»Jetzt muss der Druck der Straße her«

Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) zur Vorratsdatenspeicherung beim Besuch im Too Dark

Er ist der wohl prominenteste Kandidat, bekennender Fahrradfahrer, Cannabislegalisierungsbefürworter und Bürgerrechtler, und außerdem ist er der »Titelverteidiger« des Direktmandats im, wie er selbst sagt, »berühmtesten Wahlkreis Deutschlands«. Entsprechend groß war der Andrang im Too Dark in der Fürbringerstraße, entsprechend hoch auch die Erwartungen an den Grünen Hans-Christian Ströbele, den viele als ihren ganz persönlichen Kreuzberg-Vertreter im Bundestag sehen beziehungsweise gerne sähen.

Als Bundestagsabgeordneter ist er natürlich nicht für Lokalpolitik zuständig, setzt sich aber trotzdem mit den Angelegenheiten im Bezirk auseinander. Mit der Drückerstube am Kotti zum Beispiel, für die er bei Anwohnern um Verständnis wirbt. Nach seiner Meinung müsste auch der Senat mehr Geld zur Verfügung stellen, um längere Öffnungszeiten zu ermöglichen. Auch in Sachen Admiralbrücke will er sich für eine einvernehmliche Lösung einsetzen.

Grünen-Kandidat Hans-Christian Ströbele im KuK-Redaktionsgespräch

Foto: rspGrünen-Kandidat Hans-Christian Ströbele im KuK-Redaktionsgespräch Foto: rsp

Einige kiezspezifische Probleme ließen sich aber auch auf Bundesebene angehen: Zum Beispiel der Strukturwandel, der in Kreuzberg zu überhöhten Mieten führt. »Es muss auch Aufgabe des Gesetzgebers sein, bestimmte Mischungen der Bevölkerung erhalten zu können«, findet Ströbele und spricht sich für ein Bundesgesetz aus, das es der lokalen Verwaltung erlaubt, Mietobergrenzen festzulegen.

»Finanzmärkte entwaffnen!« heißt es auf seinem wieder von Seyfried gezeichneten Wahlplakat.

Aber wie soll das gehen? Sicher nicht mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, das es der Regierung erlaubt, staatliche Unterstützungsgelder an die Banken zu zahlen, findet Ströbele. »Ich will als erstes das Parlamentsrecht wiederherstellen, dass über solche Summen wieder der Bundestag entscheidet und nicht ein Finanzminister alleine.« Außerdem soll die Regierung Rechenschaft über die Zahlungen ablegen und nicht, wie bisher bei Anfragen von Ströbele geschehen, die Geschäftsgeheimnisse der Banken vorschieben. Neben dem Afghanistan-Krieg, den Ströbele möglichst bald beendet wissen möchte, ist dies eine seiner Hauptmotivationen, wieder in den Bundestag zu wollen.

Zum Thema Vorratsdatenspeicherung und Webseitensperrung verweist Ströbele auf die Demo am 12. September. »Man darf nicht immer aufs Bundesverfassungsgericht hoffen, der Druck der Straße muss her.« Sperrungen von kinderpornografischen Webseiten findet er »ungeheuer gefährlich, weil man dadurch die Möglichkeit schafft, in Zukunft aus allen möglichen Gründen Internetseiten zu sperren.«

Von einer möglichen schwarz-grünen Koalition hält Ströbele nichts, will aber »nie ‚nie‘ sagen« – wie übrigens auch zur Frage, ob er sich vorstellen könnte, in vier Jahren erneut zu kandidieren. Schließlich ist der 70jährige schon jetzt einer der ältesten Politiker im Bundestag.

Eher philosophisch war dann die Publikumsfrage, woran man einen redlichen Politiker erkenne. Grundsätzlich sähe man das »an seinem Tun« – aber die Frage, wie sich Gewissen und etwa das Fortbestehen einer Koalition zueinander verhalten, dürfe man auch nicht unterschätzen. Auf jeden Fall sei es »nicht nur eine Frage des Charakters.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2009.

