Über den Dächern von Kreuzberg

Die KuK geht in die Luft

Wir ahnten es schon immer: Kreuzberg ist gar keine Scheibe, sondern eine Kugel. Foto: rsp

Gut zwei Jahre ist es her, als in der Redaktion der Kiez und Kneipe das erste Mal das Bedürfnis aufkam, hoch hinaus zu gelangen, wohlgemerkt nicht selbst, sondern mit einer Kameradrohne. Doch auch wenn das damalige Experiment zwar für ein Selfie aus der Luftperspektive reichte, erwies sich der chinesische Quadrokopter aus dem Elektronikversand leider als relativ schwer steuerbar, so dass aus den damals versprochenen Luftbildern von Kreuzberg vorerst nichts wurde.

Zum Glück hat sich die Technik weiterentwickelt. Anfängerdrohnen, die mittels GPS ihre Position halten und außerdem noch erstaunlich sehenswerte Fotos und Videos abliefern, sind für wenige hundert Euro zu haben. Und so geht unser Drohnenexperiment in die zweite Runde – das Ergebnis ist auf der Mittelseite der August-Ausgabe zu bewundern. Hier gibt es außerdem eine interaktive Panoramatour sowie weitere Bilder von Kreuzberg aus der Vogel- bzw. Drohnenperspektive.

Aber ist das alles eigentlich erlaubt? Kommt drauf an. Seit spätestens Anfang des Jahres muss jedes unbemannte Flugobjekt ein Kennzeichenschild tragen, das den Halter identifiziert, zumindest sobald das Gerät eine Kamera hat. Außerdem muss zwingend eine Haftpflichtversicherung her – vor allem bei älteren Privathaftpflichtpolicen sind Drohnenflüge oft nicht oder nur unzureichend abgedeckt. Überdies muss der »Fernpilot« – ja, so heißt das – eine Art Führerschein machen, wenn die Drohne über einem bestimmten Mindestgewicht liegt.

Und überall ist das Fliegen natürlich auch nicht erlaubt: So gelten Mindestabstände beispielsweise zu Bundesstraßen, JVAs, Bundeswasserstraßen, Krankenhäusern und natürlich zu Flughäfen. Und dann ist da noch die Flugbeschränkungszone ED-R 146, die private Flüge innerhalb eines 3-Seemeilen-Radius rund ums Reichstagsgebäude (und damit quasi in ganz Kreuzberg) faktisch komplett verbietet. Auch wir mussten unsere Flüge in Kreuzberg beim Lagezentrum der Berliner Polizei anmelden, um sicherzustellen, dass nicht eine Demo, ein Staatsbesuch oder irgendein anderer Polizeieinsatz gestört wird. Ganz schön viel Aufwand für ein paar Fotos und Videos, aber auch verständlich.

»Es ist schon sinnvoll, dass es ein Konstrukt gibt, dass nicht jeder alles machen kann«, muss auch Stefan Müller zugeben. Mit seiner Firma Schwebewerk in der Fidicinstraße erstellt er professionelle Drohnenaufnahmen für Filme und Fernsehserien wie »Fast & Furious 6«, »Bad Banks« oder »Dark«. Doch die seit Anfang des Jahres geltende EU-Drohnenverordnung und die Novellierung der Luftverkehrs-Ordnung stellen den Berufsfernpiloten vor große Herausforderungen. Während die für Hobbypiloten relevante »Open«-Kategorie jetzt zwar einigermaßen nachvollziehbar geregelt ist, haben sich die Bedingungen für größere und schwerere Drohnen, die in der Nähe von Menschen oder Wohngebieten geflogen werden sollen und damit in die Kategorie »Specific« fallen, verkompliziert. Gab es früher zumindest ein eingespieltes System, nachdem sich Aufstiege außerhalb allgemeiner Erlaubnisse einzeln beantragen ließen, so ist der bürokratische Aufwand nun so stark gewachsen, dass sich aktuell schlicht keine Einzelanträge für Filmproduktionen realisieren lassen.

