Moviemento in Gefahr

Deutschlands ältestes Kino droht zum Opfer von Immobilienspekulation zu werden

Eckhaus Kottbusser Damm / Boppstraße. Im ersten Stockwerk befindet sich das Kino MoviementoSpekulationsobjekt: Im Eckhaus am Zickenplatz gibt es seit 1907 ein Kino. Foto: rsp

Die Immobilienspekulation macht auch vor Deutschlands ältestem Kino nicht Halt. Nach mehrfachem Besitzerwechsel des Eckhauses am Kottbusser Damm steht jetzt die Gewerbeeinheit, in der das Kino Moviemento residiert, zum Verkauf – für gut zwei Millionen Euro.

Die Nachricht, die die Kino-Betreiber Iris Praef­ke und Wulf Sörgel Mitte Oktober ereilte, war ein Schock. Denn es ist klar: Wenn die knapp 600 Quadratmeter tatsächlich für zwei Millionen über den Tisch gehen, dürfte sich die Miete locker vervierfachen – und das wäre das Aus für einen weiteren Kinobetrieb.

Doch die Schockstarre wich schnell der hektischen Planung. Mit einer Unterstützungs-Kampagne wollen die Kinomacher genug Geld zusammenbekommen, um die Räume der Spekulation zu entziehen, selbst zu erwerben und damit das langfristige Überleben des Kinos zu sichern. 400.000 Euro haben sie bereits privat und im Freundeskreis zusammengekratzt, es fehlen also noch rund 1,6 Millionen Euro.

Ein ambitioniertes Ziel für eine Crowdfunding-Kampagne, aber nicht so aussichtslos, wie es klingen mag. Einerseits besteht durchaus die Hoffnung auf größere finanzielle Unterstützung durch Akteure des gut vernetzten Filmbetriebs, andererseits ist auch der veranschlagte Kaufpreis nicht in Stein gemeißelt.

Der Eigentümer, die Delta Vivum Berlin I GmbH, gehört zum größten Teil der Deutsche Wohnen SE, die Enteignungsforderungen zuletzt mit einer Art Charmeoffensive gekonntert hatte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Geschäftsführer der Deutsche Wohnen schuld daran sein wollen, wenn Deutschlands ältestes Kino schließen muss«, glaubt Wulf Sörgel. Schließlich ist die Immobilie nur eine von Tausenden im Portfolio. »Die wissen wahrscheinlich gar nicht, dass es uns gibt.«

Hier geht es zur Kampagnenseite bei Startnext. Wer ansonsten – mit Geld oder Belohnungen für die Kampagne – helfen kann, schreibt an retter@moviemento.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2019.

Pornografie einst und jetzt

Das 14. Pornfilmfestival blickt zurück und kampfbereit nach vorn

Filmstill aus dem Kurzfilm »Riot not Diet«»Riot not Diet« ist ein Kampf um Sichtbarkeit und gegen Fat-Shaming. Foto: PFFB

Mit einem umfassenden Retrospektiven- und Klassiker-Programm warf das 14. Pornfilmfestival Berlin, das Ende Oktober im Moviemento und Babylon Kreuzberg stattfand, mehr als in den Jahren zuvor einen Blick zurück in die Geschichte der ebenso kontrovers diskutierten wie missverstandenen Filmgattung. Werke wie »La Planque 1« (1975) des weitgehend vergessenen französischen Regisseurs José Bénazéraf lassen mit ihrer tief eingeschriebenen Rape-Culture erahnen, woher die Pornografie ihren schlechten Ruf hat – auch wegen der unsäglichen deutschen Synchronisation, die ihren Namen nicht verdient,  aber für viel Gelächter im Kinosaal sorgte. »Body Lust« (1979) ist – was die Synchro der 35mm-Kopie angeht – fast noch erheiternder und kann auf der Habenseite zudem verbuchen, als einer der frühesten Pornos mit weiblicher Regie (Monique Carrera) ein Frauenbild zu vermitteln, das stärker von Selbstbestimmtheit geprägt ist.

Die Filme »Hungry Hearts« (1989) und »Suburban Dykes« (1990) der Regisseurin und Produzentin Nan Kinney gehören zu den Frühwerken eines lesbisch-emanzipatorischen Kinos. Kinneys Platz im Filmmaker-in-Focus-Programm war jedenfalls hochverdient.

Bei den zeitgenössischen Filmen des Festivals zeigt sich eine immer stärkere Politisierung – die nicht von Ungefähr kommt: In vielen Ländern werden LGBTQ-Rechte zunehmend beschnitten, in Brasilien wird durchschnittlich alle 20 Stunden ein queerer Mensch ermordet. Mutige Kurzfilme wie »Etérea – Criolo« (Musikvideo+Making-of) und »Polish Cumbucket« setzen sich damit auseinander und dürfen getrost als Kampfaufrufe verstanden werden.

