Landeswahlleiter rät von Briefwahl ab

Vorgezogene Bundestagswahl mit neuem Verfahren zur Sitzverteilung

Der Deutsche BundestagVoraussichtlich 630 Sitze im Bundestag sind am 23. Fe­bru­ar zu vergeben. Foto: Bernardo Ferreria / Pixabay

Nach dem Bruch der Ampelkoalition und dem Scheitern der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz findet die nächste Bundestagswahl bereits am 23. Februar (und nicht, wie regulär geplant, am 28. September) statt. 

Bei der Zuteilung der Sitze im Bundestag kommt ein 2023 beschlossenes, neues Verfahren zur Anwendung. Erstmals wird den mit der Erststimme im Wahlkreis gewählten Direktkandidat*innen mit den meisten Stimmen nur dann ein Sitz zugeteilt, wenn das Wahlergebnis durch einen entsprechenden Zweitstimmenanteil gedeckt ist. Wer taktisch wählen will, muss also unter Umständen ein wenig umdenken. Hier stellen wir die Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten der wichtigsten demokratischen Parteien kurz in einem Steckbrief vor.

Ob es wie 2021 wieder zu einem Wahlchaos kommen wird, bleibt abzuwarten, aber immerhin findet nicht gleichzeitig eine Wahl zum Abgeordnetenhaus statt. Damals fehlten teilweise ausreichend Stimmzettel, und es bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Der am Wahlsonntag stattfindende Berlin-Marathon mit seinen großflächigen Straßensperren hatte die Situation zusätzlich erschwert.

Unterdessen nähert sich die Nachfrage nach Briefwahl der 50-Prozent-Marke, teilte Landeswahlleiter Stephan Bröchler mit. Sie werde damit immer mehr zum Normalfall. Da die Briefwahlunterlagen erst ab 10. Februar verschickt werden können, rät Bröchler dazu, vorzugsweise im Wahllokal zu wählen, um keine Probleme mit den Postlaufzeiten des Wahlbriefs zu bekommen. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Unterlagen direkt im Briefwahllokal abzugeben. Kreuzberger müssen dafür ins Rathaus in die Frankfurter Allee 35/37 in Friedrichshain. Die Briefwahlstelle hat montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr geöffnet (am 21.2. bis 15 Uhr), zusätzlich am Samstag, 15.2. von 8 bis 14 Uhr. Hier kann die Briefwahl online beantragt werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2025 (auf Seite 1).

Die Qual der Wahl?

Die Direktkandidat*innen aus dem Wahlkreis 82 stellen sich vor

Während mit der Zweitstimme bei Bundestagswahlen vor allem eine Partei gewählt wird, geht es bei der Erststimme um ganz konkrete Personen. Die wohnen in aller Regel der Fälle selbst im jeweiligen Wahlkreis und kennen damit (hoffentlich) auch die Sorgen, Nöte und Bedürfnisse, mit denen man sich dort herumschlägt. Wer das Mandat erringt, ist auch nach der Wahl in gewisser Weise direkter Ansprechpartner für die Bewohner des Wahlkreises.

Wir haben deshalb die Bewerberinnen und Bewerber der wichtigsten demokratischen Parteien aus dem Wahlkreis 82 (Friedrichshain-Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost) gebeten, sich kurz und knapp vorzustellen. Gelegenheiten, die Personen hinter den Steckbriefen kennenzulernen, gibt es insbesondere während des Wahlkampfs reichlich – mehr erfährt man über die Social-Media-Kanäle der Kandidat*innen.

Sven Hoffmeister

Sven HoffmeisterSven Hoffmeister. Foto: Johannes Höhr (Hoehr Media)
Fahrrad –|––––––––– ÖPNV
Tee –––––––|––– Kaffee
süß ––|–––––––– salzig
Couch ––––––––|–– Party
Meer –––––|––––– Berge
TV ––––––––––| Streaming
Name:
Sven Hoffmeister
Alter:
37
Partei:
FDP
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten mit
Besuchen des BKA Theaters oder einem Besuch beim Restaurant Felix Austria.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Kreuzberg hat heute schon eine lebendige Kulturszene und viele kreative Menschen. In 10 Jahren könnte sich das weiter verstärken. Vielleicht wird Kreuzberg noch mehr zu einem Zentrum für Start-ups, Künstler und digitale Unternehmen, die neue Ideen entwickeln und umsetzen.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Kreuzberg – Freiheit leben und lieben – für alle.
Instagram:
@svenforchange