Von einer Behörde bekam Müller den Rat: »Fliegen Sie doch in der ‚Open‘-Kategorie.« Doch damit sind keine innerstädtischen Flüge möglich: Ab 250 Gramm Startgewicht ist faktisch Schluss, wenn Aufnahmen in Wohngebieten gemacht werden sollen, selbst dann, wenn ohnehin der ganze Block für Filmarbeiten gesperrt ist. Die größte Schwebewerk-Drohne wiegt aber mindestens 50 Mal so viel und ist dafür ausgelegt, eine digitale Filmkamera wie die Arri Alexa Mini zu transportieren, die je nach verwendetem Objektiv ebenfalls etliche Kilogramm auf die Waage bringt.

12,5 Kilo bringt die größte Drohne vom Schwebewerk auf die Waage – und kann nochmal so viel Nutzlast tragen. Foto: rsp

In Sachen Filmdrohnen ist Stefan Müller gewissermaßen ein Veteran. 2010 baute er seine erste Drohne, die eine Canon EOS 5D (eine digitale Spiegelreflexkamera, die damals häufig für kleinere Produktionen eingesetzt wurde) nicht nur tragen, sondern eben auch ansteuern konnte. Die Aufnahmen waren so sensationell, dass sich die Produktionsfirma, für die er damals als Kameraassistent arbeitete, kaum vor Aufträgen retten konnte. Insbesondere die Werbebranche entdeckte die Luftaufnahme als neuen Gold-Standard. Im Kinobereich wurde zunehmend mit Digitalkameras gedreht, und als Müller 2011 den weltweit ersten Multikopter baute, mit dem sich die frisch erschienene Red-Epic-Kamera am Filmset einsetzen ließ, sprangen auch immer mehr Filmproduktionen auf den Zug auf. Heute kommt kaum ein Film ohne Drohnenaufnahmen aus.

Eine Ende ist kaum in Sicht: Von den gut 430.000 Drohnen, die laut Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft in Deutschland umherfliegen, werden deutlich über 10 Prozent kommerziell genutzt, Tendenz steigend. Der Markt für private Drohnen scheint dagegen weitgehend gesättigt zu sein, vielleicht auch, weil sich herumgesprochen hat, dass es gewisse Regularien gibt, an die man sich halten muss. Wer das Einhalten von Gesetzen nicht grundsätzlich scheut, kann heute aber verhältnismäßig preiswert in ein spannendes Hobby an der frischen Luft einsteigen. Die neue »Aerial Unit« der KuK bleibt jedenfalls dran.

Hier gibt’s mehr Luftbilder von uns zu sehen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2021.

Mühlenhaupt zu Gast bei Schinkel und Schadow

Außergewöhnliche Ausstellung im Sockel des Nationaldenkmals

Man kommt in diesem Jahr in Kreuzberg nicht wirklich vorbei an dem kleinen Mann mit dem roten Hut. Das könnte daran liegen, dass der Milieumaler, Trödler und Kneipier Kurt Mühlenhaupt in diesem Jahr 100 geworden wäre. Und natürlich auch daran, dass Mühlenhaupts Witwe Hannelore, die seit dem vorigen Jahr in der Fidicinstraße das Kurt-Mühlenhaupt-Museum leitet, mit viel Energie und Herzblut unterwegs ist, um die Erinnerung an »Kurtchen« und sein Werk zu pflegen und für die Menschen zugänglich zu machen.

So sind in 2021 gleich drei Ausstellungen ge­plant. Die erste wird am 4. Juni – coronabedingt im kleineren Kreise – eröffnet und feiert neben dem des Künstlers gleich noch zwei weitere runde Geburtstage – den hundertsten des Bezirks Kreuzberg und den zweihundertsten des Nationaldenkmals auf dessen namensgebender Anhöhe im Viktoriapark.

