Engagiert trotz widriger Umstände

Quartiersrat fordert Sanierung der Friedrichstraße 1 bis 3

Der Garten des F1 lädt vor allem im Sommer zum Verweilen ein. Foto: rsp

Ende Juni hat sich der Quartiersrat des Meh­ring­platzes mit einem Brandbrief an den Senat gewandt. Der Kiez um den Platz habe sich zunehmend zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt. Jugend- und Drogenkriminalität grassierten hier ebenso wie Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen.

»Kaum ein Tag vergeht mehr ohne Polizeieinsatz, bei den Anwohner:innen wächst die Angst«, heißt es in dem offenen Brief. Schon heute habe das Viertel mit seinen rund 5.500 Bewohnern die schlechtesten Einschulungsuntersuchungsergebnisse im ganzen Bezirk. »Viele der hier lebenden Familien wohnen mit 5 bis 9 Personen in 2,5- bis 3-Zimmerwohnungen. Zahlreiche Kinder und Jugendliche im Gebiet verbringen daher ihren gesamten Alltag außerhalb der Wohnung – ohne Geld, ohne Perspektive, voller Wut«, so der Quartiersrat weiter.

Als ganz entscheidenden Punkt zur Wiederherstellung des sozialen Friedens benennt der Brandbrief eine Ausweitung der Kinder- und Jugendarbeit sowie der sozialen Angebote für die Nachbarschaft. Doch die scheitere vor allem an der jahrelang verschleppten Sanierung des Gebäudekomplexes Friedrichstraße 1 bis 3, der die Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung KMA sowie das Stadtteilzentrum F1 beherbergt. Aktuell gehe man von einer Sanierung frühestens 2032 aus.

Der Sanierungsrückstau des 50 Jahre alten Gebäudes ist allgegenwärtig. Foto: rsp

Im F1 wäre man schon froh über eine Instandsetzung. Die war eigentlich ab September 2024 geplant, muss jedoch nach KuK-Informationen mindestens bis Januar verschoben werden, weil die Finanzierung noch nicht steht. Wegen Schimmel und Wasserschäden sind hier bereits seit Längerem einige Räume gesperrt.

Eine unschöne Situation für das Stadtteilzentrum, dessen Konzept gerade darin besteht, Räume für Vereine und nachbarschaftliche Initiativen zur Verfügung zu stellen oder, wie Leiter Matthias Klockenbusch es formuliert, »Ideen, die von außen kommen, groß zu machen.«

Das gelingt dem F1 trotz der widrigen Umstände erstaunlich gut, wie ein Blick in den digitalen Raumplaner offenbart: In den acht derzeit nutzbaren Räumen treffen sich sieben Tage die Woche die verschiedensten Initiativen und Gruppierungen: Ob Chor, Sport- oder Theatergruppe, Mieter-, Frauen- oder Jugendtreffs, Nähgruppe, Repaircafé oder Deutschkurs – das Angebot ist durchaus beachtlich.

Viel Anklang findet die (Kleider-)Tausch­ecke, die vor rund anderthalb Jahren im vorderen »Willkommensbereich« eingerichtet wurde. Im Sommer lädt der riesige Garten zum Verweilen ein, montags bis freitags gibt es ein Nachbarschaftscafé.

Vor allem am Wochenende würde das F1 aber gerne noch mehr anbieten. Wer sich als Verein oder engagierter Nachbar einbringen und eigene Angebote schaffen möchte, findet die Kontaktdaten auf f1­-mehringplatz.de.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2024 (auf Seite 3).

Die Quadratur des Viertelkreises

Städtebauliches Werkstattverfahren für den Block 616 gestartet

Blick vom Mehringplatz nach Nordwesten auf den Block 616. Foto: rsp

Nordwestlich des Mehringplatzes soll ein neues Stadtquartier entwickelt und gebaut werden. Das »Block 616« genannte Areal gehört zum Sanierungsgebiet Südliche Friedrichstadt und wird von der Wilhelmstraße (im Westen), Franz-Klühs-Straße (im Norden), Friedrichstraße (im Osten) und der Friedrich-Stampfer-Straße (im Süden) begrenzt.

Derzeit wird die Fläche dominiert von einem sanierungsbedürftigen Wohnhochhaus-Riegel, den die landeseigene Howoge kürzlich von einem Privateigentümer übernommen hat. Im Süden befindet sich ein wenig genutzter Parkplatz im Besitz der AOK Nordost und im Norden eine überhaupt nicht mehr als solche genutzte Parkpalette auf einem Privatgrundstück.

