»Ich habe immer viel das Maul aufgemacht«

Robert S. Plaul traf die LGBTQI-Aktivistin und Kulturvermittlerin Mahide Lein

LGBTQI-Aktivistin und Kulturvermittlerin: Mahide Lein. Foto: rsp

Vielleicht war es die evangelische Erziehung, die Mahide Lein schon als Kind zu so etwas wie einer Kämpferin für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung machte. Denn wenn Jesus alle Menschen gleichermaßen liebte, dann lag es ja nahe, dass auch Mahide einsprang, wenn jemand ungerecht behandelt wurde. »Das hat mich sehr geprägt, mich auch einzusetzen für Tabu-Themen. Und mir war auch oft egal, was andere von mir denken«, sagt sie. »Ich habe immer viel das Maul aufgemacht.«

1949 wird Mahide in Frankfurt am Main geboren, und außer ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn deutet noch wenig auf ihren bevorstehenden außergewöhnlichen Lebensweg hin. Nach der Schule macht sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau, arbeitet auch kurz in dem Job, studiert Politik und Religion. Doch bald fängt sie an, sich in der noch jungen alternativen Szene Frankfurts zu engagieren.

Es ist die Zeit der 68er-Bewegung, die Zeit von Hausbesetzungen, vor allem aber auch die Zeit der Frauen-/Lesbenbewegung. Mahide organisiert ein Kulturcafé für Frauen mit Konzerten, Ausstellungen und Diskussionen. Die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten ist eine Stärkung für ihre eigene lesbische Lebensweise. Sie gründet das erste Lesbenzentrum Frankfurts mit. Es ist auch ein Streben nach Sichtbarkeit in einer Zeit, in der vieles noch tabuisiert ist. »Wir hatten überlegt, ob wir an den Briefkasten ‚Lesbenzentrum‘ schreiben oder ‚L-Zentrum‘«, erzählt Mahide. Überhaupt geht es immer wieder um Tabus – und um Aufklärung. »Es gab damals noch kein Buch über weibliche Sexualität, also ein Aufklärungsbuch für Mädchen. Da war immer nur von Penissen und Kinder zeugen die Rede.«

Wegen der Liebe zieht Mahide 1977 nach Berlin. »Da war ja die Frauen-/Lesbenbewegung noch viel stärker. Es gab 44 Frauentreffpunkte in den 70ern/80ern.« Einer davon ist das »Kaffee Winterfeldt«, das Mahide im Kollektiv in einem von Frauen besetzten Haus betreibt. Später übernimmt sie den Künstlerinnentreff »PELZE-multimedia«, eine Art Nachtclub für Frauen.

1991 bietet ihr Rosa von Praunheim an, im Wechsel mit dessen schwulem TV-Magazin »Andersrum« ein lesbisches Magazin zu machen. Über zwei Jahre entstehen 27 einstündige Sendungen von »Läsbisch-TV«, die im Berliner Kabelsender FAB ausgestrahlt werden, bis der Sender beide Formate absetzt.

Doch Mahide belässt es nicht bei Frauen- und Lesbenthemen und auch nicht bei Berlin. Sie beginnt, auch mit Männern der Queer-Community zu arbeiten, organisiert 1992 den ersten Christopher-Street-Day Russ­lands in St. Petersburg, holt Musiker*innen nach Deutschland, veranstaltet das erste lesbisch-schwule Filmfestival und arbeitet beim Teddy Award, dem queeren Filmpreis der Berlinale, mit.

Der wohl größte Einschnitt in Sachen Horizonterweiterung ist ihre erste Afrikareise, die sie 1996 zusammen mit der Filmemacherin Sue Maluwa Bruce nach Sim­bab­we führt. »Da in Sim­bab­we habe ich angefangen, alle Menschen zu lieben.«

So zieht ihr multikulturelles Engagement, das in ihrer Event-Agentur AHOI-Kultur zusammenläuft, immer weitere Kreise: Mit Lama Gelek, Santrra Oxyd und Nina Hagen veranstaltet sie jahrelang eine Party zum tibetischen Neujahrsfest Losar. Auf der AHOI-Bühne, seit Mitte der 2000er fester Bestandteil des Bergmannstraßenfests bzw. Kreuzberg-Festivals, treten Künstler*innen aus aller Welt auf.

Und »alle Welt« kann man bei Mahide durchaus wörtlich nehmen: Über all die Jahre hat sie mit Menschen aus fast allen Ländern Afrikas und Asiens gearbeitet, mit Latinos und Americans, hat weltweit unzählige Konzerte und Festivals geplant und organisiert. Nur Australien fehlt noch in der Liste – aber das kann ja noch kommen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2024.

Helmut Metzner glaubt nicht an Gentrifizierung

Westerwelles Ex-Büroleiter verteidigt die FDP-Positionen in der Cantina Orange

Helmut Metzner lässt sich vom Blick des KuK-Redakteurs Robert S. Plaul und den kritischen Nachfragen des Publikums nicht beirren.

