Schlesischen Straße gedruckt. Der kleine Kreuzberger Betrieb ist seit 1995 im Geschäft und eigentlich auf das Komplettprogramm von Satz, Layout und Druck spezialisiert. Doch auch der Druck alleine ist aufwendig genug.

Schwer reißend vom Spachtel zieht sich die ölige Druckfarbe. Ein Pfund reicht für 3000 Zeitungen.

Foto: piSchwer reißend vom Spachtel zieht sich die ölige Druckfarbe. Ein Pfund reicht für 3000 Zeitungen. Foto: pi

Aber der Reihe nach: Wenn die fleißigen Redakteure die Zeitung fertiggestellt haben, laden sie die Druckdatei auf den Server von KOMAG hoch. Früher wurden dort direkt vor Ort Filme hergestellt, von denen die Druckplatten belichtet wurden. Inzwischen bedient man sich eines externen Dienstleisters, der die nicht einmal einen Millimeter starken Metallbleche direkt und ohne Umweg aus der Datei erzeugt.

Gedruckt wird die KuK im Bogenoffset-Druckverfahren. Dazu verfügt die Druckplatte über eine spezielle Beschichtung, die die Eigenschaft hat, dass die aufgetragene Druckfarbe nur an bestimmten Stellen haftet, denjenigen Stellen nämlich, an denen später Buchstaben auf dem Papier landen sollen. Mit dieser Druckplatte, die um eine Walze herum eingespannt ist, wird nicht direkt auf Papier gedruckt, sondern zunächst auf eine Gummiwalze, die die Farbe aufnimmt und wiederum an das Papier abgibt. Im Unterschied zum Rollenoffset, der bei »großen« Zeitungen Verwendung findet, wird nicht auf Papier von der Rolle, sondern auf Einzelblätter gedruckt. Das Einzelblatt hat allerdings DIN-A2-Format und entspricht 8 Seiten Kiez und Kneipe.

Bei KOMAG stehen gleich zwei Druckmaschinen für Offsetdruck, die zwar kleiner als ihre großen Kollegen bei Axel Springer und Co sind, daheim in der guten Stube aber trotzdem arg im Weg wären.

Doch bevor gedruckt werden kann, muss einerseits Farbe in die Maschine – für die Monatsauflage einer KuK wird etwa ein Pfund der öligen Masse gebraucht – und andererseits Wasser, mit dem die Druckplatte benetzt wird, um den beschriebenen Adhäsionseffekt auf der Druckplatte zu erzeugen. Zwar kommt das Wasser aus der KOMAGschen Teeküche, doch bevor es in die Maschine darf, muss sein pH-Wert – und damit die Oberflächenspannung – durch einen speziellen Feuchtwasserzusatz gesenkt werden.

Neugierige Redakteure mit KOMAG-Chef Stefan Kriebel

Foto: piNeugierige Redakteure mit KOMAG-Chef Stefan Kriebel Foto: pi

Außerdem braucht man natürlich Papier. Etwa 80 cm hoch ist der Stapel, den Drucker Uli Sattler einmal pro Monat von Hand in die Druckmaschine einlegen muss. Das wuchtige Gerät, eine »Heidelberg« aus den 90ern, verfügt über einen sogenannten Schuppenanleger: Um die Geschwindigkeit zu erhöhen, wird das Papier den Druckwalzen nicht Blatt für Blatt, sondern überlappend zugeführt. Damit es nicht zu Papierstau kommt und auch nicht etwa zwei Bögen auf einmal eingezogen werden – das würde zu weißen Seiten in der Zeitung führen – gibt es eine komplizierte Vorrichtung aus Luftdüsen, Lichtschranken und Rädchen, die die Druckwalzen im Fehlerfall sofort stoppen.

Wenn‘s dann endlich losgeht, landen die ersten paar dutzend Exemplare erst einmal als Makulatur im Müll, weil sich die Farbe noch nicht optimal im Druckwerk verteilt hat.