Insgesamt also viel Platz und viel Potenzial, aber auch viele komplexe Randbedingungen.

Um erstmal die städtebaulichen Möglichkeiten auszuloten, haben das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, die AOK und die Howoge als Kooperationspartner nun gemeinsam ein »zweistufiges städtebauliches Werkstattverfahren mit umfassender Beteiligung« für Block 616 gestartet.

Beteiligt sind auf jeden Fall schon einmal ganze vier Architekturbüros (zwei aus Berlin und je eins aus Zürich und Wien), beteiligt werden soll die Bevölkerung vor Ort, die bereits zu einer ersten sogenannten »StadtWERKSTATT« Anfang Juli 2023 auf dem Dragonerareal eingeladen war, die allerdings, vermutlich nicht nur wegen des warmen Sommerwetters, nicht besonders gut besucht gewesen sein soll, wie die Sanierungszeitung »Südseite« in ihrer Ausgabe 02/23 berichtete.

300 neue Wohnungen sollen im Quartier entstehen

Koordiniert wird das Verfahren ebenfalls von vier unterschiedlichen Akteuren, und am Ende soll ein sechsköpfiges Fachgremium über die Ergebnisse abstimmen.

Der Prozess wird ausgesprochen ausführlich und informativ, wenn auch leider nicht besonders übersichtlich, dokumentiert auf der Webseite »Baustelle Gemeinwohl«. Dort findet sich dann auch eine Zusammenfassung der bisher umrissenen Ziele der Entwicklung. Neben der Vorgabe des Bezirksamts »70% Wohnen, davon 30% belegungs- und mietpreisgebundener Wohnraum« stehen hier auch Klimagerechtigkeit, Erhöhung der Lebensqualität, Sicherheit und die Deckung von Bedarfen auf der Liste.

Bedarfe sind im angrenzenden Quartier bereits jetzt zur Genüge vorhanden. Sei es die Versorgungslücke mit Waren des täglichen Bedarfs seit der Schließung des EDEKAs am Eingang zur Friedrichstraße, seien es die baulichen Mängel und die personelle Unterversorgung der ohnehin bereits überbelegten Schulen im Einzugsgebiet. Das sind keine einfachen Voraussetzungen angesichts der von Bezirk und Land angestrebten zusätzlichen 300 Wohnungen im Block 616.

Hinzu kommt die Problematik, dass der Status der Südlichen Friedrichstadt als Sanierungsgebiet nur bis 2027 gesichert ist – aus diesem Grunde will der Bezirk parallel zum laufenden Verfahren einen Bebauungsplan erarbeiten, damit die Festschreibung der Nutzungsstruktur mit einem hohen Anteil an Wohnraum rechtlich abgesichert ist.

Wer sich informieren und einbringen möchte, kann dies über die Webseite »Baustelle Gemeinwohl« tun. Die nächste StadtWERKSTATT ist für den 12. Dezember angesetzt.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2023.

Ein Ort für Visionen

Der »Pfad der Visionäre« soll ein Zeichen für die Werte und Kulturen Europas setzen

Blick über die Granitplatten des Pfads der Visionäre in Richtung NordenEndlich begehbar: Der »Pfad der Visionäre« wurde eröffnet. Foto: rsp

»Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen« soll Alt-Kanzler Helmut Schmidt einst gesagt haben – »eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage«, wie er 30 Jahre später einräumte. Und schon deshalb ist es nicht das unbelegte Schmidt-Zitat, das den deutschen Beitrag auf dem »Pfad der Visionäre« ziert, sondern der kategorische Imperativ von Immanuel Kant: »Handle stets so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.«

27 »Tafeln der Nationen« à 1,2 Quadratmeter, eine für jedes Mitgliedsland der EU, sind es, die am südlichsten Ende der Friedrichstraße in einer begehbaren Kunstinstallation dazu einladen, über gemeinsame Werte wie Frieden, Völkerverständigung, aber eben auch über die jeweilige kulturelle Identität der teilnehmenden Länder nachzudenken. Getreu dem EU-Motto »In Vielfalt geeint« ist auf jeder der Granitplatten ein Zitat eingraviert, meist das einer herausragenden Persönlichkeit, das gewissermaßen stellvertretend für das kulturelle »Mindset« des Landes steht. Eine Jury, bestehend aus Akteuren aus Politik, Kultur und Wissenschaft, wählte schließlich unter den Einreichungen der Länder aus.