Das Gewölbe unter dem von Karl Friedrich Schinkel entworfenen neugotischen Gusseisen-Denkmal beherbergt normalerweise lediglich Fledermäuse sowie das Lapidarium des Landes Berlin – lapidar gesagt also ein Depot von Skulpturen, Fresken und anderen steinernen Kunstwerken größtenteils aus der wilhelminischen Epoche, für die derzeit anderswo im Stadtbild gerade kein Platz ist.

Wie findet sich denn in solch verstaubt-illustrer Gesellschaft das humorvoll-bunte Werk des unangepassten Malerpoeten zurecht? Ganz famos funktioniert das, wie man anhand des auf YouTube veröffentlichtem Teaser-Videos bereits erahnen und vom 4. Juni bis 1. August immer dienstags bis sonntags zwischen 14 und 19 Uhr mit eigenen Augen erleben kann und sollte.

Tickets können online für den gewünschten Zeitslot gebucht oder an der Tageskasse erworben werden. Da das Gewölbe auch im Hochsommer nicht über 15 Grad warm wird, ist angemessene Kleidung angeraten. Die Eintrittskarte (6€ / 5€ / Kinder bis 14 frei) gilt am gleichen Tag auch für das fußläufig entfernte Mühlenhauptmuseum in der Fidicinstraße 40.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2021.

O sole mio!

Willkommen auf der Sonnenseite

Viele Menschen verlassen dieser Tage – vernünftigerweise – kaum mal die eigenen vier Wände, außer um einzukaufen oder sich vielleicht die aktuelle Ausgabe der Kiez und Kneipe (die es übrigens auch online gibt!) vor der Redaktion abzuholen. Und wenn man so aus dem Fenster schaut, dann wirkt das trübe Wetter auch nicht gerade einladend für längere Aufenthalte im Freien. Kaum mal scheint die Sonne für mehr als ein paar Stunden am Tag. Und doch ist sie da und der Erde näher als im Hochsommer – nur, dass sie derzeit vor allem die Südhalbkugel anstrahlt.

Wir wollen Euch trotzdem ein wenig Sonne in die Wohnungen zaubern und widmen unsere Mittelseiten diesen Monat dem Thema Sonne. Die Illustrationen stammen übrigens von der Pop-Art-Künstlerin Tutu, die mit ihrem Atelier »Tutus Welt« in der Mittenwalder Straße seit neuestem auch »Kunst to go« anbietet.

Jetzt aber viel Spaß mit unseren Sonnenseiten!

Sonne, Mond und Sterne

Zwischen Sonnenkult und Astronomie

Sonnengott Huitzilopochtli in einer Darstellung aus dem Codex Telleriano-RemensisSonnengott Huitzilopochtli in einer Darstellung aus dem Codex Telleriano-Remensis.

Als universellem Energielieferanten kommt der Sonne eine existentielle Bedeutung für das Leben auf der Erde zu. Das war auch schon älteren Kulturen klar, und so ist die Liste der Sonnengottheiten lang und unübersichtlich, auch weil viele frühe Religionen sowohl Sonnen- als auch Lichtgottheiten verehrten und andere Aspekte (Krieg, Feuer …) mit der Sonne assoziierten. Oft spielt auch die Dualität zwischen Tag und Nacht, Licht und Schatten oder eben: Sonne und Mond eine wichtige Rolle, etwa beim aztekischen Sonnengott Huitzilopochtli, der beinahe einem Anschlag seiner Schwester, der Mondgöttin Coyolxauhqui zum Opfer gefallen wäre (sich aber bitter rächte).

Mit dem Aufkommen und der Ausbreitung monotheistischer Religionen verloren Sonnenkulte zunehmend an Bedeutung, doch ihre Spuren sind noch an vielen Stellen zu bemerken – am offensichtlichsten sicherlich bei der Festlegung des Weihnachtsdatums auf den damaligen kalendarischen Tag der Wintersonnenwende.