Prinzipbedingt wird der Bogen zunächst nur einseitig bedruckt, was bedeutet, dass der ganze Stapel erneut – mit der Rückseite nach oben – auf den Einzugsstapel gewuchtet werden muss. Zuvor muss Uli Sattler aber erst die Druckplatte wechseln, was trotz Schnellspannvorrichtung eine Angelegenheit ist, die etliche Handgriffe und einen Schraubenschlüssel erfordert. Außerdem muss nach jedem Druckvorgang die Gummituchwalze, die die Farbe aufs Papier aufträgt, gereinigt werden. Die dafür erforderliche Chemie ist zwar heutzutage einigermaßen umweltfreundlich, beschert Druckereien wie KOMAG aber trotzdem regelmäßige Kontrollen durchs Umweltamt.

Bei 20 Seiten KuK wiederholt sich dieser Vorgang sechs Mal. Alles in allem dauert das Ganze vier bis fünf Stunden.

Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Fehlen nur noch der Druck der Rückseite, Beschnitt, Heftung, Vertrieb...

Foto: piEntscheidend ist, was hinten rauskommt. Fehlen nur noch der Druck der Rückseite, Beschnitt, Heftung, Vertrieb... Foto: pi

Sind schließlich die drei Stapel Kiez-und-Kneipe-Bögen gedruckt, dann ist die Zeitung natürlich trotzdem noch nicht fertig. Denn bevor Du, lieber Leser, das Endprodukt in die Hände bekommst, müssen die Seiten noch geschnitten und geheftet werden. Das erledigt allerdings auch nicht KOMAG selbst, sondern ein externer Buchbinder.

Wie der das macht, das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll – genauso, wie die rätselhaften redaktionellen Ereignisse, in deren Verlauf die Druckdatei zustande kommt.

Robert S. Plaul

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2009.

Authentisch, intensiv und exzessiv

Robert S. Plaul war beim 4. Pornfilmfestival Berlin

Diskussionsrunde der Pornoregisseurinnen: Ovidie, Anna Peak, Renee Pornero, Anna Brownfield, Shine Louise Houston und Julie Simone.

Foto: rspDiskussionsrunde der Pornoregisseurinnen: Ovidie, Anna Peak, Renee Pornero, Anna Brownfield, Shine Louise Houston und Julie Simone. Foto: rsp

»Wer alleine Pornos guckt, ist ein Wichser« – so drastisch, aber auch missverständlich formulierte es der Trailer zum 4. Pornfilmfestival, das Ende Oktober im Moviemento stattfand. Denn bei der Veranstaltung ging es mitnichten um die klassischen »Rubbelfilme«, wie sie von den großen Distributoren in hoher Zahl für ein überwiegend männliches Publikum produziert werden. Pornografie nämlich kann – ebenso wie der Sex, den sie darstellt – mehr sein, als die immer gleiche Abfolge von bestimmten Standardstellungen, dargeboten von dickbusigen Blondchen in Strapsen und muskulösen Bodybuilder-Typen, die untenrum gut ausgestattet sind. Wie es anders geht, zeigte etwa der Eröffnungsfilm »The Band« der australischen Regisseurin Anna Brownfield. Klar, es gibt explizite Sexszenen, aber eben auch eine Handlung, eine Geschichte, eine Spannungskurve. Zwar würde der Film theoretisch auch ohne pornografische Elemente funktionieren, aber das wäre so wie bei einem intelligenten Actionfilm ohne Prügelszenen oder Schießereien. Damit sind die Vertriebsprobleme der Produktion allerdings auch schon vorprogrammiert, denn im normalen Einzel- und Versandhandel dürfen »pornografische Schriften« nicht ohne weiteres angeboten werden, und die existierenden Verkaufsmöglichkeiten über Sexshops werden von der Mainstream-Industrie dominiert, deren Kunden »Vorspulfilme« nach üblichem Schema erwarten und kein Interesse an gleichermaßen intelligenter wie stimulierender Unterhaltung haben. Oder haben sie es doch? Um diese Frage kreiste unter anderem die Diskussionsrunde unter dem Titel »Chicks with Guts«, bei der sechs Filmemacherinnen die Frage diskutierten, ob es so etwas wie »feministische Pornografie« gibt, was die Probleme des Mainstream-Marktes sind und wie sie sich vielleicht lösen ließen.