Die Polizei, dein Freund und Helfer

Zu recht beklagen die Anwohner an der Admiralbrücke die Untätigkeit der Polizei. Zwar kann es nicht Aufgabe der Ordnungshüter sein, unaufgefordert das Bedürfnis einzelner nach absoluter Nachtruhe zu verteidigen, doch auf der Admiralbrücke, so viel ist klar, ist die Interessenabwägung zwischen Feierei und Nachtschlaf aus dem Gleichgewicht geraten. Natürlich geht die Party weiter, wenn das Polizeiauto außer Sichtweite ist. Aber was außer geringen Personalkosten spricht denn dagegen, all­abend­lich einen Streifenwagen am Brückenrand zu postieren? Die lauteren Brückenbesucher wären vermutlich nach weniger als zwei Wochen verscheucht, ohne dass die Brücke durch unnötige und teure Baumaßnahmen dauerhaft und für alle Nutzer als Treffpunkt zerstört wird. Die Idee, durch Durchgangsverkehr für Ruhe zu sorgen, ist jedenfalls absurd.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2009.

Krach um die Brücke

Bürgerdiskussion um die Admiralbrücke erneut ergebnislos

Partymeile im Wohnviertel

Foto: rspPartymeile im Wohnviertel Foto: rsp

Dienstagabend, 22 Uhr. Rund 70 feierfreudige junge Menschen sitzen neben und zwischen den schmalen Fahrspuren, teils auf den hässlichen Waschbetonpollern, teils auf dem Boden. Sie haben gute Laune, und manche haben eine Gitarre oder Bongotrommeln dabei. Als sich ein Polizeiwagen zwischen den Füßen der am Straßenrand sitzenden durchschiebt, hört der junge Mann, der eben noch rhythmisch mit einem Löffel auf einer Metallschüssel und seinem Flaschenbier herumgetrommelt hat, instinktiv auf, bis die Streife weitergefahren ist. Vom anderen Ende der Brücke schallt von einer größeren Gruppe Gesang herüber. Nebenan führen ein paar Teenager eine angeregte Diskussion, deren Inhalt allerdings in der allgemeinen Geräuschkulisse untergeht.

Kaum einer von ihnen weiß, dass bis vor zwei Stunden noch heftig über sie diskutiert wurde. Denn an den Ufern des Landwehrkanals, die hier von der Admiralbrücke miteinander verbunden werden, wohnen Menschen, die lieber schlafen wollen, als akustisch an der allabendlichen Party teilzuhaben. An jenem Dienstag trafen sie sich erneut zur Bürgerdiskussionsrunde, zu der Baustadträtin Jutta Kalepky ins Rathaus geladen hatte.

Eigentlich sollte es dabei um zwei Alternativvorschläge für bauliche Veränderungen an der Brücke gehen. Wenn Autos und Fahrräder in großer Zahl die Brücke kreuzten, so das Kalkül, würde die Aufenthaltsqualität für feierwillige Fußgänger so weit sinken, dass die nächtlichen Ruhestörer sich einen anderen Treffpunkt suchen würden.

Doch schon zu Anfang der Diskussionsrunde ruderte Kalepky zurück. Einerseits ginge es ihr gar nicht darum, das jugendliche Partyvolk komplett zu vertreiben, andererseits sei zumindest der eine der Vorschläge aus Gründen der Statik vermutlich nicht durchführbar. Für echten Durchgangsverkehr ist die Brücke, die derzeit als Spielstraße ausgewiesen ist, nämlich nicht stabil genug.

Die meisten Anwohner haben ja auch gar nichts gegen das lustige Treiben auf der Brücke – solange es denn irgendwann endet. Doch um zehn Uhr abends geht es auf der Brücke erst richtig los. »Man merkt regelrecht, wie sich das Publikum am späteren Abend verändert«, sagt eine genervte Anwohnerin, »es kommen jüngere, lautere und betrunkenere Leute.« Denen scheint die Nachtruhe der Anwohner egal zu sein. Einige Nachbarn rufen drei Mal am Abend die Polizei, doch die sorgt immer nur kurzzeitig für Abhilfe und erklärt sich ansonsten für unzuständig, von sich aus tätig zu werden.