Derweil gedeihen die Produktionen weiblicher Filmemacher: Beeindruckend intim geriet der Kurzfilm »We see you« von Jenz Mau, der mit dem Blick des Zuschauers spielt. »Veux moi« von Bambi Rainotte setzt sich selbstbewusst mit dem Wunsch nach Begehrtwerden auseinander und ist die sehenswerteste No-Budget-Produktion seit Jahren.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2019.

Lieblingslokal

Das Clash und die Kiez und Kneipe sind gleich alt

Clash bedeutet Zusammenprall. Das ist mir letztendlich und erstmalig bei der Recherche für diesen Artikel aufgefallen. Ich finde, das ergibt auch ziemlich viel Sinn, wenn man an eine Punkrockband aus England denkt. Die ja an sich gar nicht viel mit Kreuzberg zu tun hätte. Gäbe es nicht dieses tolle Lokal, das zu beschreiben schon mehr als ein paar Worte bedarf.

Über das Clash wollte ich schon lange mal schreiben. Es war die erste Kneipe, die ich in Kreuzberg kannte. Ja sogar die erste Kneipe, in der ich jemals war in Kreuzberg. Die Kneipe, für die ich damals aus Charlottenburg kam, in der ich Billard gelernt, zum ersten Mal Mampe getrunken und mir nicht nur einmal, aufgrund viel zu lauter Musik, die Kehle aus dem Leib gebrüllt habe. Zum Ersti-Pubcrawl der TU, mit Besuch aus fernen Ländern (»This is so Berlin!«) und zum Feierabendbier – das Clash bedient ein sehr diverses Publikum. Und auch wenn sie es sich leisten könnten: der Preis fürs Hausbier bleibt seit Jahren auf seinen stabilen 2,50 €. Nun gibt es aber noch viel mehr als nur Barabende. Das hier wäre ja auch keine Musikkolumne, wenn ich nicht wenigstens anreißen würde, dass im Clash auch wunderbare kleine, gemütliche, ja fast schon wohnzimmerähnliche Punkkonzerte stattfinden. Die Auswahl im Oktober beinhaltet Bands mit klangvollen Namen wie Scheisskind, Spermbirds oder Gulag Beach.

Meine neueste Entdeckung ist hingegen die Mittagskarte. Einmal mit, einmal ohne Fleisch gibt es für ‘n Fünfer feinstes Mittagessen aus der Clash-Küche.
Warum ich aber genau jetzt dazu komme, über dieses mein geliebtes Clash zu schreiben, ist wohl eher der aktuelle Anlass unserer 15-jährigen Sonder- und Spendenaufruf-Ausgabe. Das Clash gibt es nämlich eben genau so lange. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Viel Stoff also, um in Zukunft drüber zu berichten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2019.

Humppa aus Berlin

Was Friedrichshain und Kreuzberg verbindet

Denke ich an Kreuzberg, so denke ich nicht an die Wallerts. Jedenfalls nicht gleich. Denn die sind eingeborene Friedrichshainer. Und trotzdem verirren sich die fünf Humppamänner, namentlich Dawa, Stefan, Laui, Willie und Peter Wallert, doch das ein oder andere Mal in den »richtigeren« der beiden Teile. Aber was genau sind jetzt eigentlich Humppamänner?

Humppa ist erst einmal eine Musikrichtung. Diese finnische Art von Polka hat mir beim erstmaligen Live-Erlebnis im zarten Alter von 14 Jahren, das ich übrigens der hier lobgepriesenen Band zu verdanken habe, fast die Füße weggetanzt. Im eingängigen Humppa-Offbeat reiht sich Hit an Hit an Hit. Die Melodien sind bekannt, die werden nämlich gecovert.

Und so hat sich die Band seit 2004 zur selbsternannten Berliner Humppa-Institution gearbeitet. Oder eher gebegeistert. Viele ihrer frühen Konzerte haben sie in Kreuzberg ge­spielt. Dabei immer ganz vorne mit dabei und als wäre er das erste Bandmitglied: Spaß. Er zieht sich durch die Texte, die Stimmung, die Musikvideos, ja selbst die Website ist ausnahmsweise mal nicht ermüdend zu durchforsten.

Und wie es sich für Bands so gehört, bringen die Fünf Ende September mal wieder ein Album heraus, »UHU« ist ihr sechstes an der Zahl. Ganz nach alter Humppa-Tradition wird dieses Spektakel mit einer Record-Release-Party am 28. im schönen Festsaal Kreuzberg gefeiert.

Wer dafür nicht mehr rechtzeitig an Karten kommt, muss nicht verzagen. Die sehr regelmäßigen Weihnachtskonzerte finden noch näher dran in der Wallerts-Lieblingslocation SO36 statt. Und sonst rate ich dazu, einfach mal die Augen im Kreuzberger Musikgeschäft des Vertrauens offen zu halten. Das eine oder andere Instrument soll wohl schon hier erworben worden sein.

Denke ich an die Wallerts, so denke ich an Akkordeon, Klampfe und Glückseeligkeit. Und ein bisschen an Friedrichshain-Kreuzberg.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2019.