Doch nicht alle gezeigten Filme waren »Pornos« (in welchem Sinne auch immer), und nicht alle – wenn auch gut 40 Prozent – der Filme waren von Frauen. »Stalags – Holocaust and Pornography in Israel« von Ari Libsker zum Beispiel ist eine Dokumentation, die dem Phänomen der in den 60er Jahren in Israel überaus populären pornografischen Stalag-Heftchen auf den Grund geht, die in stereotyper Weise die sexuelle Misshandlung von Gefangenen durch weibliche SS-Offiziere in den Nazi-Stammlagern schildern. Weitaus weniger ernst ging im »Fun Porn«-Kurzfilmprogramm zu, etwa bei den Episoden von »Making of Teeny-Stuten 7«, die das Making-Of-Genre und gängige Pornofilmproduktionsklischees gleichermaßen parodieren. Deutlich mehr zur Sache ging es beim Episodenfilm »Roulette« der Amerikanerin Courtney Trouble, der in sieben unterschiedlichen Szenen die Queer-Subkultur San Franciscos ungeschminkt darstellt und inszeniert. Gerade aus jener Szene ist in den nächsten Jahren noch eine ganze Menge zu erwarten – vielleicht nicht für jeden Geschmack und jede Vorliebe – aber auf jeden Fall authentisch, intensiv und exzessiv.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Grenzerfahrungen

Robert S. Plaul sah »Drei Stern Rot«

Christian und seine Jugendliebe Jana – will Nattenklinger sie trennen?

Foto: Hoferichter & JacobsChristian und seine Jugendliebe Jana – will Nattenklinger sie trennen? Foto: Hoferichter & Jacobs

Bei Dreharbeiten zu einem Film, der an der deutsch-deutschen Grenze spielt, dreht der Schauspieler Christian Blank (Rainer Frank), der einen DDR-Grenzer spielen soll, plötzlich durch, attackiert aus heiterem Himmel einen Kollegen und landet in der Psychiatrie. In einem Gespräch mit einer Ärztin wird seine ostdeutsche Vergangenheit aufgerollt. Seine Kindheit direkt an der Mauer, seine große Liebe Jana (Meriam Abbas) und vor allem seine Zeit bei der NVA, in der er selbst als Grenzer an der »Staatsgrenze« stand. Und immer wieder ist da ein gewisser Major Nattenklinger (Dietmar Mössmer), der ihn scheinbar durch sein ganzes Leben verfolgt hat und den er in dem angegriffenen Schauspieler wiederzuerkennen glaubte. Nattenklinger, der schon immer da war, als Polizist, als Lehrer und schließlich als Vorgesetzter beim Militär. Aber ist jener, dem Christian vorwirft, seinen ganzen damaligen Lebensentwurf zerstört zu haben, tatsächlich real oder nur ein Hirngespinst, eine Projektionsfläche? Ärztin Wehmann (Petra Kleinert) bohrt nach und fördert die Geschichte jener drei Jahre NVA-Dienst am Todesstreifen zutage, die für ihren Patienten so prägend waren, dass er auch Jahre später noch unter Paranoia leidet.

»Drei Stern Rot« – übrigens das Leuchtraketensignal, das von den Grenzern bei Fluchtversuchen verwendet wurde – gibt einen Einblick in den Grenzer-Alltag am Todesstreifen – in all seiner Absurdität und Bizarrität. Trotzdem ist der Film von Olaf Kaiser und Holger Jancke weder ein anstrengender Problembewältigungsfilm noch die nächste Ostalgie-Komödie á la Sonnenallee. Komische Szenen und NVA-Realität verschwimmen durch den retrospektiven Blick des psychisch angeknacksten Christian Blank zu einem eigenartigen, aber spannenden und unterhaltsamen Konglomerat. Acht Jahre nach Erstaufführung kommt »Drei Stern Rot« im Jubiläumsjahr des Mauerfalls jetzt wieder in die Kinos. Das ist auch gut so, denn der Film ist absolut sehenswert.

