Kiezblocks – außenrum statt mittendurch

Zahlreiche Initiativen wollen den Durchgangsverkehr aussperren

Wollen keinen Durchgangsverkehr: Gneisenau-Kiezblock-Initiatoren Andreas Langner und Philipp Stiegel. Foto: rsp

Wer sich in den letzten Monaten mit den verkehrspolitischen Maßnahmen in Berlin und im Bezirk beschäftigt hat, dürfte auch immer wieder über den Begriff Kiezblock gestolpert sein. Aber was ist ein Kiezblock eigentlich – und was nicht?

Unter dem Dach des Vereins Changing Cities e.V. haben sich in ganz Berlin Initiativen gegründet, die die Verkehrssituation in ihrem jeweiligen Kiez verbessern wollen. Auch wenn die annähernd autofreien »Superblocks« in Barcelona Pate stehen für die Idee, geht es den Initiativen nicht um so etwas wie flächendeckende Fußgängerzonen.

»Wir sind ja keine Radikalen«, sagt Philipp Stiegel, der für den Gneisenau-Kiezblock, also den Bereich zwischen Blücher-, Schleiermacher-, Gneisenaustraße und Mehringdamm, einen Einwohner*innenantrag vorbereitet hat und derzeit Unterschriften sammelt. »Wir sind nicht grundsätzlich gegen Autoverkehr, sondern gegen motorisierten Durchgangsverkehr.« Von dem gibt es im Kiez reichlich, und das nicht nur in der Zossener Straße, die nach dem Willen der Initiative möglichst bald ihren Status als übergeordnete Straße verlieren soll, damit der Bezirk und nicht der Senat für die Straße zuständig ist. Auch die kleineren Straßen werden gerne als vermeintlich zeitsparende Schleichwege genutzt, insbesondere sobald es auf den Hauptstraßen ein wenig stockt.

Ein Problem seien auch Navigationssysteme, die die kleinen Nebenstraßen als kürzeste Route vorschlagen, ergänzt sein Mitstreiter Andreas Langner. Der hat bereits einen ersten Entwurf erstellt, der zeigt, wie man mit wenigen kleinen Maßnahmen den Durchgangsverkehr fernhalten könnte. Zu den Ideen gehören beispielsweise Dia­go­nal­sperren oder auch Einbahnstraßenregelungen, die den Kiezblock für Autos und Lkw zwar befahrbar, aber eben nicht durchfahrbar machen. Für Rettungsdienste und den 248er-Bus könnte in der Zossener Straße ein versenkbarer Poller installiert werden. In anderen Straßen würden Kraftfahrzeuge gewissermaßen in Schleifen wieder aus dem Kiez herausgeführt. Für den Fuß- und Fahrradverkehr gäbe es keine Änderungen.

Zwei Diagonalsperren, ein versenkbarer Poller – so einfach könnte der Durchgangsverkehr aus dem Kiez genommen werden. Illustration: Andreas Langner, rsp

Wieviel nur eine einzige Sperrung ausmacht, zeigte sich, als die Ampel an der Kreuzung Mittenwalder Straße/Blücherstraße errichtet wurde und der nördliche Teil der Mittenwalder zeitweise zur Sackgasse wurde. »Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht«, erzählt Philipp. Obwohl er in der Fürbringerstraße wohnt, bekommt er akustisch mehr vom Verkehr in der Mittenwalder Straße mit, als ihm lieb ist – auch wegen des Kopfsteinpflasters.

Ein anderes Mitglied der Initiative hat in der Solmsstraße die durchfahrenden Autos gezählt. Als vor einiger Zeit wegen einer Bombenentschärfung die Lindenstraße gesperrt war, seien es 40 Kraftfahrzeuge pro Stunde gewesen, an einem normalen Wochentag kam er tagsüber auf 420 pro Stunde.

Tatsächlich gibt der Einwohner*innenantrag, für den 1000 Unterschriften zusammenkommen müsen, allerdings keine konkreten Baumaßnahmen vor, sondern enthält nur die Forderung, einen verkehrsberuhigten Bereich zu schaffen und auf den angrenzenden Straßen für Tempo 30 zu sorgen. Wie das dann genau geschieht, darüber muss die Ende September zu wählende Bezirksverordnetenversammlung (BVV) abstimmen.