Katrin Schmidberger

Portrait von Katrin SchmidbergerKatrin Schmidberger. Foto: Vincent Villwock / Grüne Fraktion Berlin
Fahrrad –|––––––––– ÖPNV
Tee ––––––––|–– Kaffee
süß –––––––––|– salzig
Couch –––|––––––– Party
Meer ––|–––––––– Berge
TV –––––––|––– Streaming
Name:
Katrin Schmidberger
Alter:
42
Partei:
Bündnis 90/Die Grünen
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten mit:
Im Sommer draußen Chillen mit Freund*innen – im Görli, am Landwehrkanal und auf dem Tempelhofer Feld. Im Winter mit Ausschlafen.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Kreuzberg bleibt bunt, kämpferisch, solidarisch & offen. Jede*r hat ein sicheres Dach über dem Kopf und es gibt soziale Angebote für alle. Innenhöfe, öffentliche Plätze und Dächer sind grün.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Die Häuser denen, die drin wohnen!
Instagram:
@schmidbergerkatrin
Twitter/X:
@kaddinsky
Bluesky:
@katrinschmidberger.bsky.social

Carmen Sinnokrot

Carmen SinnokrotCarmen Sinnokrot. Foto: Anna Spindelndreier
Fahrrad ––––|–––––– ÖPNV
Tee ––––––––––| Kaffee
süß –––––––|––– salzig
Couch ––––|–––––– Party
Meer |–––––––––– Berge
TV ––|–––––––– Streaming
Name:
Carmen Sinnokrot
Alter:
46
Partei:
SPD
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten
spazierend durch den Viktoriapark bei Sonne und mit gutem Kaffee. Oder in einem der vielen kleinen tollen Buchläden.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Wir sind immer noch bunt und eckig, halten zusammen. Die Mieten und die Nazis haben wir in den Griff bekommen.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Kein Fußbreit dem Faschismus!
Instagram:
@carmensinnokrot
Bluesky:
@carmensinno.bsky.social
Mastodon:
@carmen@spd.social

Kevin Kratzsch

Kevin Kratzsch. Foto: Dustin Jobst
Fahrrad ––––––––|–– ÖPNV
Tee ––––––––––| Kaffee
süß ––––––––|–– salzig
Couch ––––––––––| Party
Meer ––|–––––––– Berge
TV ––|–––––––– Streaming
Name:
Kevin Kratzsch
Alter:
42
Partei:
CDU
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten
am Paul-Lincke-Ufer, im Bergmannkiez und in der Markthalle 9.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Als einen der vielfältigsten, lebendigsten und vielseitigsten Stadtteile Berlins. In dem hoffentlich Wohnen bezahlbar ist und man sicher durch die Straßen gehen kann.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Individualität schützen, Innovation fördern, Kreativität erhalten
Instagram:
@kevkratzsch
TikTok:
@kevin_kratzsch

Pascal Meiser

Portrait Pascal MeiserPascal Meiser. Foto: Mathis Dumke
Fahrrad –––––|––––– ÖPNV
Tee |–––––––––– Kaffee
süß ––––––––|–– salzig
Couch ––––|–––––– Party
Meer ––––––|–––– Berge
TV ––|–––––––– Streaming
Name:
Pascal Meiser
Alter:
49
Partei:
Die Linke
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten mit
meiner Fußballmannschaft, der Ü40 der FSV Hansa 07, mit der ich, wenn immer möglich, noch auf Punktejagd in der Altliga-Landesliga gehe.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Ich hoffe sehr, dass dann noch viel von dem rustikalen Charme Kreuzbergs erhalten ist. Aber dafür werden wir uns gewaltig gegen die Macht des großen Geldes zur Wehr setzen müssen.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Alle gehen nach rechts? Kreuzberg bleibt links: Löhne rauf, Mieten deckeln – dafür kämpfe ich!
Facebook:
@pascalmeiser361
Instagram:
@pascal.meiser.36

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2025 (auf Seite 14).

Heftige Kritik am Kreisverband

Canan Bayram begründet Rückzug

Hans-Christian Ströbele schiebt sein Fahrrad, daneben Canan BayramCanan Bayram (hier mit Amtsvorgänger Ströbele) will nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Foto: Grüne Fraktion Berlin, Oliver Feldhaus

Nach der Ankündigung von Katrin Schmidberger, bei der kommenden Bundestagswahl als Grüne Direktkandidatin für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost antreten zu wollen, hat sich jetzt die derzeitige Amtsinhaberin Canan Bayram zu Wort gemeldet.

»Nach gründlicher Prüfung habe ich mich gegen eine Kandidatur entschieden«, schreibt sie in einem Brief an die Bewohner des Wahlkreises. Ihr werde »immer weniger klar, wofür die Partei Bündnis 90/Die Grünen eigentlich steht«. Im Bundestag habe sie zwar – auch abweichend von der Fraktion – immer ihre eigene Überzeugung vertreten, Debatten würden aber »immer weniger inhaltlich geführt«, sodass es ihr schwerfalle, die getroffenen Entscheidungen nach außen zu vertreten. Die Fraktion nehme »weniger Menschenrechte als po­pu­lis­ti­sche Diskurse in den Fokus ihrer Arbeit«. So laufe sie Gefahr, lediglich als »Feigenblatt« zu fungieren. Bei den Debatten zum umstrittenen Sicherheitspaket gehörte Bayram dann auch zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes der Grünen-Basis an die eigene Parteispitze, die den Kurs in Sachen Asylpolitik scharf kritisiert.

