Das Ende der Lenau-Schule

Zusammenlegung, Abriss, neuer Name, Neubau

Lenau-Grundschule in der NostitzstraßeDie Lenau-Schule wird wegen Asbestbelastung nach dem Schuljahr abgerissen. Die Schüler kommen in der Lina-Morgenstern-Schule unter. Foto: psk

Die Lenau-Schule ist Geschichte. Nach Ende des Schuljahres werden die Bagger in die Nostizstraße kommen und das Gebäude abreißen, das einem Neubau weichen muss. Notwendig wurde die Maßnahme wegen der Asbestbelastung. Eine Sanierung wäre teurer gekommen, als eben ein Neubau.

Und was wird mit den rund 400 Schülern, die derzeit die erste bis sechste Klasse besuchen?

Sie werden ab August mit der Lina-Morgenstern-Schule in der Gneisenaustraße zu einer Gemeinschaftsschule zusammengelegt. Miteinbezogen in die Kooperation wird auch die Ferdinand-Freiligrath-Oberschule in der Bergmannstraße.

Die neue Gemeinschaftsschule wird dann etwa 1000 Schüler umfassen. Was im ersten Moment sehr dramatisch klingt, ist aber aus einem ganz bestimmten Grund nötig geworden, wie Schulstadtrat Andy Hehmke der Berliner Morgenpost gegenüber erklärte. Sowohl bei der Lina-Morgenstern- als auch bei der Freiligrath-Schule liegen die Aufnahmezahlen deutlich hinter den möglichen Kapazitäten zurück. Die Zusammenlegung bringe weitere pädagogische Kontinuität in das Schulkonzept, betonte der Stadtrat.

So ist es zum Beispiel einfacher, die Schulzeit in der gymnasialen Oberstufe fortzusetzen, wenn sich Lehrer in einer Gemeinschaftsschule mit den Kollegen der vorherigen Schulstufe austauchen können.

Mit der Zusammenlegung ist auch das Ende der Lenau- und der Lina-Morgenstern-Schule gekommen. Die Gesamtschule wird einen neuen Namen erhalten. Verwiesen die bisherigen Namen noch auf bestimmte Personen, so wird die neue Gemeinschaftsschule einen Namen tragen, der eher auf den Ort und nicht mehr auf eine bestimmte Person hinweisen soll. Wie der jedoch lautet, ist noch nicht klar. Darüber müssen sich erst die beiden Schulkonferenzen einigen.

Ist das dann tatsächlich das Ende von Lenau- und Lina-Morgenstern-Schule? Ja und Nein, die Namen verschwinden zwar, aber es wird in der Nostizstraße ein Neubau errichtet. In den ziehen 2023 die Schüler der ersten bis sechsten Klasse der neuen Gemeinschaftsschule. Und dann ist es fast wieder so wie früher.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2020.

Selbstbestimmte zweite Chance

Die »Schule für Erwachsenenbildung« gewinnt den 2. Platz beim Deutschen Schulpreis / von Robert S. Plaul

Als sich die Jury des Deutschen Schulpreises bei der Kreuzberger »Schule für Erwachsenenbildung e.V.« (SFE) zum Vororttermin ankündigte, gab es ein paar Probleme: Die Juroren wollten mit der Schulleitung und der Elternvertretung sprechen und morgens um acht vorbeikommen. Doch eine Schulleitung gibt es bei der SFE ebensowenig wie eine Elternvertretung. Und außerdem beginnt der Unterricht erst um 9:30 Uhr.

Denn bei der SFE ist alles ein wenig anders: Basisdemokratisch entscheiden die derzeit rund 200 Schüler und 17 Mitarbeiter über alle Angelegenheiten der Schule, alle zwei Wochen in der Vollversammlung (VV). Auch die Entscheidung, dass die beiden KuK-Redakteure, die an jenem Dienstag zu Besuch sind, filmen und fotografieren dürfen, wird im Plenum gefällt. »Und wenn wir Nein gesagt hätten«, fragt ein Schüler?« – »Tja, das ist das Los des Journalisten«, sagt Klaus, einer der 12 Lehrer der SFE und fast von Anfang an mit dabei.

1973 wurde die Schule nach einem Streik an einer Privatschule von interessierten Schülern gegründet. Ende der Siebziger kaufte man zusammen mit anderen linken Projekten das Gebäude Gneisenaustraße 2a, den heutigen Meh­ring­hof.

Die SFE ist eine alternative Einrichtung des »Zweiten Bildungswegs«, die vor allem denjenigen, die durch das Raster des klassischen Schulsystems gefallen sind, eine Chance bietet, den Mittleren Schulabschluss (MSA) bzw. das Abitur zu erwerben. Dabei bestimmen die Schüler im Rahmen des verbindlichen Lehrplans auch die Lehrinhalte und Lernmittel gemeinsam mit ihren Lehrern – die von ihren Klassen im Prinzip sogar abgewählt werden können.

Alles im Plenum: Die Schule für Erwachsenenbildung ist der Basisdemokratie verpflichtet.

Foto: rspAlles im Plenum: Die Schule für Erwachsenenbildung ist der Basisdemokratie verpflichtet. Foto: rsp

Noten gibt es an der SFE nicht. Stattdessen wird die Fähigkeit vermittelt, sich ohne Leistungsdruck und Konkurrenzdenken solidarisch und kollektiv Wissen anzueignen.

Ein Konzept, das aufgeht, auch wenn die relativ hohe Abbrecherquote zeigt, dass die teils wenig gradlinigen Biografien der Lernenden immer noch überraschende Wendungen bereithalten. Doch an der SFE geht es vor allem darum, jedem die Chance zu geben, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen – dass der Umgang mit dieser Freiheit leicht ist, davon war nie die Rede.

Auch die gelebte Demokratie ist nicht immer leicht und manche Diskussion auf der VV verläuft im Sande – etwa die um die vom Büro dringend benötigten Info­flyer, für die die »AG Öffentlichkeitsarbeit« verantwortlich zeichnet.

Dafür berichten zwei fertige Abiturienten (die an einer »normalen« Schule vermutlich längst über alle Berge wären) von der Preisverleihung des Deutschen Schulpreises, bei dem die SFE einen zweiten Platz gewonnen hat. Auch wenn die erste Frage dem Eintreffen des Preisgelds gilt, ist man sich doch vor allem darüber einig, dass die Auszeichnung eine Bestätigung ist: Dafür, dass das in Deutschland einzigartige, selbstbestimmte Konzept der SFE in all seiner Unfertigkeit und trotz mancher Probleme ein wichtiger und ernstzunehmender Beitrag zum Bildungssystem ist.

Mehr Infos zur Schule unter: sfeberlin.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.