Es wird nicht der einzige derartige Antrag sein, weder im Bezirk, noch berlinweit. 180 potentielle Kiezblocks hat Changing Cities in Berlin ausgemacht. In 47 von ihnen gibt es entsprechende Initiativen, zehn davon allein in Kreuzberg sowie weitere drei in Friedrichshain. In der hiesigen BVV treffen die Anträge dabei auf fruchtbaren Boden. Erst Ende Mai wurde die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Viktoriakiezes beschlossen.

Das dürfte auch daran liegen, dass die Forderungen der Kiezblock-Initiativen deutlich weniger invasiv (und preiswerter in der Umsetzung) sind als beispielsweise die umstrittene Umgestaltung des Bergmann- und Chamissokiezes oder die Pläne für die Oranienstraße, in der sämtliche Parkmöglichkeiten auch für Anwohner wegfallen sollen.

Wer die Gneise­nau-Kiezblock-Initiative kontaktieren oder unterstützen möchte, erreicht die Initiatoren per E-Mail unter und findet sie auf Twitter.

Eine ausführliche Darstellung der Forderungen und einen »Faktencheck« zu Vorbehalten gegenüber dem Vorhaben, hat Changing Cities unter kiezblocks.de/konzept veröffentlicht.

Die meisten Brunnen sind kaputt

Mitten in der Jahrhunderthitze macht Kiez und Kneipe den großen Schwengelpumpentest

Seltene Glücksmomente für Bienenschützer und die Freunde von Straßenbäumen: Das Wasser fließt! Hier an der Ecke Schleiermacher- / Blücherstraße. Foto: ksk

Unauffällig stehen sie am Gehsteigrand. Wer nicht bewusst auf sie achtet, sieht sie oft gar nicht. Wahre Kunstwerke sind darunter, zum Beispiel die alten Lauchhammerpumpen aus dem 19. Jahrhundert mit dem Fischkopf, dem Drachenkopf oder dem Pelikan. Berlin hat einen großen Schatz: Es sind an die 2000 von der öffentlichen Wasserversorgung unabhängige Straßenbrunnen.

Die Idee mit den Pumpen geht auf den Großen Kurfürsten zurück, der 1666 »für Berlin und Cölln die Ordnung feststellte, welche bei der Benutzung und Unterhaltung der öffentlichen Straßenbrunnen beobachtet werden sollte«, wie der Historiker Ernst Fidicin später berichtete. Heute existieren in Kreuzberg noch rund 100 und in Friedrichshain knapp 50 davon.

Sie heißen im Volksmund »Plumpe«, liefern nur Brauchwasser und dienen in Zeiten, in denen das Trinkwasser auf Knopfdruck sprudelt, als eine Art Notwasserversorgung für Krisenfälle. Etwa die Hälfte gehört dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die andere dem Land.

Natürlich können Kinder an so einer Pumpe auch wunderbar herumplanschen. Und sie könnten die Geheimwaffe gegen trockene Sommer, gegen dürstende Straßenbäume und dahinwelkende Wildblumen sein. Wenn, ja wenn die wunderbaren Pumpen nur funktionieren würden. Denn das tun sie häufig nicht.

Mitten in der Jahrhunderthitze hat die KuKden großen Plumpentest gemacht. Im engeren Verbreitungsgebiet existieren laut Plan 34 solcher Pumpen. Zwei davon wurden ohnehin entfernt. Von den übrigen 32 Straßenbrunnen spenden lediglich elf frisches Wasser. Die restlichen 21 sind versiegt.

Wie Pumpe Nummer 4 am Marheinekeplatz. »Die ist schon lange kaputt«, klagt eine Frau, die auf dem Flohmarkt einen Stand mit Playmobilfiguren betreibt. »Wenn Touristen kommen, sag ich immer: Pass auf, sonst fällt dir der Schwengel noch auf den Kopf!« Nummer 52 am Chamissoplatz war ein Jahr lang tot, jetzt geht sie wieder. »Aber die ist so schwergängig, dass ich immer Leute zum Helfen brauche«, beschwert sich eine Frau, die dort Blumen einpflanzt.