Mal rauchig, mal melancholisch

Viele Liebeslieder über Kreuzberg

Sommerloch. Und weit und breit keine OpenAir-Bühne in Kreuzberg. Höchste Zeit, den Bezirk mal songgeschichtlich ein wenig aufzuarbeiten.
Den Anfang macht Klaus Hoffmann, der mit seinem »Kreuzberger Walzer« eine einigermaßen romantische Nacht zwischen lyrischem Ich und Dir einigermaßen unverständlich mit einer gepresst rauchigen Stimme besingt.

Dagegen überzeugt das süße »Kreuzberg, meine Liebe« durch seine Ehrlichkeit. »Nicht mal wenn ich wollte, ich könnt’ nicht ohne dich«, singen Rakete Erna über ihren Bezirk. Dass du hier sein, rumlaufen und machen kannst, was du willst. Das nenne ich doch mal eine wahre Liebeserklärung.

Die nächste Erklärung kommt vom eigentlich Zehlendorfer Rapper Prinz Pi. Er singt über die »Königin von Kreuzberg«, die sich die Lunge teert, die Fingernägel mit Edding lackiert und »fast keine Drogen nimmt«, wenn sie mit ihren Eltern essen geht. Und besonders nicht so ist, wie die anderen Mädchen, die alle so individuell sind, dass sie wieder alle gleich seien.

Der Ich-kann-alles-Mann Materia stellt sich vor, wie es wäre, wenn Kreuzberg am Meer liegt: Alle machen Musik. Niemand arbeitet. »Wenn du wirklich arbeiten musst, dann zieh nach Moabit.« Hier ist jeder Geldwäschemillionär.

Eines der bekanntesten Kreuzberg-Lieder löst durch seine melancholischen Klänge sogar Heimweh aus, wenn ich da bin. Bloc Party singen über die Zerrissenheit, die einen in jungen Jahren immer mal wieder begleitet, sehen sich im Schlafzimmer des Fremden, in der U-Bahn Richtung East Side Gallery und weinend am Hauptbahnhof. Das mit der Geografie üben wir noch mal.

Das einzig wahre Lied über Kreuzberg, wie könnte es anders sein, kommt von den Gebrüdern Blattschuss. Vielfach gecovert und in lateinischer Version sogar auf dem Titelblatt Eurer liebsten Kreuzberger Lokalzeitung. Ob Winter oder Sommerloch: ein Hoch auf die »Kreuzberger Nächte«!

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2019.

Umsonst & draußen

Sommeranfang reimt sich auf Musikvielfalt

Und jetzt alle: Wir! Lieben! Die! Fête!

»Wie? Und dann spielen die da kostenlos auf den Straßen?«

Eltern sind oft ein guter Realitätscheck, wenn man die Bonbons der Gegebenheiten, die zauberhaften Selbstverständichkeiten, die Ja-ja-das-ist-immer-so’s der Berliner Musikszene mal wieder unterschätzt hat. In meiner Heimatstadt gibt es nämlich keine Fête de la Musique. Dort bleibt das Weihnachten der Klampfenkunst einfach aus. Zeit, eine kleine Hommage zu schreiben.

Für meinen liebsten Tag im Jahr habe ich wie immer wenig geplant. Und das ist ja auch das Schöne. Wir feiern den Sommeranfang, umsonst und draußen. Lassen uns treiben, halten an, es gibt Pizza und Bier.

Der französische Kultusminister Jack Lang hat im Jahr 1981 die erste Fête ins Leben gerufen. Im darauffolgenden Jahr fand sie zuallererst in Paris, von da an aber in weiten Teilen des Landes statt. Der Minister hatte dabei die Idee, die lokale Musikszene anzuheizen. So sollten nicht nur die großen, sowieso schon bekannten Bands spielen. Sondern eben auch und besonders die, die man sonst immer nur in vermoderten Probenräumen hören kann.

Was dabei besonders gefördert wird, ist die Vielfalt der Musik. Während Pop in der breiten Masse bekanntlich immer ganz gut ankommt, hat an diesem bunten Tag Jazz Platz neben Folklore. Kreuzberg selbst, das ja von vorn bis hinten wie dafür gemacht ist, nimmt seit 1995 an dem Spektakel teil.

So treibt mich mein Rundgang von Chormusik vor der Passionskirche über Gitarrengezupfe mit kratzigem Gesang beim Matzbach zu improvisiertem Allerlei in den Sarotti-Höfen.

Nach den Gerüchten von letztem Jahr, dass die Fête vielleicht ausbleiben soll, da sich das kommerziell nicht rentiert, bin ich ziemlich froh, dass der Sommer jetzt doch wieder klangvoll begonnen wurde. Und plädiere trotzdem dafür, dass die Fête eine »de la musique« bleibt, nicht eine »de la bière« und »de la bouffe«.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2019.