So wurden dann auch teils abenteuerliche Ideen in die Diskussion geworfen. »Wäre die Straße keine Spielstraße«, so ein Anwohner, »könnte die Polizei gegen die auf der Straße sitzenden vorgehen.« Auch über ein Alkoholverbot wie auf dem Alexanderplatz oder eine uhrzeitabhängige Spielstraßenregelung wurde diskutiert.

Für einigen Unmut sorgte dann allerdings die von einem SPD-Abgeordneten der BVV zutage geförderte Presseerklärung der Grünen, in der bauliche Veränderungen kategorisch ausgeschlossen werden. »Es ist verkehrspolitischer Quatsch, wenn man die Geräusche der Brückenbesucher durch Lärm von neuem Durchgangsverkehr ersetzt«, wird darin Kalepky zitiert. Pikant daran ist, dass die Presseerklärung vorgibt, das Ergebnis der Diskussionsrunde wiederzugeben, obwohl sie bereits im Vorfeld veröffentlicht wurde. Viele Anwohner stellen sich jetzt die Frage, ob ihre Anregungen zu alternativen Umbau- und Umgestaltungsmaßnahmen in der weiteren Planung überhaupt berücksichtigt werden. Sicher scheint aber, dass sich an der derzeitigen Situation in nächster Zeit nichts ändern wird.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2009.

Skorpione zum Frühstück

Robert S. Plaul war im Kino auf Niveausuche – vergeblich

Das Training, das Stan durchlaufen muss, ist nicht eben harmlos.

Foto: Twentieth Century FoxDas Training, das Stan durchlaufen muss, ist nicht eben harmlos. Foto: Twentieth Century Fox

Man nehme einen Gefängnisfilm, viel Martial Arts und einen Haufen Klischees und werfe das Ganze in die große Komödienrührschüssel – und heraus kommt ein Film wie »Big Stan«: Den frisch verurteilten Immobilienbetrüger Stan Minton (gespielt von Rob Schneider, der auch Regie führte) erwartet eine dreijährige Gefängnisstrafe. Weil er Angst hat, dass ihn die großen Jungs im Knast vergewaltigen, heuert er für die sechs Monate, die ihm bis zum Haftantritt verbleiben, einen obskuren Martial-Arts-Guru (David Carradine †) an, der ihn in den asiatischen Kampfkünsten unterweisen soll. Zum großen Entsetzen seiner Frau Mindy (Jennifer Morrison), beinhaltet die Ausbildung neben allerlei Selbstkasteiungen auch den Verzehr lebender Skorpione am Frühstückstisch und andere Scheußlichkeiten.

David Carradine tot

David Carradine als "Der Meister" Foto: Twentieth Century Fox

»Big Stan« ist zugleich einer der letzten Filme mit David Carradine. Der Schauspieler wurde am 3. Juni 72jährig tot in seinem Hotelzimmer in Bangkok aufgefunden. Carradine ist vor allem durch seine Rolle als Shaolin-Mönch Kwai Chang Caine in der 70er-Jahre-Fernsehserie »Kung Fu« bekannt. Im Kino spielte er unter anderem die Titelrolle in Quentin Tarantinos Zweiteiler »Kill Bill«. Nach Angaben seines Managers hielt er sich in Thailand zu Dreharbeiten für den Film »Stretch« des französischen Regisseurs Charles de Meaux auf. Die genaue Todesursache ist bislang ungeklärt.

Erstaunlicherweise zeitigt das unkonventionelle Training beeindruckende Erfolge, so dass der schmächtige Stan zur wahren Kampfmaschine geworden ist, als er schließlich ins Gefängnis kommt. Dort herrschen tatsächlich rauhe Sitten, doch Stan hat keine Angst davor, sich mit den Bandenbossen anzulegen…

Die Martial-Arts-Komödie »Big Stan«, die in Deutschland den sinnigen Untertitel »Kleiner Arsch ganz groß!« trägt, sorgt fraglos für etliche Lacher – vorausgesetzt, man kann sich mit dem derben Humor, den nicht wenig brutalen Gewaltszenen und den genretypischen Klischeedarstellungen von Schwarzen, Schwulen und Schwerverbrechern anfreunden. Anspruchsvolle Unterhaltung ist sicherlich etwas Anderes. Aber wer für einen lustigen Abend im Kino bereit ist, seinen guten Filmgeschmack über Bord zu werfen, der kommt hier fraglos auf seine Kosten. Ein herrlich niveauloser Film ohne jegliche künstlerische Ambitionen, der aus gutem Grund das FSK-16-Siegel trägt.