Der Pumpentyp »Lauchhammer I« von 1895 mit dem berühmten Fischmaul. Hier vor der Nostitzstraße 49. Foto: ksk

Laut Bezirksamt kostet die Reparatur einer Pumpe nur zwischen 2000 und 10 000 Euro. Warum werden sie nicht flächendeckend alle wieder in Gang gebracht? Vor allem der Bund lässt sich damit Zeit. Tatsächlich haben beim KuK-Test von den 18 Landesbrunnen im Kiez immerhin acht, von den 14 Bundesbrunnen aber nur drei funktioniert.

Es sei in den letzten Jahren ein »erheblicher Investitionsstau« entstanden, gibt das Bonner Bundesamt für Bevölkerungsschutz zu. Gegen das Wässern von Straßenbäumen hat man dort nichts einzuwenden. Allerdings bestehe kein Anspruch auf eine »irgendwie geartete Lieferleistung«.

Derweil hat der Bezirk wieder alle Bürger dazu aufgerufen, angesichts der herrschenden Trockenheit bei der Rettung der Straßenbäume mitzuhelfen. »Jeder Liter zählt«, so Stadtrat Florian Schmidt. Zwei bis drei Eimer pro Baum und Tag sollten es mindestens sein. Woher das Wasser kommen soll, erklärt er nicht. Notfalls eben von der Rentnerin aus dem fünften Stock.

Letzten Sommer wurde noch eine Karte der Schwengelpumpen publiziert. Traut man sich offenbar gar nicht mehr. Hülfe auch wenig genug – die meisten sind ohnehin außer Betrieb.

 

 

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2019.

Der Spielplatz bleibt – die Kritik auch

Lebhafte Infoveranstaltung zum geplanten Bauprojekt in der Blücherstraße

Das Problem ist dasselbe wie vor einem Jahr. Plätze für Therapieeinrichtungen werden mit steigendem Wachstum der Stadt rarer und rarer. Die Mietpreiserhöhungen führen laut Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler (DIE LINKE) immer häufiger dazu, dass Plätze in sozialen Einrichtungen wegfallen. Um dem entgegenzuwirken, planen die sozialen Träger »Jugendwohnen im Kiez« und »Vita e.V.« ein Gebäudeensemble in der Schleiermacher- und Blücherstaße, um den nötigen Wohnraum selbst zu schaffen.

Doch als vor knapp einem Jahr in der Heilig-Kreuz-Kirche zum ersten Infoabend über das Bauvorhaben geladen wurde, forderten die späteren Mitglieder der Nachbarschaftsinitiative »NizKe« den Erhalt des örtlichen Spielplatzes. Dieser sollte nach den ursprünglichen Plänen der sozialen Einrichtungen rund 50 Meter verschoben werden.

Nach mehreren Gesprächen der Initiative mit Baustadtrat Hans Panhoff wurden die Pläne geändert und Ende Mai auf der zweiten öffentlichen Informationsveranstaltung vorgestellt. Dazu hatten Baustadtrat Hans Panhoff sowie die Bauherren Gunter Fleischmann und Roland Schirmer in die Aula des Leibniz-Gymnasiums eingeladen.

Die Kritik an dem Bauvorhaben hatte sich jedoch inzwischen weiterentwickelt. Während die Bürgerinitiative »NizKe« ihre Ziele erreichte, bildete sich eine weitere Nachbarschaftsinitiative. Die Gegner des Bauvorhabens kritisierten mangelnde Transparenz während des Planungs- und Genehmigungsprozesses. Das Ziel sei eine rechtskonforme, baum- und klimafreundliche sowie kiezangemessene Bebauung, erklärte die Sprecherin der Initiative, Claudia Bartholomeyczik. Zusätzlich forderte die »Initiative für den Kiezerhalt« eine Aufstellung eines Bebauungsplanes zur Prüfung aller relevanten Belange. In diesem Zusammenhang berief sie sich auf einen BVV-Beschluss aus dem Februar 2016, der das Bezirksamt beauftragt, die Planungen zu überdenken und eine Bürgerbeteiligung einzurichten.