Bergmannstraßenfest dieses Jahr in der Kreuzbergstraße

Das Programm des Bergmannstraßenfests 2019 steht fest

Lageplan Bergmannstraßenfest 2019Im Westen was neues: Kreuzberg jazzt dieses Jahr auf der anderen Seite des Mehringsdamms bis zur Katzbachstraße. Grafik: Toge Schenck

Das Bergmannstraßenfest findet entgegen anders lautenden Ankündigungen auch dieses Jahr wieder statt. Zum 25. Jahr in Folge werden vom 28. bis 30. Juni 50 Bands auf drei Bühnen zu hören sein. Die Theaterbühne an der Großbeerenstraße zeigt neben Theater, Comedy und Tanz auch wieder das beliebte Kinderprogramm am Samstag und Sonntagvormittag.

Eigenartigerweise findet das Bergmannstraßenfest dieses Jahr jedoch nicht in der Bergmannstraße statt. Weil die umstrittenen Parklets, Fahrradbügel und Fahrbahnübergänge den Veranstaltern zu viel Platz in Anspruch nehmen, wird es ausnahmsweise ein paar hundert Meter weiter in die Kreuzbergstraße verlegt. Dort soll eine ganz eigene Begegnungszone geschaffen werden, in der Anwohner aus Berlin, Brandenburg und tausende Besucher der Stadt zusammenkommen können. In der Bergmannstraße wären aufgrund der neuen Straßenmöblierung 80 bis 90 Prozent der zu vermietenden Stände weggefallen. Da der Veranstalter Kreuzberg Festival e.V. keine öffentlichen Gelder bezieht und das Fest sich durch Standgebühren trägt, kam die Bergmannstraße somit nicht mehr in Frage. Daraufhin wurde der Weg geebnet, die Kreuzbergstraße zu bespielen.

Neben der Vielzahl musikalischer Beiträge und kultureller Aktivitäten wird eine abwechslungsreiche Bewirtung mit Getränken und internationalen Leckereien angeboten. Auch Spitzenköche aus Kreuzberg werden in einem Zelt bei der Bühne Großbeerenstraße zu kleinem Preis Kostproben ihres Könnens anbieten.

Mit Wille & The Bandits (UK) und der Honey Island Swamp Band (USA) konnten zwei großartige internationale Bands engagiert werden. Unter den vielen Berliner Auftritten sind Mi Solar, Marcos Coll, Pugsley Buzzard und Kreuzberger Kiezgrößen wir Eb Davis, Roger Raddatz und Blue Bayou. Ebenso wieder mit dabei sind Bühnenprogramme der Kreuzberger Musikalischen Aktion e.V. und der im Kiez ansässigen Agentur Ahoi. Mit dem Slogan »Kreuzberg Jazzt« fassen die Veranstalter den Begriff »Jazz« also relativ offen. Das könnte für dieses Jahr besonders gelten, unter anderem weil der sonst prägende Yorkschlösschen Chef Olaf Dähmlow zum ersten Mal nicht mitorganisiert. Das komplette Programm mit Soundproben der verschiedenen Bands kann auf auf der Webseite des Straßenfests eingesehen werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.

Den Sommeranfang feiern mit Musik an allen Ecken

Wieder viele Kreuzberger Bühnen zur Fête de la Musique

mog61-Bühne auf der Fête de la MusiqueMusik umsonst und draußen. Die Fête de la Musique fällt 2019 auf einen Freitag. Foto: phils

Mit erfreulich wenig gesperrten Straßen kommt wie immer die Fête de la Musique zum Sommeranfang am 21. Juni aus. Na gut – die Fürbringerstraße (zwischen Mittenwalder und Schleiermacherstraße) hat’s mal wieder erwischt – aber die ist ja auch keine wichtige Durchgangsstraße und dafür steht da dann auch wie schon in den letzten Jahren die vermutlich größte Bühne im Kiez, gemeinsam organisiert vom Verein mog61 e.V. und dem unterRock. Hier gibt es von 16 bis 22 Uhr ein hochkarätiges Programm mit Schwerpunkt Rock. Tipp der Redaktion: Die Potsdamer Band Sonator ganz am Ende. Wenige Meter weiter verbindet das House of Life auch in diesem Jahr die Fête mit ihrem jährlichen Sommerfest. Hier geht es schon um 15:45 Uhr los mit der Verleihung des »Prize of Life«, danach wird mit mehreren Livebands und gutem Essen gefeiert.

Ebenfalls eine feste Größe ist die Bühne auf dem Marheinekeplatz vor dem Matzbach. Das Programm stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest, aber aus gut unterrichteten Kreisen ist zu vernehmen, dass am frühen Abend Berlin Beat Club dort auftreten wird – wer die beste (Rock‑)Musik der Hippie-Ära mag, ist da richtig.