Nachdem sich die meisten Menschen auf der Welt einig waren, dass weder Erde noch Sonne Scheiben sind, gehörte zur Geschichte des Verhältnisses zwischen Mensch, Sonne und Religion bald die Frage, ob sich die Sonne um die Erde oder die Erde um die Sonne dreht. Inzwischen wissen wir, dass die Erde die Sonne umkreist (und der Mond die Erde) und dass die Sonne eigentlich bloß ein Stern unter vielen ist. Allein im (theoretisch) beobachtbaren Universum gibt es etwa 70 Trilliarden Sterne, von denen die Sonne uns allerdings mit Abstand ab nächsten ist: Die nächste »Sonne«, Proxima Centauri, ist etwa 268584-mal so weit entfernt.

Sonne im Kiez

Sonnenuhr an einer HauswandExakt 14:24 hätte die riesige Sonnenuhr an der Brandmauer Nostitz- Ecke Riemannstraße angezeigt, wenn die Sonne zum Zeitpunkt des Fotos nicht just hinter einer Wolke verschwunden wäre. Foto: psk
Eingang einer Eckkneipe mit dem Namen »Zur Sonne«Sehr beliebt ist die Sonne als Namensgeberin für gastronomische Betriebe. Die klassische Eckkneipe Kopisch- Ecke Fidicinstraße ist allerdings schon seit Jahren Geschichte – mittlerweile residiert hier der »Weinverein«. Foto: Sludge G / flickr (CC BY-SA 2.0)
Feiernde Menschen auf der AdmiralbrückeEinschlägige Reiseführer schwärmen vom Sonnenuntergang auf der Admiralbrücke. Kein Wunder, dass es hier an Sommer­abenden oft voll und manchmal auch laut wird. Foto: rsp (Archiv)

Vom Aufgang der Sonne …

… bis zu ihrem Niedergang

Noch sind die Nächte länger als die Tage, was mindestens einen Vorteil hat: Wer auf Sonnenaufgänge steht, muss nicht ganz so früh raus. Im Februar geht die Sonne bei uns zwischen 7:49 Uhr am 1. Februar und 6:58 Uhr am 28. Februar auf. Dank dichter Bebauung ist es gar nicht so einfach, in Kreuzberg einen schönen Blick auf die aufgehende Sonne zu erhaschen. Selbst im Viktoriapark, oben am Nationaldenkmal, kündigt bestenfalls ein in hübschen Pastellfarben langsam heller werdender Morgenhimmel hinter den Silhouetten der Stadt den beginnenden Tag an. Etwas mehr zu sehen ist von den oberirdischen Bahnhöfen der U1 aus, und wer mit dieser bis zum Schlesischen Tor fährt und auf die Oberbaumbrücke schlendert, wird mit einem spektakulären Blick auf die Spree und die Molecule Men vor der aufgehenden Sonne belohnt.

Tatsächlich wird die Vermutung aber kaum trügen, dass ein größerer Teil der Kreuzberger den Nachtschwärmern angehört. Da ist dann eher der Sonnenuntergang gefragt. Das ultimative Sonnenuntergangserlebnis bietet die Admiralbrücke mit dem Blick über den Urbanhafen. Das dürfte zudem der bekannteste Geheimtipp für »Schöne Sonnenuntergänge in Berlin« sein. Hunderte teilen im Sommer das Erlebnis. Der Tag der Tage ist natürlich der 21. Juni. Da verabschiedet sich die Sonne in diesem Jahr am Urbanhafen um genau 21:33 Uhr.

Dreimal Sonnenschein

Die Geschichte der legendären Laugenbrezel

Laugenbrezel auf einer Papiertüte, auf die drei Sonnen gemalt sind, die durch die Öffnungen der Brezel hindurchscheinenWenn es um ein wenig Sonne in der dunklen Jahreszeit geht, darf die Brezel nicht fehlen, denn das Laugengebäck hat der Legende nach sogar viel mit der Sonne zu tun. Im 15. Jahrhundert lebte in Urach am Fuß der Schwäbischen Alb ein Bäcker namens Frieder. Der ließ sich zu einem nicht näher bekannten Frevel hinreißen, auf den der Tod stand. 