Die urspüngliche Planung (links) sah eine Verlegung des Spielplatzes in den Innenbereich vor. Nach Einwänden der Anwohner soll der Spielplatz (rechts) nun an seinem bisherigen Platz bleiben. Lediglich  seine Spitze wird ein wenig gekappt, dafür wird er etwas breiter.

Foto: pskDie urspüngliche Planung (links) sah eine Verlegung des Spielplatzes in den Innenbereich vor. Nach Einwänden der Anwohner soll der Spielplatz (rechts) nun an seinem bisherigen Platz bleiben. Lediglich seine Spitze wird ein wenig gekappt, dafür wird er etwas breiter. Foto: psk

Den Wünschen der Bürgerschaft sei man nachgegangen, entgegnete Baustadtrat Hans Panhoff. Er plädierte nach Rücksprache mit dem Baukollegium für angemessene städtebauliche Formen und »günstigere Verteilung der Baukörper und Baumassen«. Dieser Prozess sei zwar nicht ganz konfliktfrei gewesen, jedoch sei man sich darüber einig, dass sich die Überarbeitung gelohnt habe.

Die neuen Pläne berücksichtigen nun den Erhalt des Spielplatzes sowie des davor liegenden »kleinen Stadtplatzes«, wie Panhoff den verbreiterten Gehweg mit seinen Parkbänken bezeichnete. Zusätzlich wurde die Höhe der geplanten Gebäude auf maximal 18 Meter begrenzt. Dies entspricht in etwa vier Altbau-Stockwerken.

Einen Bebauungsplan soll es jedoch nicht geben. Eine informelle Bürgerbeteiligung wäre nach Aussagen Panhoffs durch die Infoveranstaltung gewährleistet. Weiterhin sollten dieser und zukünftige Info­abende genutzt werden, um Wünsche zu Änderungen an dem Bauvorhaben zu äußern.

Im Anschluss an die offiziellen Satements entspann sich eine lebhafte Diskussion über das Für und Wider des Bauprojektes. Die Gegner des Projekts konzentrierten sich dabei in erster Linie auf Anwürfe gegen die Bauverwaltung. Jedoch legte sich im Verlauf des Abends zunehmend die Kritik an dem sozialen Bauvorhaben. Ganz verstummt ist sie indes nicht. Und nachdem Hans Panhoff schon weitere Informationsveranstaltungen zu diesem Thema angekündigt hat, dürfte es noch den ein oder anderen turbulenten Abend geben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2016.

Kühler Karneval-Neustart

Fehlende Klos lassen Besucher verzweifeln

In nahezu letzter Minute war im vergangenen Jahr der Karneval der Kulturen vor dem Aus gerettet worden. So war 2015 die Handschrift des neuen Veranstalters noch nicht erkennbar. 2016 sollte nun den wirklichen Neuanfang markieren.

Musikalischer und grüner sollte vor allem das Straßenfest werden. Mit dem neuen Veranstalter war auch die Hoffnung verbunden, dass die Kommerzialisierung, die in den letzten Jahren auf dem Blücherplatz stetig zugenommen hatte, ein wenig eingedämmt werden würde.

Der »Grüne Bereich« beim Straßenfest gehörte zu den Neuerungen des neuen Veranstalters.

Foto: pskDer »Grüne Bereich« beim Straßenfest gehörte zu den Neuerungen des neuen Veranstalters. Foto: psk

Momentaufnahmen während und nach dem Fest lassen eher darauf schließen, dass die Neuerungen noch nicht richtig angekommen sind, oder dass sich manche Dinge sogar fundamental verschlechtert haben.

Der »Grüne Bereich« führte bei einigen Besuchern zu gewissen Irritationen. So manch einer hatte es noch nicht einmal richtig mitbekommen, dass in der neu hinzugekommenen Baruther Straße und in der Zossener bis zur Blücherstraße eigentlich der Raum für ökologische Angebote sein sollte. Dass dazu auch Fischstände und Bierwagen gehörten, fiel wiederum jenen auf, die die Grüne Meile als solche durchaus erkannt hatten.