Gerne würden wir an dieser Stelle auf die Webseite der Fête de la Musique verweisen, allerdings ist diese bisher alles andere als vollständig, sowohl bezüglich der Bühnen als auch bezüglich des Programms. Daher ganz kurz und knapp noch ein paar andere Orte in Kreuzberg, an denen in der kürzesten Nacht des Jahres Musik gemacht wird. Überall – wie immer zur Fête – ist der Eintritt frei:

  • Passionskirche (Marheinekeplatz): Chormusik
  • Dodo (Großbeerenstraße): Buntes Programm von Singer/Songwriter bis Pop und Rock
  • Melitta Sundström (Mehringdamm): Nicht nur Pop im wandernden Wohnzimmer »Jesterfield«
  • Gretchen (Obentrautstraße): Blockparty mit Tanzmusik live und vom Plattenteller
  • Regenbogenfabrik (Lausitzer Straße): Kinderprogramm, Drehorgel und mehrere Bands
  • Birgit und Bier (Lohmühleninsel): Blues und Blech
  • Exploratorium (Mehringdamm): Experimentelles mit teils sehr ungewöhnlichen Instrumenten
  • Bona-Peiser-Projekträume (Oranienstraße): Rap, Jazz und Musikprojekte aus dem Kiez
  • Expedition Metropolis (Ohlauer Straße): Folk, Mathrock, Indie
  • Pirata Patata (Kotti): Punk, Indie and more
  • unterRock (Fürbringerstraße): Rock
  • Matzbach (Marheinekeplatz): Rock

Aus Gründen des Lärmschutzes ist um 22 Uhr überall draußen Schluss, aber danach geht für die echten Nachteulen in einigen Locations die Fête de la Nuit drinnen weiter – und das ohne Reue, da der 21. Juni ja 2019 auf einen Freitag fällt. Junction Bar (Gneisenaustraße), Gretchen und Ritter Butzke seien hier als geeignete Party-Locations empfohlen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.

Stoff für Schallplatten-Junkies

Bei »Lefter Records« in der Gneisenau gibt’s Vinyl aus aller Welt

Als ich den Laden an der Gneisenaustraße 114 betrete, läuft gute, laute Soulmusik. Inhaber Erbatur Çavuşoğlu begrüßt mich freundlich, er stellt die Musik leiser und führt mich herum.

Obwohl sich das Geschäft halb im Keller befindet, ist es schön hell und gar nicht so muffig, staubig und zugemüllt wie viele der Plattenläden, die ich so kenne. In der Mitte des vorderen Raumes liegen Bücher: »1.000 Plattencover«, »Lefter Küçükandonyadis«, »Weltmusik«. In jedem Raum steht ein Plattenspieler. Die Leute sollen sich hier wohlfühlen, Zeit und Raum haben, um Musik zu hören, zu genießen oder zu analysieren, so wie er es gern macht. Eine alte Berufskrankheit sei das, so der ehemalige Professor für Stadtplanung.

Von diesem Beruf sind heute nur noch die Karten an der Wand eines Raumes übrig. Als er nach Deutschland kam, hatte er keine Lust mehr auf akademische Forschung. Als sich vor drei Jahren der Militärputsch in der Türkei ereignete, musste er das Land verlassen. Und da seine Frau aus Deutschland kommt und in Berlin viel Musik passiert, können wir uns hier in Kreuzberg nun über diese Bereicherung freuen.

Die insgesamt 10.000 Platten aus aller Herren Länder sammelt Çavuşoğlu seit seinem 15. Lebensjahr. Sein Bruder, der ihm damals die ersten Platten geschenkt hat, war der Anstoß. Und heute? »It’s an addiction.« – eine Sucht sei daraus geworden. Menschen seien nun mal gemacht für Süchte und Platten seien eben seine.
Alle Arten türkischer Musik sind dabei seine Spezialität und auch das Herzstück seines Ladens. Der Rest der Plattensammlung unterteilt sich in mehr oder weniger bekannte deutsche und englische Klassiker und Newcomer und eine Abteilung mit sehr viel unterschiedlicher Weltmusik. Dabei sind von Ghana bis Finnland, von China bis Uruguay so allerhand Länder vertreten. Gefunden und gerettet von den Floh­märkten dieser Welt.

Lefter Küçükandonyadis, nach dem sein Sohn und nun auch sein bald ein Jahr existierender Plattenladen benannt sind, ist übrigens ein griechischstämmiger türkischer Fußballspieler. Für Çavuşoğlu ist er aber zusätzlich noch ein Freiheitskämpfer, ein Mann der Hoffnung, ein großes Vorbild. Über die Wahlverwandtschaft des Namens zur politischen Haltung sei er aber auch nicht traurig, und ich bemerke erst jetzt das »Rock’n’Roll«-Tattoo auf seinem Unterarm.

lefterrecords.wordpress.com

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.

Mehr Kameras, weniger Müll

Karneval der Kulturen setzt auf Nachhaltigkeit – und verschärft sein Sicherheitskonzept

Umzugshelferin in Dienstkleidung. Foto: rsp

Bereits zum 24. Mal findet am Pfingstwochenende der Karneval der Kulturen statt. Neben dem Straßenfest rund um den Blücherplatz lockt vor allem der Umzug am Sonntag jedes Jahr unzählige Besucher in den Kiez – 2018 waren es zusammen eine knappe Million Menschen.