Bereits 2004 hatte der Trägerverein Kunstwelt e.V. mit der Kon­zep­tion begonnen. 2006 war der »Pfad der Visionäre« zunächst als temporäre Installation eröffnet worden, musste dann aber wegen der langjährigen Baustelle der BVG weichen. Die Neugestaltung des Mehringplatzes verzögerte die Umsetzung weiter. Mit der Wiedereröffnung des Platzes Mitte Mai ist nun auch der »Pfad der Visionäre« eingeweiht worden.

Eine weitere Granittafel mit einem Zitat aus der Verfassung der UNES­CO (»Da Kriege im Geiste der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geiste der Menschen verankert werden.«) deutet bereits darauf hin, dass das Projekt mit der Einweihung zwar einen Meilenstein erreicht hat, aber keineswegs ein Ende. Geht es nach Projektleiter Bonger Voges vom Kunstwelt e.V., so soll die Installation zu einem »Pfad der Visionäre der Welt« erweitert werden. Während beim derzeitigen »Pfad« die gemeinsamen Werte der europäischen Länder im Vordergrund stehen, soll die erweiterte Version ein Zeichen für Völkerverständigung und die sich gegenseitig inspirierenden Kulturen auf globaler Ebene setzen.

Neben der UNESCO haben bereits 121 Länder einen Beitrag für das Projekt geleistet, berichten die Initiatoren auf ihrer Website. Offen ist neben der Finanzierung, die beim vorhandenen Projekt zum größten Teil von den Botschaften der Länder und privaten Sponsoren getragen wurde, derzeit auch der Standort. Der Vorschlag von Kunstwelt e.V. ist es, den »Pfad der Visionäre der Welt« als eine Art Verlängerung entlang der gesamten Friedrichstraße bis zum historischen Nordtor, also dem Oranienburger Tor, anzulegen. Noch aber ist die Erweiterung – eine Vision.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2022.

Schwerpunktimpfungen in Kreuzberg an diesem Wochenende

In fünf Kreuzberger Kiezen wird am kommenden Wochenende geimpft. Foto: Tim Reckmann (CC BY 2.0)

Update: Wie das Bezirksamt auf Twitter mitteilt, können sich am heutigen Freitag bis 16:30 Uhr auch Kreuzberger*innen aus anderen Kiezen impfen lassen!

Wir das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mitteilt, sind für das kommende Wochenende Schwerpunktimpfungen für Bewohnerinnen und Bewohner der fünf (ehemaligen) Quartiersmanagementgebieten am Mehringplatz, rund um den Wassertorplatz, am Mariannenplatz, im Bereich Kreuzberg Zentrum/Oranienstraße und in der Werner-Düttmann-Siedlung geplant. Geimpft werden Impfstoffe von Johnson&Johnson und Moderna.

Die Impfungen finden statt von Freitag, den 11. Juni bis Sonntag, den 13. Juni, jeweils von 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr, in der Sporthalle Lobeckstraße (Zugang ausschließlich über die Feuerwehrzufahrt des Sportplatzes in der Ritterstraße (gegenüber der Ritterstraße 36)).

Impfberechtigt sind Personen ab 18 Jahren mit Meldeanschrift in einem der fünf Gebiete (siehe unten). Die Impfberechtigten müssen zum Termin ihren Ausweis, ggf. mit Meldebescheinigung, und idealerweise ihren Impfpass mitbringen. Es werden keine Termine für die Impfungen vergeben. Entsprechend kann es zu langen Wartezeiten kommen. Alle Impfwilligen werden daher gebeten, sich witterungsgerecht zu kleiden, an Sonnenschutz zu denken, ausreichend zum Essen und Trinken mitzubringen sowie, wenn gewünscht, eine Sitzgelegenheit wie einen Klappstuhl. Toiletten stehen zur Verfügung. Die Turnhalle ist barrierefrei.