Die hölzernen Klo­häuschen kamen zwar pittoresk daher, waren aber offensichtlich auch nicht für jeden als solche zu erkennen. Andere, denen der Sinn und Zweck klar war, gaben unumwunden zu, dass ihnen Dixie-Klos lieber seien. Da wird also noch einige Überzeugungsarbeit auf die Öko-Klobetreiber zukommen.

Doch gerade die Notdurft war ein ganz großes Thema während des Karnevals der Kulturen. Viel zu wenig öffentliche Toiletten habe es gegeben, klagten viele Besucher. Diesem Umstand ist es wohl auch geschuldet, dass die Zahl der Wild- und Baumpinkler sprunghaft angestiegen ist. Selbst die Lücke zwischen zwei parkenden Autos musste so manches Mal als kurzfristige Bedürftnisanstalt herhalten. Hauseingänge, Bäume, Sträucher, Hecken und Zäune – nichts war vor den den Urin­strah­len sicher.

Auch die »Standpolitik« am Tag des große Umzugs warf Fragen auf. So musste ein überraschter und wenig erfreuter Wirt feststellen, dass ausgerechnet unmittelbar vor seinem Biergarten ein Zelt zum Zwecke des Bierausschanks aufgestellt worden war. Früher, so meinte der Wirt, hätten die Veranstalter Rücksicht auf die angrenzende Gastronomie im Kiez genommen.

Frühes Pfingstfest verhagelt Händlern die Geschäfte

Das erweiterte Musikprogramm dagegen stieß bei vielen Gästen auf Zuspruch. Zu den vier großen Bühnen sind nun noch acht kleine Bühnen in Seitenstraßen gekommen.

Allerdings war ein Besuch auf dem Straßenfest nun auch nicht gerade ein Schnäppchen. Der Caipi-Preis, so etwas wie die Preisreferenz des Festes, ist an manchen Ständen inzwischen auf sechs Euro geklettert. Allerdings ließ sich das nicht von jedem das ganze Fest über durchhalten. Überhaupt war es an dem sehr frühen Pfingstfest viel zu kühl und zu feucht, als dass die Straßenhändler voll auf ihre Kosten gekommen wären.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2016.

Karneval wird eine Frage des Geldes

Teilnehmerzahlen gehen zurück

Angetrieben mit Muskelkraft: Dieser Wagen benötigte wenigstens keinen Sprit.

Foto: mrAngetrieben mit Muskelkraft: Dieser Wagen benötigte wenigstens keinen Sprit. Foto: mr

Jahre lang hatte die brasilianische Samba-Formation Afoxé Loni den Umzug zum Karneval der Kulturen angeführt. Letztes Jahr fehlte die gelbweiße Formation. Auch in diesem Jahr hatten Gruppen abgewunken. Das Ganze wird einfach zu teuer.

Auch auf dem Straßenfest herrschte nicht nur ungetrübte Freude. Ein Wirt, der sich zum ersten Mal mit einem Stand am Straßenfest zwischen Blücherstraße und Waterloo-Ufer beteiligte, beklagte, dass er rund 3.000 Euro Verlust mit dem Abenteuer Karneval gemacht habe. Tatsächlich waren die Tage außer dem Sonntag alles andere als straßenfestkompatibel. Regen und Kühle vertrieb die meisten Festbesucher recht schnell wieder vom Ort des Geschehens.

Angesichts des Verlustes und der Standmiete von über 3.000 Euro wird der Wirt nicht wiederkommen. Auch Gruppen mit aufwändigen Kostümen und üppiger Ausstattung werden sich eine Teilnahme wohl zweimal überlegen.

Die Macher der größten Parade in Berlin fordern einen öffentlichen Topf, aus dem wenigstens die Teilnehmer des Umzugs ein wenig gesponsort werden können. Angesichts der Haushaltslage beim Senat und im Bezirk wird dies allerdings ein frommer Wunsch bleiben.