Sein Fürst, der noch heute besungene Graf Eberhard im Barte, war bereit, Gnade walten zu lassen und gab Frieder drei Tage Zeit, ein Gebäck zu erfinden, »durch das die Sonne drei Mal scheint«. Doch Frieder fiel nichts ein, bis seine Frau auftauchte, eine energische schwäbische Hausfrau, die sich mit verschränkten Armen vor ihm aufbaute, wohl um ihm die Leviten zu lesen. Da wurde ihm klar, wie das Gebäck beschaffen sein musste. Er schlang den Teig zu der uns heute wohlvertrauten Form und legte sie auf ein Backblech. Doch die Katze des Hauses sauste durch die Backstube, stieß an das Backblech und versenkte den Teig in einer Wanne voll Lauge. Da eh schon alles zu spät war, schob Frieder das Blech mit den durchlaugten Brezeln in den Ofen. Und er tat gut daran. Dem Grafen mundete das Gebäck, durch das die Sonne drei Mal schien, und be­gna­dig­te den Bäcker Frieder wie versprochen.

Sonne für die Ohren

Eine Spotify-Playlist für trübe Tage

Auch in der Musik ist die Sonne von Alters her ein immer wieder gerne genutztes Sujet. Der berühmte Sonnengesang des Franz von Assisi aus dem 13. Jahrhundert (zu dem keine zeitgenössische Melodie überliefert ist) ist da weder das erste, noch das letzte Beispiel.

Wir haben die Themenseite zum Anlass genommen, ein paar Handvoll Stücke aus der populären Musik der letzen 100 Jahre herauszukramen, bei denen samt und sonders in der einen oder anderen Weise die Sonne im Mittelpunkt des Geschehens steht. Zusammengekommen ist ein buntes Potpourri von den Beatles bis Rammstein. Neben ein paar naheliegenden Klassikern mit Reggae-Feeling sind auch der definitiv schwächste Song von Udo Jürgens sowie ein paar weitere übliche Verdächtige und Überraschungen aus Pop, Rock, Punk, Chanson, Swing und Schlager dabei.

Unsere musikalischen Forschungsergebnisse haben wir in eine Playlist beim Streamingdienst Spotify überführt.

Wir wünschen viel Vergnügen mit über 90 Minuten (Tendenz steigend) sonniger Musik!

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2021.

Jugendeinrichtungen müssen bluten

Bezirk hat immer weniger Geld für die Jugendarbeit, aber mehr Aufgaben

Ob das Statthaus Böcklerpark, der Drehpunkt oder der Wasserturm in der Fidicinstraße – sie müssen mit weniger Geld vom Bezirk auskommen. Immerhin, da geht noch was. Anderswo, wie etwa beim Lichtblick, Solms-/ Ecke Fürbringerstraße fallen die Zuwendungen inzwischen ganz weg.

Das kann Monika Herrmann, die auch nach dem Wechsel auf den Chefsessel im Rathaus, die Geschicke des Jugendamtes lenkt, gar nicht gefallen. Allerdings kann sie auch nichts daran ändern, obwohl sie es gern täte. Ihren Ärger über den Senat, den sie für den Schuldigen an der Malaise hält, verbirgt sie nicht.

»86 Prozent unseres Jugendhaushaltes sind sogenanntes Zielbudget. Das muss 1:1 zweckgebunden ausgegeben werden. Nur 14 Prozent sind frei verfügbar«, erklärt sie. Allerdings – so frei nun auch wieder nicht. Beispielsweise wird aus diesen 14 Prozent das gesamte Personal des Jugendamtes bezahlt. Dann werden davon Kinder- und Jugend-Freizeiteinrichtungen finanziert, die Familienzentren und die Jugendsozialarbeit.

Doch was die Bürgermeisterin so richtig wütend macht, ist, dass aus dem inzwischen sehr schmal gewordenen Budget nun auch noch Sonderaktionen des Senats, die Förderprogramme, mitfinanziert werden müssen. »Unsere Gestaltungsmöglichkeiten werden immer weniger«, klagt die Bezirkspolitikerin.