Ab 25. Juni im Kino.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2009.

Rezitieren statt Rechnen

Robert S. Plaul sah den Dokumentarfilm »Korankinder«

Als Regisseur Shaheen Dill-Riaz 1992 sein Heimatland Bangladesh verließ, gab es das noch nicht: Mit 3 Millionen Menschen findet in Dhaka jährlich das nach Mekka größte Pilgertreffen der Welt statt. Die neue islamische Religiosität zeichnet sich aber auch im alltäglichen Leben der Bevölkerung ab, in der wachsenden Anzahl der Koranschulen, der Madrasas. Sorgten diese Schulen früher für eine umfassende Bildung, so beschränkt sich das Unterrichtsangebot heute oft auf ein einziges Fach: Koranrezitation.

Schon im Grundschulalter beginnen viele Kinder in Bangladesh mit dem Auswendiglernen des Koran.

Foto: MAYALOKSchon im Grundschulalter beginnen viele Kinder in Bangladesh mit dem Auswendiglernen des Koran. Foto: MAYALOK

Dill-Riaz hat es geschafft, trotz des traditionellen Bilderverbots mit seiner Kamera Zugang zu den Madrasas zu bekommen und mit den Kindern zu sprechen, die dort leben und lernen. Fast den ganzen Tag sind sie damit beschäftigt, die insgesamt 6234 Verse des Koran auswendig zu lernen. Es sieht aus, als wären sie in Trance, wenn sie auf dem Boden sitzen, 70 Kinder in einem Raum, vor sich den Koran. Sie wippen mit dem Oberkörper vor und zurück, um den Takt der kosmischen Zeit zu halten und lesen laut die arabischen Suren, deren Inhalt sie nicht verstehen – die Landessprache in Bangladesh ist Bengali.

Wenn sie fertig sind mit ihrer Ausbildung, dürfen sie sich Hafiz nennen und können selbst als Koranlehrer arbeiten oder sich ihr Auskommen bei feierlichen Anlässen wie Hochzeiten, Todesfällen oder Einweihungen durch Koranrezitation verdienen. Damit bietet die einseitige Ausbildung gerade Kindern ärmerer Familien tatsächlich eine Chance, später ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Doch es gibt auch Madrasas, die mit einem vielfältigeren Fächerangebot aufwarten, und an denen ein staatlicher Schulabschluss erlangt werden kann. Immer muss bei allem aber auch die Geschichte bedacht werden, sind doch die reinen Koranschulen auch eine Gegenbewegung zum kolonialistisch aufoktroyierten britischen Bildungssystem.

Die Interviews mit Schülern, Lehrern und Eltern stellen die Situation in Bangladesh auf äußerst differenzierte Weise dar, auch wenn sie sie für einen religiös wie kulturell Außenstehenden niemals vollkommen erklären können.

Ab 4. Juni im Moviemento.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2009.

Hexenfeste

pict2813Ein Klick auf das Bild öffnet die Fotostrecke. Foto: psk

Die Walpurgisnacht, also die Nacht zum 1. Mai, stand dieses Jahr nicht nur für Randale in Friedrichshain, sondern auch für ausgelassene Partys bei uns im Kiez. Die schönsten Eindrücke haben wir in einer Fotostrecke zusammengestellt.