Noch immer ist der Karneval der Kulturen ein gewaltiger Magnet für die Besucher. Alleine der Umzug lockt fast eine Million Zuschauer an. Insgesamt waren die Publikumszahlen eher rückläufig, was jedoch dem Wetter geschuldet war.

Ein wenig Geld gibt‘s für die Teilnehmer ja doch – so sie zu dem Preisträgern gehörten. Bei den Gruppen gewann »Ghana« vor »Deutsch-Kameruner Grasland« und »Dancing Dragon«. Bei den Wagen wurde »Carnee« aus Argentinien und einmal mehr der Neuköllner Wagen »49 Kidz 44« ausgezeichnet.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2013.

Der Kiez hat was auf dem Kasten

Erstaunlich, wie eine kleine Idee plötzlich große Wellen wirft. Erst sollten es ja nur ein paar Kinder aus dem Kiez sein, die ein paar Verteilerkästen in der Mittenwalder Straße verschönern sollten. Inzwischen ist daraus ein ganzes Konzept für den Kiez geworden. Die Presse interessiert sich für das Treiben zwischen Blücher- und Gneisenaustraße. Es sieht nicht so aus, als ob das Projekt in absehbarer Zeit beendet würde. Im Gegenteil. Bunt bemalte ehemals graue Kästen könnten im ganzen Bezirk und vielleicht auch in der ganzen Stadt in Mode kommen. Wenn das passiert, dann hat einer ein Problem – und das ist der Energieversorger Vattenfall. Der ist ob seiner Preispolitik eh nicht besonders hoch angesiedelt auf der Beliebtheitssakala in der Stadt. Er tritt bei Großveranstaltungen gern mal als Sponsor auf, kleinere Projekte werden dagegen arrogant behandelt. Das könnte sich noch rächen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2012.

Bunte Kästen machen Schule

Projekt der MOG61 bekommt ganz neue Dimensionen

Angefangen hatte alles mit einer Idee, die eigentlich in erster Linie die Mittenwalder Straße ein wenig aufhübschen sollte. Mittlerweile hat sich das Projekt der MOG61 so verselbständigt, dass der ganze Kiez bunter wird. Außerdem sind berlinweit die Medien darauf aufmerksam geworden, dass einige graue Verteilkästen von Post und Telekom plötzlich quietschbunt mit allen denkbaren Motiven erstrahlen.

Die ersten Kästen wurden noch von Grundschülern aus der Reinhardswaldschule bemalt. Sie wurden dabei von dem Künstler Andora unterstützt. Im Sommer waren es dann Fünft- und Sechstklässler, die ihre künstlerische Ader an den Kästen erprobten. Und damit noch nicht genug. Die »Nachfolger« kamen aus dem Abiturjahrgang des Leibniz-Gymnasiums, wo das Kastenbemalungsprojekt sogar zum Objekt des Kunst-Leistungskurses geadelt wurde.

Die Vorsitzende des Vereins MOG61, Marie Hoepfner, stellt sich für die Zukunft sogar eine generationsübergreifende Zusammenarbeit vor. Wer jetzt schon dabei ist, ist Rick Ellis, vielen im Kiez bekannt, als früherer Wirt des »Mrs Lovell«. Doch Rick ist auch Künstler, der sich unter anderem auf das Schildermalen versteht, an großen Zeichentrickfilmen mitgewirkt hat, aber auch schon Zirkus- und Schaustellerwagen bemalt hat. Für ein solches Projekt, in dem es darum geht, die Straßenumgebung bunter zu gestalten, ist er nachgerade die Idealbesetzung.

Wenn es nach der MOG geht, dann sollen Rick und Andora nicht die einzigen Künstler sein, die sich an dem Bemalungsprojekt beteiligen. Im kommenden Jahr sollen auch junge Künstler in die Aktion mit einbezogen werden.

Bislang sind 19 Kästen im Kiez bemalt. Sie stehen in der Mittenwalder, der Fürbringer, der Schleiermacher und der Blücherstraße. Doch das soll längst noch nicht alles sein. Schließlich ist Kreuzberg groß und mit der Bemalung in der Gneisenaustraße warten schon die nächsten grauen Kästen auf ihre Verwandlung in ein buntes Kunstwerk.