In den nächsten Tagen soll auch über Aushänge und die soziale Infrastruktur in den Kiezen über die Möglichkeit der Impfung informiert werden. Auf der Webseite des Bezirksamtes sind alle wichtigen Informationen und Antworten auf häufige Fragen zusammengefasst. Zudem ist eine Hotline beim Bezirksamt für weitere Fragen zur Impfung geschaltet, die diese Woche Dienstag bis Sonntag von 9 bis 11 Uhr und 13 bis 15 Uhr unter 030 90298 2352 erreichbar ist. Für allgemeine Fragen zu Corona und Impfungen steht die Hotline des Gesundheitsamtes, Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr, und Samstag von 10 bis 14 Uhr, unter 030 90298 8000 zur Verfügung.

Impfberechtigt sind erwachsene Personen mit folgenden Meldeadressen:

Gebiet Mehringplatz

  • Brandesstraße 1, 7
  • Friedrichstraße 1 – 14, 231 – 246
  • Hedemannstraße 1 – 7, 10 – 14
  • Lindenstraße 107 – 116
  • Mehringplatz 5 – 15, 20 – 36
  • Rahel-Varnhagen-Promenade 1 – 4
  • Stresemannstraße 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 42a, 44, 46, 48, 50, 52
  • Wilhelmstraße 2 – 15, 127 – 139
  • Franz-Klühs-Straße 3, 5, 7, 9

Gebiet Wassertorplatz

  • Alexandrinenstraße 12-45
  • Bergfriedstraße 4, 6, 6a, 8, 8a, 10, 10a, 11-20, 22, 24
  • Böcklerstraße 1-12
  • Gitschiner Straße 32-38, 48-49, 59-84
  • Jakobikirchstraße 5-6
  • Lobeckstraße 5-23, 30-36, 42-48, 62-76
  • Moritzstraße 1-22
  • Oranienstraße 63-72, 130-142
  • Prinzenstraße 8-34, 84-105
  • Ritterstraße 8-36, 90-127
  • Segitzdamm 20-60
  • Stallschreiberstraße 50-55
  • Wassertorstraße 1-22, 47-65
  • Wassertorplatz, alle Hausnummern

Gebiet Mariannenplatz

  • Adalbertstraße. 19-23
  • Manteuffelstraße. 12-14, 18-23, 27-34
  • Mariannenplatz 4-9a, 12-15, 18-26
  • Mariannenstraße 2, 51-53
  • Muskauer Straße 18-40
  • Naunynstraße. 2-11, 17-32
  • Waldemarstraße 48-56, 58-74, 77a–104
  • Wrangelstraße. 2-16 und 127-131

Gebiet Zentrum Kreuzberg/ Oranienstraße

  • Adalbertstaße 1-11, 13-18, 85-98
  • Admiralstraße 1-5, 14, 33-38
  • Dresdener Straße 8‐20, 119‐128
  • Erkelenzdamm 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35
  • Fraenkelufer 18
  • Kohlfurter Straße 1, 3, 5, 7, 9-11, 13, 20, 22, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45
  • Kottbusser Straße 1-13, 15-25
  • Mariannenstraße 4-14, 18-24, 45-46
  • Oranienplatz 14, 15, 17
  • Oranienstraße 15-40, 165a-205
  • Reichenberger Straße 1-10, 18-26, 165-166, 170, 174-177, 179-185
  • Naunynstraße 48-74
  • Skalitzer Straße 2-6, 15, 18, 22-23, 108, 114, 121-122, 126-147a

Werner-Düttmann-Siedlung

  • Urbanstraße. 44 – 51
  • Jahnstraße 1 – 10
  • Hasenheide. 20 – 38
  • Graefestraße. 47 – 63

Doppelfund in der Lindenstraße

12.000 Kreuzberger werden nach Bombenfund evakuiert – zwei Mal in einer Woche

Gleich zweimal innerhalb einer Woche mussten rund 12.000 Kreuzberger Ende Oktober für mehrere Stunden ihre Wohnungen verlassen. Auf einer Baustelle in der Lindenstraße waren im Abstand von fünf Tagen zwei amerikanische Fliegerbomben entdeckt worden.

Kein Durchkommen. Zweimal innerhalb einer Woche evakuierte die Polizei den Bereich rund um die Lindenstraße.