Wie schon im letzten Jahr geht der Umzug wieder in der noch etwas ungewohnten Richtung von der Yorckstraße über Gneisenaustraße und Hasenheide bis zum Hermannplatz. 74 Gruppen mit gut 4.400 Beteiligten ziehen über die Strecke. Neu ist, dass rund ein Drittel der Gruppen ohne motorbetriebenen Wagen auskommt. Stattdessen kommen Lastenräder, Rikscha und geschobene Plattformen zum Einsatz. 

Überhaupt solle der Karneval nachhaltiger werden, erklärte Leiterin Nadja Mau bei der Pressekonferenz zwei Wochen vor dem Event und hob unter anderem das ausgeklügelte Mehrwegsystem des Straßenfests hervor. Die Berliner Wasserbetriebe, die die Akteure des Umzugs seit 16 Jahren mit Trinkwasser versorgen, verzichten zudem komplett auf Einweg-Plastikbecher. Für den trotzdem allenthalben anfallenden Müll stehen drei Mal soviele Behälter bereit wie noch im Vorjahr.

Nachhaltigkeit und Achtsamkeit finden sich auch im Programm wieder: Bei zahlreichen Gruppen des Umzugs stehen explizit Themen wie Umweltschutz, Müllvermeidung und Artenvielfalt im Vordergrund. Mit »Shanti Town« wird mitten auf dem Festgelände ein Aktionscamp gegen Rassismus und Krieg, für Vielfalt, Nachhaltigkeit und Verantwortung errichtet. Unter anderem gibt es dort Filmprojektionen, Workshops und Mitmach-Aktionen.

Weniger Müll und überhaupt mehr Nachhaltigkeit ist eines der Ziele des Karnevals der Kulturen. Foto: rsp

Die kulturelle Vielfalt, für die der Karneval steht, schlägt sich wie immer auch im Musikangebot nieder. Neben den drei großen Bühnen »Latinauta« (Gitchiner Straße; Latin Grooves), »Black Atlantica« (vor der Heilig-Kreuz-Kirche; afrikanische Musik) und »East2West« (AGB; u.a. Reggae, Ska, Balkan Beats) gibt es zehn kleinere »Music Corners«, die übers ganze Festgelände verteilt sind.

»Eine neue Kultur des Miteinanders auf Großveranstaltungen« wollen die Veranstalter des Karnevals der Kulturen etablieren, und dazu gehöre es auch, alle Beteiligten für die Bedürfnisse der Anwohner zu sensibilisieren – etwa durch eine Reduktion der Zeit für den Soundcheck im Aufstellungsbereich des Umzugs.

Zudem sind die Gruppen angehalten, unsoziales Verhalten in der Umgebung ihres Wagens zu identifizieren und anzusprechen. Angespannte Situationen sollen mit angepasster Musik beruhigt werden.

Zur Entspannung der Sicherheitslage soll eine punktuelle Videoüberwachung entlang der Strecke und auf dem Straßenfest beitragen. Damit sollen Besucherströme beobachtet und gegebenenfalls gelenkt werden. Am Tag des Umzugs sind Nostitz‑, Solms‑, Zossener und Mittenwalder Straße zwischen Gneisenau- und Baruther bzw. Fürbringerstraße auch für Fußgänger komplett gesperrt, Mehringdamm und Schleiermacherstraße funktionieren als Einbahnstraße (siehe Plan). Anwohner sollten deshalb unbedingt einen Ausweis oder ein ähnliches Dokument dabei haben, wenn sie vorhaben, vor Ende des Umzugs nach Hause zu kommen. In den genannten Straßen wird es auch ein flächendeckendes Parkverbot geben.

Quo vadis, Karnevalsbesucher? Am Pfingstsonntag sind zahlreiche Straßen komplett gesperrt, auch für Fußgänger. Grafik: KdK

Ob speziell die Straßensperrungen bei den unmittelbaren Anwohnern für eine höhere Akzeptanz sorgen, erscheint fraglich. Immerhin dürfte die Zahl der Wild- und Hauseingangspinkler in den gesperrten Straßen rückläufig sein. 

Die Fürbringerstraße fungiert als eine Art »Rückstaubereich« – für ortsfremde Besucher vermutlich verwirrend, da es von dort keinen Zugang zum Umzug und keinen direkten Rückweg zum Fest gibt. Von außerhalb des Festes kommt man nur via Baruther oder Schleiermachenstraße in die Fürbringerstraße.

Wer doch in diesen Bereich findet – oder nicht mehr heraus –, ist jedenfalls herzlich willkommen vor den Redaktionsräumen der Kiez und Kneipe (Fürbringerstraße 6), wo wie immer der Bierzelttisch aufgestellt ist und Caipirinha bereitsteht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.