Nur Vattenfall bleibt stur

Das ist zwar keine übermäßig teuere, aber sehr effektive Art, das Wohnumfeld zu verschönern. Trotzdem gibt‘s das alles nicht umsonst. Unterstützt wird die MOG61 dabei von Malerbetrieb Peter Dietze, der die Kästen grundiert und Farben zur Verfügung stellt.

Doch selbst, wenn die Idee noch weitere Kreise ziehen sollte, wird es trotzdem ein paar graue Flecken geben. Nicht nur Post und Telekom haben Kästen aufgestellt, sondern auch der Stromversorger Vattenfall. Der hat es bislang abgelehnt, seine Kästen bemalen zu lassen. Es wird vermutet, dass er sie als Werbeflächen nutzen will. Zumindest das wird den Kiez auch ein wenig bunter machen. Allerdings stellt sich die Frage, ob das dann so farbig und fidel wird, wie die jetzige Bemalung.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2012.

Bau auf, Bau auf

Baustellen legen Verkehr in Kreuzberg lahm

Hier baut der Bund: Baustelle Gneisenau.

Foto: piHier baut der Bund: Baustelle Gneisenau. Foto: pi

Selbst das Bauamt hat es inzwischen wohl aufgegeben und den Überblick über die Baustellen verloren. Eine Liste gibt es jedenfalls nicht. Nur soviel ist klar: Die Bauorgie im Bezirk wird noch einige Wochen weitergehen.

Ärgerlich ist es für die Autofahrer vor allem, wenn sie in Ost-West-Richtung unterwegs sind. Die drei Magistralen Gitschiner/Skalitzer, Urbanstraße und Gneise­nau­straße sind alle unterschiedlich von Baustellen betroffen. Es nützt also nicht besonders viel, von der einen auf die andere auszuweichen.

Hart hat es die Bewohner rund um den Südstern getroffen. Seit gefühlten fünf Jahren wird da nun gebaut. Grund war der Umbau des U-Bahnhofs. In den letzten Jahren waren sogar Karneval der Kulturen und der Berlin-Marathon immer wieder gezwungen gewesen, ihre angestammten Routen zu verändern. Endlich, so schien es, war ein Ende abzusehen. Die Anlagen nördlich der Kirche waren frisch eingesät, die letzten Bagger verschwunden, und dann kamen schon die nächsten. Jetzt wurde die Fahrbahndecke im Zuge der Stra­ßen­sa­nie­rung erneuert.

Inzwischen ist auch die Zufahrt zur Blücherstraße blockiert, womit eine weitere Ausweichmöglichkeit, dem zwangsläufigen Stau in der Gneisenau zu entkommen, genommen ist.

Immerhin outet sich der Übeltäter an der Gneisenau sehr klar. Hier baut nämlich die Bundesregierung, die dem staunenden Autofahrer mehr oder weniger aufdringlich auf einem Schild klarmacht, dass die Gelder aus dem Konjunkturpaket II gerade in der Gneisenaustraße verbuddelt werden.

Wenn diese Gelder ihre segensreiche Wirkung getan haben werden, dann wird der Verkehr wunderbar und ungestört durch die Gnei­se­nau­straße rollen? Von wegen. Die BVG saniert derzeit die Tunnel der U7, und das bleibt auch nicht ganz ohne Auswirkungen auf den oberirdischen Verkehr.

Wer sich dem Ost-West-Chaos entziehen will, der kann es ja einfach mit einer Nord-Süd-Verbindung versuchen. Auf der Baerwald- und Prinzenstraße kommt er allerdings auch nicht besonders weit. Auch hier wird seit Wochen gebaut. Dann nichts wie raus aus der Stadt, am besten über die Stadtautobahn, doch um dorthin zu kommen, muss der Autofahrer erstmal den Engpass auf dem Tempelhofer Damm passieren.

Bleibt noch die U-Bahn zu benutzen. Aber bitte nicht die U1. Zwischen Warschauer Brücke und Kotti gibt es Schienenersatzverkehr. Vorausgesetzt, der Bus steckt nicht im Stau fest.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.