Bayram kritisiert indessen nicht nur Parteispitze und Bundestagsfraktion, sondern geht auch mit ihrem eigenen Kreisverband ins Gericht. »Der bündnis-grüne Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg hat sich stark verändert und ist nicht mehr so in dem Wahlkreis vernetzt, wie er es früher war und wie es für meine politische Arbeit notwendig wäre«, heißt es in dem Brief weiter. »Die Gewähr für diskriminierungsfreie politische Arbeit kann vom Geschäftsführenden Ausschuss nicht geleistet werden und damit ist eine für mich notwendige Voraussetzung nicht mehr gegeben. Ich unterstütze keine der Kandidaten bzw. Kandidatinnen und werde den Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg nicht im Wahlkampf unterstützen.«

Canan Bayram sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag. Wie ihr Vorgänger Hans-Christian Ströbele, der das Mandat seit 2002 innehatte, war sie damit zunächst die einzige direkt gewählte Abgeordnete ihrer Partei.

Dass Bayram nicht mehr antreten will, war bereits seit einiger Zeit bekannt, die massive Kritik an der eigenen Partei überrascht jedoch – auch in Anbetracht der Tatsache, dass ihre designierte Nachfolgerin Katrin Schmidberger vergangenen Monat noch versichert hatte, parteiintern sei »alles schick«. Schmidberger ist von ihrer Partei mittlerweile jedenfalls mit 120 von 194 abgegebenen Stimmen zur Direktkandidatin des Wahlbezirks gewählt worden. Bis zum Ende der Legislatur wird Bayram das Amt weiter ausüben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2024 (auf Seite 7).

Bewerbung um die Grünen-Hochburg

Katrin Schmidberger will in die Fußstapfen von Hans-Christian Ströbele und Canan Bayram treten

Portrait von Katrin SchmidbergerKatrin Schmidberger will für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost antreten. Foto: Vincent Villwock / Grüne Fraktion Berlin

Während es im Rest des Landes nach der Europa- und mehreren Landtagswahlen so schlecht um die Grünen bestellt ist, dass sich der Bundesvorstand der Partei genötigt sah, seinen Rücktritt zum November anzukündigen, geht der Bezirk ohne Weiteres als Grünen-Hochburg durch. Durchgängig seit 2002 gelang es zunächst dem 2022 verstorbenen Hans-Christian Ströbele und seit der Bundestagswahl 2017 Canan Bayram, das Direktmandat im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost zu erringen. Jahrelang war er gar der einzige Grüne Wahlkreis überhaupt.

In diese Fußstapfen möchte nun Katrin Schmidberger treten, die seit 2011 für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt. Nachdem sie zunächst über die Lan­des­lis­te ins Parlament einzog, kandidierte sie ab 2016 erfolgreich als Direktkandidatin für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – und erreichte dabei stets über 40 Prozent der Stimmen.

Hans-Christian Ströbele schiebt sein Fahrrad, daneben Canan BayramDer Wahlkreis ist mit Hans-Christian Ströbele (2002, 2005, 2009, 2013) und Canan Bayram (2017, 2021) fest in Grüner Hand. Foto: Oliver Feldhaus

Bundespolitisch will sich Schmidberger vor allem mit dem Thema Mieten beschäftigen, auf das sie sich schon im Abgeordnetenhaus fokussiert hat. »Wir müssen den Berliner Wohnungsmarkt endlich wieder in faire Bahnen lenken«, erklärt sie. Mit dem Milieuschutz in fast allen Bezirken, mit dem Vorkaufsrecht, dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz und der Genossenschaftsförderung zum Ankauf von Wohnraum habe man zwar schon wesentliche Instrumente zum Einsatz gebracht. Dennoch habe sich die Lage für Mieter*innen weiter zugespitzt. »In den fast 13 Jahren als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses musste ich immer wieder feststellen, dass wir Städte zu oft politisch quasi ohnmächtig sind, Menschen wirklich vor Verdrängung zu schützen und Vermieter*innen zu angemessenem Wohnraum zu verpflichten.« Daher wolle sie die wohnungspolitische Wende gemeinsam mit den anderen Städten erkämpfen. »Wenn Berlin den Mietendeckel nicht selbst machen darf, dann müssen wir ihn für Berlin uns aus dem Bund eben holen.«

Doch zunächst einmal muss sich Schmidberger das Mandat und zuvor die Nominierung innerhalb ihrer Partei sichern. Die derzeitige Mandatsträgerin Canan Bayram war für ein Statement nicht zu erreichen, doch parteiinterne Zwistigkeiten scheint es nicht zu geben. Schmidberger versichert jedenfalls: »Ja, alles schick.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2024 (auf Seite 3).