1:0 nach Rechenfehler

Die Kleingärtner am Gleisdreieck können nun doch erstmal bleiben

Kleingärtner im BVV-SaalEmpörung auf der Empore des BVV-Saals im Kreuzberger Rathaus bei der gemeinsamen Sitzung von Bau- und Sportausschuss. Foto: cs

Für die Kleingärtner am Gleisdreieck waren die letzten Wochen trotz Frühjahrswetter alles andere als entspannend. Ohne es vorher mit ihnen zu besprechen, hatte das Bezirksamt ihr Gelände zur Disposition gestellt. Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz ließ ein Bauvorhaben für zwei wettkampfgerechte Trainingsplätze samt Funktionsräumen für den Sportverein Türkiyemspor auf die »überbezirkliche Dringlichkeitsliste« setzen und beantragte Mittel in Höhe von 5,5 Millionen Euro beim Senat. Nur ein Bruchteil der Parzellen wäre erhalten geblieben. Die anderen – und mit ihnen rund 300 Obst- und Laubbäume – wären der Planierraupe zum Opfer gefallen. Als die Laubenpieper Wind von den Plänen des Bezirks bekamen, waren sie entrüstet. »Es zeugt von mangelnder politischer Sensibilität, ausgerechnet eine interkulturelle Kleingartenkolonie und ein integratives mul­ti­eth­ni­sches Sportprojekt gegeneinander aufzustellen«, schreiben sie in einem Flugblatt. Seit gut 60 Jahren existiert die Kolonie, die von Bahnern nach dem Krieg auf den Trümmern des Potsdamer Güterbahnhofs aufgebaut wurde. »Nicht nur Prellböcke, Gleise und Kopfsteinpflaster erzählen von der Bahngeschichte, sondern auch die Kleingärten«, meint Kolonievorsitzender Klaus Trappmann. Waren es früher überwiegend Bahnarbeiter, die hier in ihrer kargen Freizeit Gemüse für den Eigenbedarf anbauten und einen Ausgleich zu ihrem harten Beruf fanden, so ist die »Kleingartenkolonie Potsdamer Güterbahnhof« heute bunt durchmischt – sowohl vom Alter her, als auch was die Herkunft angeht. Menschen aus neun Nationen verbringen hier ihre Freizeit miteinander.

Doch nun sollte all das vorbei sein. Zwar sind die Pläne, Sportanlagen auf dem Gleisdreiecksgelände zu errichten, nicht neu, bisher war man aber von Planungssicherheit bis mindestens 2014 ausgegangen. Doch nun ging alles ganz schnell: Nach dem Antrag beim Senat hatte das Bezirksamt dem Bauplanungsausschuss einen Beschluss für das Areal vorgelegt, der eine Umwidmung des Kleingartengeländes in der südwestlichen Ecke des Gleisdreiecks zu einer Nutzung als Sportfläche vorsah.

Fast zeitgleich offerierte die Senatsinnenverwaltung dem Sportverein Türkiyemspor den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg als Heimatstadion – verbunden mit einer Finanzspritze für den notwendigen Umbau in Höhe von 6 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II. Damit hätte der Kreuzberger Traditionsverein nach 30 Jahren endlich einen festen Platz für Training und Turniere, ohne dass Kleingärten weichen müssten. Doch dann geisterte die Meldung durch die Presse, dass das Bauprojekt am Gleisdreieck trotzdem stattfinden solle.

Ein bisschen Idylle mitten in der Stadt

Foto: pskEin bisschen Idylle mitten in der Stadt Foto: psk

Von der gemeinsamen Sitzung des Bauplanungs- und Sportausschusses am 22. April erhofften sich die Kleingärtner eine Klärung und die Möglichkeit, ihren Standpunkt nochmal darzulegen.

Als ihr Anliegen dann endlich verhandelt wurde – zuvor ging es noch um zwei Friedrichshainer Wagenburgen, deren Bewohner ebenso zahlreich wie die Kleingärtner erschienen waren – ging alles einfacher als gedacht. Klaus Trappmann bekam Gelegenheit, auf die Wichtigkeit von Kleingärten hinzuweisen, die vom Bezirk scheinbar als »Vorhaltefläche für kommunale Bauprojekte« gesehen würden und mahnte die Beteiligung der Kleingärtner an, die bereits vor einem Jahr von der BVV beschlossen worden war.