Schön sortiert von A bis Z

Tocotronic-Texter Dirk von Lowtzow verrät erneut Privates

Es ist Mittwoch, ich bin seit einer Woche wieder in Berlin und freue mich auf die »Aus dem Dachsbau«-Lesung von Dirk von Lowtzow im Kreuzberger HAU. In dieser Kolumne hier habe ich schon einmal über Dirk von Lowtzow erzählt, der als zauberhaftes Sprachtalent die so kunstvoll ausgestalteten, perfekt pointierten, lehrreich verwobenen und anmutig schönen Texte der Band Tocotronic schreibt und interpretiert.

Dirk von Lowtzow ist, obwohl im zugegebenermaßen recht kleinen Tocotronic-Kosmos eine gottähnliche Figur, eher eine Hintergrundperson. Im Gegensatz zu so manch anderen Stars weiß man praktisch nichts über ihn. Seine sexuelle Orientierung ist genauso unklar wie irgendetwas über seine Familie. Bis jetzt. Oder zumindest bis vor ein paar Jahren.

Mit dem Album »Die Unendlichkeit« thematisiert Dirk (wie er sich wohl selbst auch in Interviews nennen würde) neben der 25-jährigen, fühlbar unendlichen Bandgeschichte auch seine eigene Geschichte. Er singt erstmals über seine Homosexualität, einen unerwarteten Tod und seine Kindheit. Die Songs sind dabei so privat, als würde man mit dem Sänger ganz trinkselig vorm Kamin sitzen. Aber wer mehr dazu lesen will, guckt lieber noch einmal in die KuK vom Februar 2018.
Nun hat er unter dem Titel »Aus dem Dachsbau« ein Buch geschrieben, in dem Dirk den (bitte nicht falsch verstehen) im Unendlichkeits-Album noch nicht verarbeiteten Narzissmus in Form einer Autobiografie herauslässt.

Es wäre komisch, hätte der Sänger seine Autobiografie so einfach chronologisch über sein Leben verfasst. Es ist eine Enzyklopädie. Ein Wort, das wie kein anderes so hervorragend zur Dirk von Lowtzow passt. Und die Leserin erwarten kleine Lebensgeschichten, schön sortiert von A bis Z.
Im HAU beginnt er die Lesung mit einer Geschichte von seinem verstorbenen, langen und besten Freund Alexander. Eigentlich, so stellt er später heraus, drehe sich das ganze Buch um Alexander. Na ja, und eben ganz viel um Gitarre, Stimme, Schlagzeug, Bass. Und das alles in schönstem Tocotronic-Deutsch.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2019.

Disco, Feiern, Gesellschaftskritik

Frittenbude kommen mit einem neuen Album in den Festsaal


Wie viel macht eigentlich ein Name für eine Band aus? Im Falle von Led Zeppelin wäre der Erfolg wohl auch mit einer anderen Bezeichnung nicht ausgeblieben. Pink Floyd? Da wird’s schon interessanter. Und dann gibt es noch Frittenbude, die die Mischung auffallender Name und heftiges Debütalbum als Katapult in den Erfolg für sich entdeckt haben.

Das mit dem Debüt war vor mehr als zehn Jahren. Damals gründeten die drei Mitglieder Martin Steer, Johannes Rögner und Jakob Hägls­perger die Band während einer Autofahrt. Das Radio war kaputt und so wurden eben eigene Beats und Texte gezaubert. Zwei Jahre später kam das erste Album, mit dem sich die drei mit 120 bpm, Bass, Bass und Bass in den Elektropunkhimmel sangen. Ursprünglich aus Bayern kommend haben sie sich textlich und musikalisch ganz schnell dem klassischen Berliner Club-Hipster angepasst. Es geht also um Disco, Feiern gehen und ein bisschen Gesellschaftskritik.

Berühmt wurden Frittenbude allerdings vorerst mit ihren Remixen. Dabei verändern sie nicht nur wie üblich die Instrumentierung der Songs, sondern dichten ganz gern auch mal die eine oder andere Zeile dazu. Dabei kommen am Ende meist humorvollere oder politischere Texte als beim Original heraus.

Apropos politische Einstellung: hier heißt das Stichwort nämlich Audiolith. Dem stetigen Leser dieser Kolumne wird dieses herausragende Label bereits von der Band Egotronic bekannt sein. Mit ihrem Selbstverständnis einer linken, toleranten, antifaschistischen Weltanschauung nahmen sie Frittenbude, die diese Vorstellungen mehr als eindeutig in sich vereinen, 2010 unter Vertrag.

Und nun ist es endlich soweit: Frittenbude kommen mal wieder (fast) nach Kreuzberg. Am Tag des Redaktionsschlusses herausgekommen verspricht das neue Album mehr politische Haltung als je und nicht ganz so schnelle, basslastige Songs wie sonst. Sie präsentieren »Rote Sonne« am 30. März im Festsaal Kreuzberg (seit 2017 am Flutgraben in Treptow beheimatet und damit nur noch gefühltes Kreuzberg). Doch Achtung Uniform: bitte Bauchtasche und Hornbrille anlegen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2019.