Ab 5. November im Sputnik.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Zwei Kieze, zwei Filme

Robert S. Plaul war unterwegs zwischen Neukölln und Kreuzberg

Murat und Hakan hängen und albern an ihrer Stra­ßen­ecke rum

Foto: Dirk LütterMurat und Hakan hängen und albern an ihrer Stra­ßen­ecke rum Foto: Dirk Lütter

Eigentlich bezeichnet das Wort »Kreuzkölln« den Reuterkiez und steht zugleich für einen Ort wie auch dessen Entwicklung, eine geo­gra­fi­sche und eine gesellschaftliche Lage gewissermaßen. Unter dem gemeinsamen Titel »Kreuzkölln« kommen jetzt aber auch zwei Filme ins Kino, von denen nur der erste, »Moruk«, zumindest teilweise in jenem nördlichen Zipfel Neuköllns spielt.

Die beiden Deutschtürken Murat (Oktay Özdemir) und Hakan (Burak Yigit) hängen die meiste Zeit an ihrer Straßenecke herum, kiffen, träumen und philosophieren. Ab und zu ziehen sie mal jemanden ab, der sie für Dealer hält. Da begegnen sie Irina (Irina Potapenko) und Klara (Klara Reinacher) und ihr Leben gerät ein wenig in Bewegung. Viel mehr passiert in dem 29minütigen Kurzfilm von Serdal Karaça eigentlich nicht. Trotzdem ein gelungener Blick über den soziokulturellen Tellerrand – und eine gute Einstimmung auf den ‚Hauptfilm‘, die Dokumentation »24 Stunden Schlesisches Tor«.

Einen Tag und eine Nacht lang waren die Regisseurinnen Eva Lia Reinegger und Anna de Paoli mit ihrem Team rund ums Schlesische Tor unterwegs und haben die Menschen dort beobachtet und interviewt. Anwohner und Ausgehwütige, Migranten und Müllwerker, Künstler und Kaputte – die Mischung der Gesprächspartner ist chaotisch und teilweise bizarr, aber irgendwie auch ziemlich treffend. Ohne störenden Erzählerkommentar aus dem Off portraitiert der Film eine Gegend und deren Menschen, die erstaunlich offen von ihrem Leben, ihren Problemen und Träumen oder ihren Ansichten erzählen.

Leider geht keiner der Filme auf das ein, was der Titel nahelegen würde: Das Problem der Gentrifizierung, der steigenden Mieten und der Verdrängung ärmerer Bevölkerungsteile – dabei hätte sich das gerade am Beispiel des Schlesischen Tors gut zeigen lassen können. Nichtsdestotrotz aber zwei sehr stimmungsvolle Filme, die man auch und gerade jedem Neu-Berliner sehr ans Herz legen kann.

Ab 29. Oktober im Moviemento

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2009.

Porno im Kino

Viertes PornfilmfestivalBerlin im Moviemento

Obwohl Pornografie vermutlich der florierendste Zweig der Filmbranche ist, haben Pornos nach wie vor ein Schmuddel­image, erst recht, wenn sie im Kino laufen. Genau das geschieht aber vom 22. bis 25. Oktober beim 4. PornfilmfestivalBerlin im als Pornokino völlig unverdächtigen Moviemento. Gezeigt werden rund 100 Spiel-, Kurz- aber auch Dokumentarfilme rund um die Themen Sex, Erotik und Geschlechterbilder. Das Festival nimmt für sich in Anspruch, die ganze Bandbreite he­te­ro-, homo- und transsexuellen Begehrens darzustellen. Stolz sind die Veranstalter auf die Tatsache, dass fast die Hälfte der Filme von Frauen stammen, so dass auch der weibliche Blick auf Sexualität und Lust eröffnet wird. Einige der Filmemacherinnen sind auch anwesend, darunter die Britin Petra Joy, die erstmalig den »Joy Award« für Erotik-Nachwuchsregisseurinnen vergeben wird. Verstärkt wird auch das Thema Fetisch angegangen. So wird es auch zahlreiche Filme zu sehen geben, in denen Menschen ihre Lust an Fesselung, Rollenspielen oder bestimmten Materialien zelebrieren. Neben dem Filmangebot gibt es zahlreiche Workshops und Diskussionsrunden zum Thema Pornografie, die im WirrWarr in der Dieffenbachstraße stattfinden. Eine Reihe von Ausstellungen und Performances im Kino runden die Veranstaltung ab.

Weitere Informationen und das Programm gibt es unter ­pornfilmfestivalberlin.de.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2009.