Dann kam Bezirksbürgermeister Schulz zu Wort, der eingestehen musste, dass die Planung von der Realität überholt worden war: Zum einen wusste man damals nichts von den Plänen der Senatsinnenverwaltung, zum anderen habe man festgestellt, dass der Platz auf dem Gelände der Kleingärtner überhaupt nicht ausreichen würde, um wie geplant zwei wettkampfgerechte Sportplätze zu errichten. Wenn aber höchstens ein Platz möglich sei, käme man nicht auf eine Summe von über 5 Millionen Euro. Damit ließe sich das Bauvorhaben aber nicht über die Dringlichkeitsliste vom Senat finanzieren, sondern müsste vom Bezirk bezahlt werden. Zwar beharrte Bezirksstadträtin Sigrid Klebba auf den Bau wenigstens eines großen Platzes, doch da war die Entscheidung eigentlich schon getroffen. Schulz räumte ein, der Beschluss sei zurückzuziehen, und selbst die Vorsitzende des Sportausschusses Jutta Schmidt-Stanojevic hielt ein flammendes Plädoyer für die Laubenpieper und schlug vor, über alternative Orte wie etwa das Flughafengelände in Tempelhof nachzudenken.

Zum Glück ist das keine Entscheidung, die in Kreuzberg gefällt werden muss. Dort ist man jetzt wieder auf dem Stand von 2008.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2009.

Die Mai-KuK ist da

Alles neu macht der Mai! Seit gestern liegt bei unseren Anzeigenkunden die Mai-Ausgabe der gedruckten Kiez und Kneipe zum Mitnehmen aus. Alternativ gibt es die aktuelle Ausgabe auch hier als PDF zum herunterladen. Im KuK-Archiv können auch weiterhin alle bisher erschienenen Ausgaben online gelesen werden.

Bälle vs. Bäume

Die Kleingärtner am Gleisdreieck wehren sich.

Foto: pskDie Kleingärtner am Gleisdreieck wehren sich. Foto: psk

Kreuzbergs einzige Kleingartenkolonie ist in Gefahr, denn der Bezirk plant, auf dem größten Teil des Koloniegeländes am Gleisdreieck zwei Trainingsplätze für den Sportverein Türkiyemspor zur bauen. Der Dringlichkeitsantrag an den Senat, der eine Abtrennung des Gebiets vom restlichen Bebauungsplan vorsieht, sieht ein Investitionsvolumen von 5,5 Millionen Euro vor. „Es zeugt von mangelnder politischer Sensibilität, ausgerechnet eine interkulturelle Kleingartenkolonie und ein integratives multiethnisches Sportprojekt gegeneinander aufzustellen“, sagt Klaus Trappmann, Vorsitzender der „Kleingartenkolonie Potsdamer Güterbahnhof“. Was die Kleingärtner ärgert, würde die Fußballer des populären Kreuzberger Vereins freuen, denn nach 30 Jahren hätten sie damit endlich einen festen Platz im Heimatbezirk. Nun allerdings hat die Senatsinnenverwaltung dem Verein Anfang April den Zuschlag für das Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportfeld in Prenzlauer Berg erteilt – gekoppelt mit einer Finanzspritze für den Stadionumbau in Höhe von 6 Millionen Euro aus dem Topf des Konjunkturpakets II. Doch trotzdem können die Laubenpieper noch nicht aufatmen. Laut einem Bericht der Berliner Morgenpost bleibt Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz bei seinen Plänen für das Gelände zwischen S- und U-Bahn. Dann müsste ein Großteil der Parzellen dem Kunstrasen weichen – und damit auch rund 300 Obst- und Laubbäume.

Neue KuK erschienen

Wieder ist ein Monat herum, und die April-Ausgabe der gedruckten Kiez und Kneipe liegt bei unseren Anzeigenkunden zum Mitnehmen aus. Wer es eiliger hat, findet wie immer auch hier die aktuelle Ausgabe als PDF zum herunterladen. Im KuK-Archiv gibt es auch weiterhin alle bisher erschienenen Ausgaben zum Download.