Allerdings hegt Monika Herrmann auch einen bösen Verdacht. Und der reicht weit über die Jugendpolitik des Berliner Senats hinaus. Sie meint nämlich, dass da im Roten Rathaus in Wirklichkeit jemand an einem ganz anderen Rad dreht: »Für mich ist das ein Indiz dafür, dass die Bezirke über kurz oder lang abgeschafft werden sollen.«

Sie sieht auch noch andere Hinweise dafür, etwa, dass immer häufiger einzelne Bezirksämter bestimmte Aufgaben für alle anderen übernehmen sollen.

»Hier gibt es offenbar klare zentralistische Vorstellungen«, glaubt die Bürgermeisterin. Und die müssen Kinder und Jugendliche nun ausbaden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2013.

Mieter raus und Touris rein

Kurze Momentaufnahmen zum Thema Gentrifzierung im Kiez

Gentrifizierung und die Folgen. Foto: psk

Die Gentrifizierung schlägt immer stärker zu. In der Willibald-Alexis-Straße 34 wollen sie sich die Bewohner nun Hilfe beim Regierenden Bürgermeister holen, an den sie sich in einem offenen Brief wenden.

Hier nun einige Beispiel, was gerade in Sachen Gentrifizierung passiert:

Nachdem die Eck-Kneipe »Tabula Rasa« im Chamisso-Kiez vor zwei Jahren nach Verkauf des Hauses und einer heftigen Mieterhöhung schließen musste, werden nun die Räume zu Ferienwohnungen umgebaut. Da Touristen bereit sind, im beliebten Kiez in der Nähe der Bergmannstraße 50 Euro pro Nacht und mehr zu zahlen, werden schnell Gelddruckmaschinen aus Räumen, in denen sich auf Grund der hohen Miete keine Kneipe mehr wirtschaftlich betreiben lässt.

Im Graefekiez ist nun das eingetreten, was angeblich nicht eintreten sollte. Bewohner der Luxuswohnungen im Fichtebunker haben nun gegen den benachbarten Sportplatz geklagt. Gegen den Bau dieser Wohnungen hatte es vor drei Jahren massive Proteste gegeben, weil genau dieses befürchtet wurde.

Die AG Mieten im Graefekiez hat bei ihrem jüngsten Kiezspaziergang festgestellt, dass es auch im Graefekiez starke Tendenzen gibt, Mieter aus ihren Wohnungen zu vertreiben, um sie dann in Eigentums- oder Ferienwohnungen zu verwandeln. Konkrete Fälle haben sie dabei in Böckhstraße, zweimal in der Dieffenbachstraße, in der Graefestraße und in der Grimmstraße ausgemacht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2010.

Rettung in letzter Sekunde

Archiv der Jugendkulturen geht stiften

Was ist der Unterschied zwischen Gothics und Emos? Welche Musik hören Skater? Und wie ist das mit der Jugendkriminalität? Fragen wie diese sind es, die sich hevorragend im Archiv der Jugendkulturen in der Fidicinstraße klären lassen – vorausgesetzt, man ist bereit, sich durch den riesigen Berg von rund 8.000 Büchern, 30.000 Fanzines, 8.000 Schülerzeitungen und 480 Diplomarbeiten zu wühlen. In zwölfeinhalb Jahren ist hier die wahrscheinlich umfangreichste Sammlung zum Thema Jugendkultur entstanden und kann von jedermann kostenlos für Recherchen genutzt werden.

Archivgründer Klaus Farin inmitten der Zeitschriftensammlung. Foto: rsp

Doch obwohl das als Verein geführte Projekt seit Jahren auch einen wichtigen Beitrag für die Forschung leistet und bereits mehrfach für seine Schulprojekte ausgezeichnet wurde, muss es ohne einen Cent Regelförderung auskommen. Nach Bundesfamilienministerin Schröder hat zuletzt auch Bildungssenator Zöllner eine Förderung der Einrichtung abgelehnt. Die laufenden Kosten werden aus Spenden von Mitgliedern, einzelnen Förderern und den Einnahmen des eigenen Buchverlags mehr schlecht als recht getragen, die meisten Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich. Zu Ende Oktober stand deshalb die Entscheidung an, ob man den Mietvertrag verlängert oder das Projekt aufgibt.