Foto: csHelmut Metzner lässt sich vom Blick des KuK-Redakteurs Robert S. Plaul und den kritischen Nachfragen des Publikums nicht beirren. Foto: cs

Friedrichshain-Kreuzberg ist ja nun nicht gerade als Hochburg der FDP bekannt. Und so bekundet Direktkandidat Helmut Metzner, er »kandidiere aus Solidarität mit der Idee der Freiheit, damit die Liberalen hier im Bezirk auch einen Ansprechpartner haben.« Immerhin hat er als Vierter auf der Landesliste zumindest bei einem sehr guten Abschneiden seiner Partei in Berlin die Chance auf einen Nachrückerposten.

Der 45-jährige Franke ist studierter Historiker und arbeitet derzeit als selbständiger Politikberater. Zuvor war er einige Monate als Büroleiter von Außenminister Guido Westerwelle tätig gewesen, musste dann aber nach der Wikileaks-Affäre seinen Hut nehmen.

Vor diesem Hintergrund liegt es natürlich nahe, dass die KuK-Redakteure Robert S. Plaul und Peter S. Kaspar im Redaktionsgespräch in der Cantina Orange auch auf das Thema NSA und Edward Snowden zu sprechen kommen. Metzner hätte sich einerseits gewünscht, dass Snowden seine Erkenntnisse vor einem amerikanischen Gericht dargelegt hätte, anstatt sich nach Russland abzusetzen, und hält andererseits dringend Vereinbarungen auf internationaler Ebene gegen die massenhafte anlasslose Datensammlung für nötig.

Kontrovers diskutiert werden Metzners Ansichten zum Thema Mieten und Verdrängung. Den Begriff Gentrifizierung lehnt er ab. Zwar seien die Mieten tatsächlich »in speziellen Kiezen sehr angestiegen«, aber die Herangehensweise, hier mit Verboten von Mieterhöhungen und Luxussanierungen hält er für falsch. Dass immer noch rund 10% der Berliner jedes Jahr umziehen, ist für ihn ein Zeichen dafür, dass es wohl noch genügend freie Wohnungen geben müsse, das sei zum Beispiel in München ganz anders. Er fordert, dass mehr Geld für Wohnungsneubau in die Hand genommen werde, allerdings nicht von staatlicher Seite aus, sondern von privaten Investoren, und dass dabei zugunsten von Wohnraum kein »Recht auf freie Aussicht« das Schließen von Baulücken verhindern dürfe. In speziellen Härtefällen könne ein kommunales Wohngeld, das zum Beispiel durch Einnahmen durch die Grundsteuer finanziert werden könnte, Abhilfe schaffen.

In anderen Fragen sind Metzners Ansichten deutlich kiezkompatibler. So hält er die Residenzpflicht für Asylbewerber für überholt und sieht auch keinen triftigen Grund, warum man Flüchtlingen das Arbeiten verbieten solle.

Das Thema Drogenhandel im Görlitzer Park könne sich von selbst erledigen, wenn der Verkauf von Cannabis ebenso wie der von Tabak staalich geregelt wäre. Davon abgesehen könnten Steuereinnahmen erzielt werden, und die personellen Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden könnten stattdessen für die Verfolgung »echter Krimineller« genutzt werden.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Besuch aus Russland

Gäste des »Pressenetzwerk« besuchen Kiez und Kneipe

UNTER KOLLEGEN: Eine russische Delegation informierte sich bei der KuK darüber, wie ein Kiez-Magazin entsteht. Foto: g

Wie doch die Zeit vergeht. Galt in Zeiten des Kalten Krieges der Spruch: »Die Russen kommen!« als ultimativer Schreckensruf im Kampf der Systeme, so löste diese Ankündigung in der KuK-Redaktion nur freudige Erwartung hervor.

Zum ersten Mal besuchte eine internationale Journalisten-Delegation das Kreuzberger Kiez-Magazin. Organisiert hatte den Besuch der in Bonn ansässige Verein »Pressenetzwerk für Jugendthemen«.

Fünf Journalisten und Journalistinnen aus Nowosibirsk und Moskau informierten sich in der Redaktion von Kiez und Kneipe in der Fürbringerstraße über das Projekt – und staunten nicht schlecht. Ein solches Projekt, so räumten sie am Ende ein, hätten sie nicht erwartet.

Nachdem Chefredakteur Peter S. Kaspar das Blatt und die Idee dahinter vorgestellt hatte, kamen auch schnell die Fragen. Einen jungen Kollegen interessierte es brennend, woher die KuK die Lizenz zum Herausgeben einer Zeitung bekommen habe. Dass es keiner solchen Lizenz bedürfe beindruckte ihn tief.

Es folgten Fragen nach Finanzierung und Vertrieb, aber auch Themenbezogenes wie etwa die Haltung zum Migration und Integrationspolitik. Letzteres mündete in dem spontanen Vorschlag, sich doch zum Karneval der Kulturen im nächsten Jahr wieder zu treffen. Natürlich stieß auch die Schilderung vom größten Multikulturellen Ereignis in Berlin auf großes Interesse und so werden die Kollegen vielleicht ja bald wieder kommen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2010.