Foto: rspKein Durchkommen. Zweimal innerhalb einer Woche evakuierte die Polizei den Bereich rund um die Lindenstraße. Foto: rsp

Betroffen von der Evakuierung war der Bereich zwischen Gitschiner Straße, Wilhelm- bzw. Puttkamerstraße, Rudi-Dutschke-Straße und Alter Jakobstraße. Ab neun Uhr morgens wurden die Bewohner von der Polizei aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. Weil bei der ersten Evakuierung – ausgerechnet am Sonntag nach der Winterzeitumstellung – unerwartet ein Transport für eine Person in einem medizinischen Spezialbett nötig wurde, zog sich die erste Entschärfung bis etwa 18 Uhr hin. Bei der zweiten Entschärfung am Freitag drauf war man besser vorbereitet, so dass die Polizei bereits um viertel vor drei Entwarnung geben konnte. »Wir danken für Ihr Verständnis und verabschieden uns hier«, schrieb deren Social-Media-Team auf Twitter. »Genießen Sie das Bombenwetter am Wochenende.«

Nicht alle betroffenen Anwohner teilten den Humor der Ordnungshüter, und viele hatten auch von der geplanten zweiten Räumung im Vorfeld nichts mitbekommen. So berichtete eine Gruppe von Senioren aus einer Wohnanlage im Sperrgebiet übereinstimmend, erst am Freitag morgen davon erfahren zu haben.

Wie schon am Sonntag zuvor wurden gehbehinderte Menschen mit Busshuttles und Kran­ken­trans­por­ten zum Rathaus Kreuzberg in der Yorckstraße gebracht, wo sie von Helfern des Roten Kreuzes und Mitarbeitern des Bezirksamtes versorgt wurden. Jeweils rund 100 Personen wurden hier temporär aufgenommen.

Am Rande der Sperrzone konnte sich Renato Bono, Wirt der Kneipe »Zum Flachbau«, am Sonntag über ein volles Haus freuen, denn sein Laden war der einzige geöffnete weit und breit. Auch KuK-Mitarbeiter Siegfried von Trzebiatowski gehörte zu den Anwohnern, die hier Obdach – und ein kühles Bier – suchten.

Volles Haus und Bombenstimmung

Er freute sich besonders, viele alte Bekannte wiederzusehen, die wegen ihrer eingeschränkten Mobilität nur selten die Wohnung verlassen. »Manche von denen habe ich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen«, erzählt Siggi.

Bei den beiden Fliegerbomben handelte es sich um zwei größere Exemplare von jeweils rund 250 Kilogramm, mutmaßlich Blindgänger der »Bombennacht« vom 3. Februar 1945. Aus beiden Exemplaren wurden von den Feuerwerkern der Polizei die Zünder mit Hilfe eines Hochdruckwasserstrahls entfernt und noch vor Ort gesprengt. Die Bomben selbst wurden zum Sprengplatz im Grunewald befördert und werden dort vernichtet.

Nach Schätzungen des Senats schlummern noch 3.000 bis 4.000 Blindgänger unter der Erde. Gezielte Suchen gab es nur wenige. Bis jetzt wurden bereits über 11.000 Tonnen Sprengstoff geborgen und unschädlich gemacht.

Standhaft und optimistisch

Halina Wawzyniak kämpft um ihren erneuten Einzug in den Bundestag

Halina Wawzyniak (Linke) im Gespräch mit der Kiez und Kneipe.

Foto: philsHalina Wawzyniak (Linke) im Gespräch mit der Kiez und Kneipe. Foto: phils

Vor vier Jahren sorgte sie für die große Überraschung im Wahlkreis 83: Halina Wawzyniak gelang über den vierten Platz der Linken-Landesliste der Einzug in den deutschen Bundestag. Wenn ihr das noch einmal gelingen sollte, wäre die Überraschung kaum weniger groß. Das räumte die 40jährige Juristin durchaus auch ein bei ihrem Besuch im »DODO« in der Großbeerenstraße. Dorthin hatte die KuK am Mittwochabend eingeladen. Allerdings zeigte sich Halina Wawzyniak auch durchaus kämpferisch. Warum soll diesmal nicht wieder das gelingen, was schon vor vier Jahren gelang? Damals sorgte sie mit einem ungewöhnlichen Wahlplakat bundesweit für Aufsehen. Dieses Mal kommt sie auf den Plakaten eher bieder daher. Doch das wird wohl kaum so bleiben. Sie hat wohl schon noch einen pfiffigen Pfeil im Köcher. Was für einen, wollte sie indes nicht verraten.