Vorstadtkrokodile

Robert S. Plaul hat die Neuverfilmung eines Kinderbuchklassikers gesehen

vorstadtkrokodileDie Vorstadtkrokodile verstecken sich. Foto: © 2008 Constantin Film Verleih GmbH

Um bei den Vorstadtkrokodilen, der „coolsten Jugendbande der Welt“ mitmachen zu dürfen, muss Hannes (Nick Romeo Reimann) als Mutprobe das Dach einer alten Ziegelei erklettern. Als er beim Abstieg abzustürzen droht, wird er von Kai (Fabian Halbig) gerettet, der die Szene per Fernrohr beobachtet und die Feuerwehr gerufen hat. Auch Kai wäre gerne bei den Krokodilen dabei. Einziges Problem: er ist querschnittsgelähmt, sitzt im Rollstuhl und wird als „Spasti“ verlacht, der noch nicht mal wegrennen kann, wenn’s brenzlig wird. Doch der durchaus selbständige Junge weiß etwas, das ihn für die Krokos interessant macht: Mit seinem Fernrohr hat er auch die Täter eines Einbruchs gesehen, auf deren Ergreifung eine hohe Belohnung ausgesetzt ist. Die Suche nach den Verbrechern verbindet die Kinder, doch als sich abzeichnet, dass einer der Täter der große Bruder von Krokodil Frank ist, drohen die Freundschaften auseinander zu brechen.

Regisseur Christian Ditter ist es gelungen, Max von der Grüns Kinderbuchklassiker von 1976 behutsam in die Gegenwart zu übertragen, ohne den Ruhrgebietscharme des Originals zu verlieren und vor allem ohne in eine unrealistische Pseudo-Jugendsprache zu verfallen. Zwar wurde die Bande von zehn auf acht Kinder reduziert, die meisten Namen geändert und die Biografien den heutigen Verhältnissen angepasst – so lebt etwa Hannes alleine mit seiner jungen Mutter (großartig gespielt von Nora Tschirner) – doch das, worum es geht, ist erhalten geblieben: Freundschaft, Mut und der Umgang mit Vorurteilen. Die schauspielerischen Leistungen der jugendlichen Darsteller sind beeindruckend, und die Rollen wirken realistisch. Denn anders als der Titelsong es behauptet, sind die Vorstadtkrokodile keine Superhelden, sondern ganz normale Kinder, wenngleich ziemlich coole. Nicht nur die minderjährigen Zuschauer dieses hervorragenden Familienfilms werden sich wünschen, selbst ein Krokodil zu sein. Die gesunde Mischung aus Spaß, Abenteuer und ernsten Themen bietet auch nach Ende der 98 Minuten genug Potential zum darüber Nachdenken und Reden.

Abgerundet wird der Film durch die Gastauftritte von Martin Semmelrogge (der schon zusammen mit seinem Vater Willy in der WDR-Verfilmung von 1977 mitspielte) als Minigolfplatzbesitzer und Ralf Richter als mürrischer Ruhrpottpolizist.

FSK 6, ab 26. März im Kino.

Cindy und Calle wieder da

Nach zweieinhalb Monaten sind Cindy und Calle wieder wohlbehalten in Kreuzberg angekommen. Die beiden Hobby-Globetrotter hatten sich Ende Dezember auf eine ausgedehnte Afrikareise begeben, bei der unter anderem auch die zuvor gesammelten Spenden für ein Frauenhaus in Mauretanien überbracht wurden. Auf der Hinreise hatte sie ihr treuer Mercedes-Bus begleitet, der in Gambia plangemäß verkauft wurde – dort wird er trotz roter Umweltplakette noch einige Jahre fahren dürfen. Weiter ging es dann mit Boot, Pferdekarren, Taxi und schließlich mit Flugzeug und Bahn. Trotz zahlreicher Komplikationen sind Cindy und Calle zufrieden. „Gehabte Schmerzen hab‘ ich gerne“, schreiben die beiden in ihrem letzten Reise-Newsletter. Nach der Ankunft heute morgen um acht Uhr, ist jetzt wohl erstmal ausschlafen angesagt. Schließlich müssen sie heute Abend fit sein, um mit den Daheimgebliebenen ihre Wiederkehr zu feiern – im Too Dark, wo alles anfing.

