So kann es gehen

Dass die Grünen die geplatzen Koalitionsverhandlungen noch teuer zu stehen kommen könnten, ist ja nun keine sehr weltbewegende Erkenntnis. Dass es aber den grünsten Bezirk gleich so heftig erwischen würde, ist nun schon bemerkenswert. Zugegeben, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird, aber das Süppchen, das der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit da für das Kreuzberger Bezirksamt zusammengerührt hat, ist ziemlich  vergiftet. Ob und wie der Bezirk es auslöffeln wird, bleibt erst einmal dahin gestellt. Dem Bezirk soll die Amerika-Gedenkbibliothek geschenkt werden. Nun darf er damit aber nicht tun und lassen, was er will. Er muss das Gebäude für Bildung und Kultur nutzen. Niemand hat in Kreuzberg etwas dagegen. Nur, diese Frage drängt sich förmlich auf, woher soll das Geld kommen? Für das Gebäude in der Breitestraße soll eine solche Auflage nicht gelten. Das darf ein privater Investor kaufen. Merkwürdige Unterschiede.

Eine andere Frage ist dagegen sehr hypothetisch. Wäre das wohl genauso gelaufen, wenn die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen nicht gescheitert wären? Natürlich wollte Wowereit seine Bibliothek, und er wollte sie auf dem Tempelhofer Feld. Mit Kreuzberger Lokalpolitik hat das zunächst rein klein gar nichts zu tun. Aber dem lautesten A 100-Kritiker bei den Grünen, Dr. Franz Schulz,  so  im Vorbeigehen noch richtig eine überzubraten, konnte sich der Regierende dann offenbar doch nicht verkneifen. Es scheint fast, als habe Wowereit Schulz auf Mark und Pfenning zeigen wollen, wie teuer sein Nein zur A 100 war.

Vier gegen Ströbele

Kiez und Kneipe lädt Bundestagskandidaten zum Redaktionsgespräch ein

Die Klage, dass dem Bundestagswahlkampf die großen Themen fehlen, mag ja bundesweit berechtigt sein. Doch Kandidaten treten schließlich auch in einem Wahlkreis an, den sie im Erfolgsfall im Bundestag vertreten sollen. So gesehen gibt es natürlich in Kreuzberg eine ganze Menge Themen, mit denen Bundestagskandidaten konfrontiert werden können.

Bereits vor vier Jahren hatte die KuK alle Kandidaten der im damaligen Bundestag vertretenen Parteien zu öffentlichen Redaktionsgesprächen eingeladen. Alle waren dieser Einladung gefolgt. So auch in diesem Jahr, vor einem Wahlkampf, der zumindest in Kreuzberg einige Spannung verheißt.

Da ist zunächst einmal Hans-Christian Ströbele. Der einzige Grüne, der je durch ein Direktmandat in den Bundestag eingezogen ist, gilt nicht nur den Grünen inzwischen als Ikone. Bundesweit eher als kritischer Nachfrager in heiklen Untersuchungsausschüssen bekannt, ist er auch im Kiez sehr präsent. Ob als Vermittler im McDonaldsstreit, als Schlichter am Kotti oder als Mutmacher bei der Paddelparade. An Kreuzbergs bekanntestem Radler kommt kaum einer vorbei.

Das ist auch den anderen Parteien klar, die dieses Mal ausnahmslos Parteiprominenz ins Rennen schicken.

Die SPD setzt auf Björn Böhning. Der einstige Juso-Vorsitzende ist Sprecher der Partei-Linken und leitet in der Senatskanzlei das Grundsatzreferat. Er kann sich also der besonderen Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit sicher sein.

Die Mitbegründerin von Bündnis 90 ist heute bei der CDU. Mit der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld will die Union in Deutschlands grünstem Wahlbezirk Punkte machen. Mit einem überraschend guten Listenplatz ausgestattet könnte ihr auch ohne Sieg der Sprung in den Bundestag gelingen.

Ein wenig pikant wirkt der Fall FDP. Für sie kandidiert im Wahlkreis kein geringerer als der Landesvorsitzende Markus Löning. Der sitzt bereits im Bundestag und wäre wohl als Spitzenkadidat auf der Landesliste wieder gewählt worden. Doch diesen Platz hat ihm der Berliner Fraktionsvorsitzende Markus Lindner erfolgreich streitig gemacht. Löning verzichtete auf einen Listenplatz und kämpft nun tapfer als Direktkandidat.

Halina Wawzyniak kann es zwar in Sachen lokaler Prominenz nicht ganz mit ihrer Vorgängerin, der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer aufnehmen, doch innerhalb der Linken spielt die Justitiarin der Bundestagsfraktion eine gewichtige Rolle. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende und Bezirksvorsitzende von Friedrichshain-Kreuzberg.

11.08. 19h Cantina Orange Markus Löning (FDP)
12.08. 18h Brauhaus Südstern Vera Lengsfeld (CDU)
18.08. 19h Too Dark Hans-Christian Ströbele (B90/Grüne)
24.08. 19h Mrs. Lovell Halina Wawzyniak (Die Linke)
25.08. 18h Gasthaus Valentin Björn Böhning (SPD)

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2009.