Sommer, Sonne, WorldFolkBeat

Zargenbruch halten warm im Winter

Es ist Februar. Meiner Meinung nach der blödeste von allen Monaten. Irgendwie ist es dann ja auch schon lange kalt, aber auf den nächsten Monat kann man sich noch nicht so richtig freuen, weil der ja auch immer noch kalt und ein bisschen dunkel ist. Um dieser Wetterlethargie zu entfliehen, habe ich mittlerweile jedoch eine ganz passable Strategie gefunden: ignorieren. Weggucken, so tun als ob nichts wär’ – und stattdessen lieber Zargenbruch hören.

Die Band mit dem Namen, der auch von einer Tischlerei sein könnte, macht nämlich ganz viel in dem Musikgenre, das von mir auch liebevoll Sommermusik genannt wird. Und ist in meinem Kopf verknüpft mit einem warmen Spätnachmittag, an dem es gerade noch so warm ist, dass man ohne Jacke im Schatten sein kann und somit ohne viel Schwitzen mit genügend Platz um sich herum und einem kühlen Bier in der Hand so ein bisschen zu Gitarre, Geige und Akkordeon hüpfen kann. Wer beim Auftritt von Zargenbruch auf dem letzten Bergmannstraßenfest dabei war, dürfte sicherlich genau wissen, was für Glücksgefühle die Musiker und Musikerinnen in der warmen Abendsonne bei ihrem Publikum hervorgerufen haben. Es ist eine dieser Bands, die es schafft, dass jedem egal ist, ob einem jemand beim Tanzen zuguckt. Weil Stillstehen keine Option ist und die vielen unterschiedlichen Instrumente einfach zu großen Spaß machen. Halb aus Kreuzberg, halb aus Neukölln singen die Künstler auf Deutsch, Englisch und Französisch mit ihren von Hingabe und Leidenschaft gefüllten Stimmen übers Freisein, übers Querdenken und, natürlich, übers Tanzen. Dabei ist alles, die Texte, die Beats, die Melodien, maßgeschneiderte, professionelle Handarbeit, die sie selbst übrigens als »tanzbaren Liedermacher-WorldFolkBeat« bezeichnen.

Das neueste Album kommt aus der Oranienstraße, heißt »Ligne rouge« und ist toll. Den nächsten Auftritt gibt’s dazu dann hoffentlich auch bald hinterher. Bis dahin kann ich die Texte auswendig – versprochen!

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2019.

Der Vater aller Mütter

Nach neun Jahren endlich wieder ein Album von Dendemann

In der langen Tradition des Deutschrap wird ja bekanntlich gern mal hin und her gedisst und gezankt. Was läge dabei näher, als seine Heimatstadt zum Mittelpunkt der Selbstprofilierung zu machen?

Und obwohl mein Herz natürlich an Berlin hängt und die Stadt tausende guter Musiker hat, muss ich schmerzlich zugeben, dass die Trophäe in diesem Monat trotzdem an Hamburg geht. Denn neben Fettes Brot, Fünf Sterne Deluxe und Ferris MC spuckt die Stadt Ende Januar nach neun Jahren Wartezeit endlich das neue Album vom Wunderkind Daniel Ebel aka Dendemann aus. »Da Nich Für!« wird es heißen und die ersten Singleauskopplungen »Keine Parolen« und »Littbarski« versprechen feinsten deutschen Rap in Neuauflage.

Neun Jahre sind eine lange Zeit. Doch bevor nun noch jemand denkt, der Typ wäre faul oder hätte keine Lust, im Gegenteil: Songs produziere er nach eigener Aussage am laufenden Band. Doch im Zuge eines unglaublichen Perfektionismus schaffen es nur die Allerbesten auf das Album. So musste selbst ein Song mit einem Sample von Pianoikone Chilly Gonzales leider draußen warten.

Auch wenn die Vorstellung, Dendemann nicht zu kennen, für mich fast unbegreiflich ist, so will ich doch kurz in seine Vita einführen. Angefangen hat der Exklusivrapper in den 90er Jahren und wurde schnell durch seine wortspielreichen Texte und als Vorband von Fettes Brot bekannt. Es folgten zwei trotz (oder vielleicht gerade wegen) seiner Rauchstimme fein säuberlich gerappte Studio­alben, die mit perfekt pointierten Texten ein bisschen über alles erzählen. 2013 übernahm Dendemann dann mit »Die Freie Radikale« die Studioband der Late-Night-Show »Neo Magazin Royale« von Jan Böhmermann und erlangte auf diese Weise auch unter jüngeren Hörern einen gewissen Bekanntheitsgrad. Am 28. Februar beehrt »der Vater aller Mütter« uns auch in Kreuzberg und gibt ein schon jetzt fast ausverkauftes Konzert in der Columbiahalle. Und bevor der nächste Auftritt gegen Ende 2038 stattfindet, rate ich, doch noch schnell ein Ticket zu besorgen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2019.