Löning will fröhlichen Wahlkampf

Der FDP-Landesvorsitzende in der Cantina Orange

Auch FDP-Politiker fahren in Kreuzberg manchmal Fahrrad, so zum Beispiel Markus Löning zur Cantina Orange, wo er als erster der fünf Direktkandidaten zum Kuk-Redaktionsgespräch antrat.

Der studierte Politikwissenschaftler arbeitete als Grafiker und hatte eine Werbeagentur, bevor er 2002 über die Landesliste der FDP in den Bundestag einzog. Mitt­lerweile ist der 49jährige Landesvorsitzender seiner Partei.

FDP-Kandidat Markus Löning im KuK-Redaktionsgespräch

Foto: rspFDP-Kandidat Markus Löning im KuK-Redaktionsgespräch Foto: rsp

Was treibt einen etablierten FDP-Politiker, der eigentlich aus Steglitz-Zehlendorf kommt dazu, ausgerechnet in einem Wahlkreis anzutreten, in dem das Wort »liberal« fast schon ein Schimpfwort ist? »Ich mache einen fröhlichen und siegesgewissen Wahlkampf und kämpfe natürlich dafür, dass die FDP insgesamt viele Stimmen bekommt und dass wir die Chance haben, in Deutschland insgesamt eine andere Politik zu machen«, sagt Löning.

Wie dies aussehen könnte, erklärt er am Thema Bildungspolitik: »Man sollte die Schulpflicht ein Jahr vorziehen, um die Kinder früher ans Lernen zu bringen, als es jetzt der Fall ist.« Weiter fordert er mehr Geld für Bildung und besonders eine bessere personelle Ausstattung von Hauptschulen.

Zum Themenkomplex Strukturwandel und Lärmempfindlichkeit neu zugezogener Kiezbewohner findet Löning deutliche Worte: »Wer hier hinzieht mit einem Fenster auf die Admiralbrücke, der kann sich nicht hinterher beschweren über den Lärm. Ich finde das ist einfach unlauter von Leuten, die da hinziehen und dann sagen, jetzt soll es hier aber so ruhig sein wie in Zehlendorf.« Die Festsetzung von Mieterhöhungen soll in der Hand der Vermieter liegen, ansonsten würden die Häuser verfallen. Eine Umsetzung der sozialen Marktwirtschaft sieht er mittels Genossenschaften, der Schaffung von Wohneigentum und – in Härtefällen – durch Mietzuschüsse des Sozialamtes.

Erwartungsgemäß liberale Ansichten hat Markus Löning zum Thema Rauchverbot und Ordnungsamtseinsätze. Die vielen Vorschriften und deren buchstabengetreue Auslegung und Durchsetzung schaden seiner Meinung nach insbesondere kleineren Betrieben und führen zum Verlust von Arbeitsplätzen. Chancen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sieht Löning am Spreeufer. Zwar trinkt auch er gerne mal ein Bier in einer der dortigen Strandbars, aber als Politiker müsse man abwägen, welche Nutzung der Flächen dem Land Berlin mehr Nutzen bringe.

Auf Schutz der Privatsphäre und der Rechte des Einzelnen legt die FDP nach Löning großen Wert. Die Themen Vorratsdatenspeicherung und Internetzensur würden mit wenig Sachkenntnis und viel Populismus diskutiert: »Ich denke auch daß das alles am Ende, nach dem Wahlkampf mit deutlich weniger Schaum vor dem Mund mal diskutiert werden muss…« auch hinsichtlich der Angemessenheit der zu ergreifenden Maßnahmen. »…wir brauchen ein Maximum an Freiheit, das Internet ist ein wahnsinnig wichtiges Forum auch zum Meinungsaustausch, da kann man nicht solchen Ideen von Vorgestern, wie das Herr Schäuble macht, kommen.«

Markus Löning findet, es gibt viel zuwenig Selbständige im Bundestag, weil das Risiko einer Geschäftsaufgabe zugunsten einer Kandidatur viel höher ist als zum Beispiel bei einem Beamten. Entsprechend schwierig gestaltet sich die tatsächliche Durchführung von Maßnahmen zum Bürokratie-Abbau.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2009.