Glück und Pech und Willkür

»Glücksrad könnte auch zu Jubel führen, und Sie wissen, das dürfen Sie nicht.« Diese Auskunft einer Mitarbeiterin des Umweltamtes war wenig hilfreich für Gerald, Wirt des Anno64, der unlängst sämtliche Konzerte in seiner Kneipe bis auf weiteres absagen musste und jetzt nach Alternativen sucht. Denn für Live-Musik fehlt ihm die passende Konzession, und ohne beträchtlichen finanziellen Aufwand für Lärmschutzmaßnahmen und Gutachten wird sich daran auch nichts ändern. Denn was schon immer geduldet wurde, wird auf einmal behördlich verfolgt. Und damit ist Gerald nicht alleine. Die meisten Gastwirte im Kiez hatten schon Besuch vom Ordnungsamt und fühlen sich immer mehr gegängelt. Daher lud die KuK eine Reihe von Wirten zu einem Treffen ein, um über die Problematik zu sprechen.

Joachim vom Valentin konnte von ähnlichen Problemen berichten. Für seinen »Kabarettistischen Jahresrückblick« hatte er eigens eine Sondergenehmigung für 200 Euro beantragt – nachdem er einen längeren Behördenmarathon zwischen Ordnungs- und Umweltamt absolviert hatte. Dabei nützt ihm der teure Wisch im Zweifelsfall auch nichts, sollte es Beschwerden über Lärmbelästigungen geben. Und die gibt es bei fast jedem Gastronom, und sei es, weil er seine Gäste vorschriftsmäßig zum Rauchen vor die Tür schickt.

Vor die Tür schicken muss auch Sylvia ihre Gäste, denn weil es im hinteren Bereich Billard und Kicker gibt, herrscht im Logo trotz eigens eingerichtetem Raucherraum Rauchverbot. Gerade im Winter gehen da viele Gäste lieber gleich nach Hause statt noch auf ein Bier wieder reinzukommen. Andere Wirte, wie zum Beispiel Andreas vom Backbord, gerieten in Konflikt mit der behördlichen Definition von »zubereiteten Speisen«: Obwohl das Backbord unter die Einraumkneipenregelung des Bundesverfassungsgerichtes fällt, darf er das Rauchen nicht erlauben, ohne sein Essensangebot einzustellen. Genau das hat er jetzt getan, denn seinen Gästen ist die Möglichkeit, auch im Winter im Warmen zu rauchen, wichtiger.

»Glück und Pech und Willkür finden momentan ganz unten statt«, meint Andreas. Denn häufig scheint es von der Tagesform der Kontrolleure abzuhängen, was erlaubt sein soll und was nicht oder welche Bußgelder fällig werden.

So erntete dann auch Sylvias Vorschlag, sich einen gemeinsamen Rechtsbeistand zu suchen, der auch die einzelnen laufenden Verfahren miteinander vergleicht, regen Zuspruch. Überhaupt würde sie gerne eine Art Interessensgemeinschaft gründen, die dem Erfahrungsaustausch dienen soll. Zwar wurden organisatorische Details noch vertagt, doch einigte man sich darauf, sich auf jeden Fall wiedertreffen zu wollen. Dann sollen auch weitere ‚Schlachtpläne‘ geschmiedet werden, um die schwierige Situation gemeinsam zu meistern. Gefragt sein werden einerseits Ideen, wie die Bedrohung der Kneipenkultur auch politisch zu thematisieren ist, andererseits gilt es, die Probleme auch als Chance für neue Konzepte wahrzunehmen und zu nutzen. So hat etwa Gerald gerade ein neues Programm angekündigt – mit wöchentlichen Terminen für Kartenspiel und After-Work-Partys, letztere sogar mit Glücksrad. Jetzt kann er nur hoffen, dass der Jubel unbemerkt bleibt.

Der Wirtestammtisch trifft sich wieder am 16.3. um 18:00 Uhr im Mrs. Lovell’s in der Gneisenaustraße 53. Weitere interessierte Gastwirte sind herzlich eingeladen vorbeizukommen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2009.