Bereits vor einigen Monaten hatte der Verein daher die Gründung einer Stiftung beschlossen. Ziel war es, bis zum 31. Oktober die Stiftungssumme von 100.000 Euro zusammenzubekommen.

Dank der Spendenbereitschaft von Wissenschaftlern, Privatpersonen, Bundestagsabgeordneten aber auch 15-jährigen Schülern und Jugendclubs kamen bis zum Stichtag immerhin knapp 94.000 Euro zusammen. Damit wird es auf jeden Fall weitergehen, so Klaus Farin, Gründer des Archivs. Trotzdem darf natürlich weitergespendet werden. Denn wenn mehr als 100.000 Euro zusammenkommen, hat er auch schon Pläne.

»Wir bekommen ständig Anfragen von Leuten, die ein Freiwilliges Soziales Jahr machen wollen, können uns das aber momentan nicht leisten«, erklärt Farin. Mit dem Geld könnte das Archiv einen FSJ-Platz einrichten.

Sinn der Stiftungsgründung ist vor allem, in Zukunft einfacher an Fördergelder zu kommen, denn die Gesetzgebung erlaubt es, Spenden an Stiftungen einfacher steuerlich abzusetzen. Darüberhinaus genießen Stiftungen aufgrund ihrer Rechtsform ein relativ hohes Ansehen, da Spender sich sicher sein können, dass keine Gelder veruntreut werden.

Viel zu forschen: Meterweise Literatur zu den vielen Aspekten von Jugendkultur ergänzt die Sammlung von Fanzines und Flyern. Foto: rsp

Geld jedenfalls wird das Projekt auch weiterhin benötigen. Denn allein für Miete und Nebenkosten wie Strom und Versicherungen für die 700 Quadratmeter wird monatlich ein Betrag im oberen vierstelligen Bereich fällig.

Neben dem reinen Archivbetrieb, wird in der Fidicinstraße auch selbst zum Thema geforscht. Mit dem »Journal der Jugendkulturen« gibt es eine eigene Fachzeitschrift. Regelmäßig finden in den Räumlichkeiten auch Ausstellungen statt – wie zuletzt die Fotoausstellung »Heimat«, bei der es um Berliner Jugendliche mit verschiedenen kulturellen Hintergründen ging. Darüberhinaus ist das Archiv auch bundesweit unterwegs: Im Rahmen des Projektes »Culture on the Road« werden in Workshops und Projekttagen jugendkulturelle Themen vermittelt. Zielgruppe sind einerseits Schüler, andererseits Lehrer, Sozialarbeiter und Erzieher.

Weitere Infos: www.jugendkulturen.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2010.

Bezirk spart sich Jugend

Freie Träger für Einrichtungen gesucht

Der Bezirk will seine Jugendeinrichtungen loswerden. Bis zum 30. Juni 2010 sollen die insgesamt 55 Mitarbeiter von Zentren wie dem Statthaus Böcklerpark oder dem Wasserturm an der Fidicinstraße in den Stellenpool versetzt werden.

Foto: pskVor nahezu jeder BVV- oder Ausschusssitzung kommt es mittlerweile zu massiven Protesten Foto: psk

So sind zumindest die Vorstellungen der dafür zuständigen Stadträtin Monika Herrmann. Sie verspricht sich dadurch Einsparungen in Höhe von einer Million Euro.

Geschlossen werden sollen die Einrichtungen aber nicht. Vielmehr sollen sie in freie Trägerschaften überführt werden. Doch dagegen regt sich breiter Widerstand über die Parteigrenzen hinaus. So regte zum Beispiel SPD-Kandidat Björn Böhning an, lieber im Bauressort zu sparen. Vor nahezu jeder BVV- oder Ausschusssitzung kommt es mittlerweile zu massiven Protesten gegen die grüne Bezirksstadträtin.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2009.