In den vergangenen vier Jahren arbeitete sie im Rechtsausschuss und war netzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Und hier, so glaubt sie, habe sie einiges bewegen können. War Netzpolitik vor vier Jahren im bundesdeutschen Parlament eher eine exotische Angelegenheit, haben inzwischen immer mehr Abgeordnete begriffen, wie wichtig das weltweite Netz ist, und sie holen sich auch immer häufiger Rat bei ihr. Gerade die Vorgänge um den amerikanischen Geheimdienst NSA haben aktuell wieder belegt, welche Bedeutung das Thema inzwischen gewonnen hat.

Darüber hinaus hat sie sich auch intensiv mit Kotti & Co. sowie dem Flüchtlingscamp am Oranienplatz beschäftigt. Und Neonazis haben sich mit ihr beschäftigt. Gleich drei Anschläge haben Rechtsradikale in den letzten vier Jahren auf ihr Bürgerbüro am Mehringplatz verübt. In allen Fällen gilt dann stets ihr Grundsatz: Man muss standhaft bleiben.

Hier ist der komplette Mitschnitt des KuK-Redaktionsgespräches:

Heute abend um 19:00 Uhr geht es weiter mit der SPD-Kandidatin Cansel Kiziltepe im Gasthaus Valentin.

Fußball satt in fast allen Kneipen

Zur WM in Südafrika gibt es diesmal kaum fußballfreie Zonen

Fußballmuffel werden es in den nächsten Wochen schwer haben – schwerer vielleicht noch als vor vier Jahren, als ganz Deutschland im Sommermärchenfieber taumelte. Einige mutige Wirte hatten damals versucht, gegen den Trend zu fahren und fußballfreie Zonen anzubieten. Im »Valentin« in der Körtestraße hielt der Vorsatz genau bis zum Viertelfinale, »Mrs. Lovell« in der Gneisenau versuchte tapfer durchzuhalten.

»Natürlich zeigen wir Fußball. Fußballfreie Zone machen wir nicht mehr«, erklärt Yana vom »Mrs. Lovell«. Die Erfahrungen bei der WM in Deutschland waren einfach zu bestürzend. In dem englischen Pub gibt es bei dieser Fußballweltmeisterschaft in Südafrika zumindest die Deutschlandspiele auf Großbildleinwand.

Auch Joachim Mühle vom »Valentin« ist dieses Mal vom ersten Spiel an mit von der Partie. Allerdings nun am neuen Standort in der Hasenheide.

Groß rüstete die »Cantina Orange« in der Mittenwalder Straße auf. Fußball gibt es dort gleich auf drei Leinwänden. Auf einer gibt es sogar Out-Door-Public-Viewing. Wenn in der letzten Vorrunde Spiele parallel laufen, können auch zwei Spiele gleichzeitig übertragen werden. Außerdem gibt auch es wieder ein großes Tippspiel.

Das hat auch im »Too Dark« in der Fürbringerstraße eine gewisse Tradition, ebenso wie der riesige Spielplan, der dann an der Wand prangen soll.

An die Tradition des ehemaligen Baghira knüpft der Nachfolger »Martinique« in der Monumentenstraße an. Da gibt‘s Fußball satt auf drei Leinwänden.

Zu den Profis in Sachen Fußball-Public-Viewing gehört das »Brauhaus Südstern« an der Hasenheide. Dagegen gibt es in den »Sieben Stufen« in der Großbeerenstraße eine echte Fußballpremiere. Auch das »Bierkombinat« in der Manteuffelstraße will zum ersten Mal Fußball präsentieren.

Public-Viewing soll es auch im Bürgerbüro der Bundestagsabgeordeneten der Linken, Halina Wawzyniak geben, die selbst begeisterte Fußballerin ist. Dort gibt es nicht nur die Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Fans des Teams von Nordkorea kommen am Mehringplatz auch auf ihre Kosten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2010.

Friedenssäule verhüllt

Der Textilkünstler Jan Bejšovec präsentiert seine öffentliche Installation an der Brunnenanlage auf dem Mehringplatz. Durch eine textile Hülle wird die 166 Jahre alte Friedenssäule von Christian Gottlieb Cantain zur “Bildersäule”, deren Applikationen aus der bewegten Geschichte des Mehringplatzes erzählen.

Zum 64. Jahrestag der Zerstörung dieses Wohnviertels am 03.02.1945 durch einen Bombenangriff im II. Weltkrieg öffnet die Säule bis Ende April 2009 als letzter Zeuge der ursprünglichen Bebauung ein Zeitfenster für den Betrachter. Auf dem als Rondell angelegten, später zuerst in Belle-Alliance-Platz und seit 1947 in Mehringplatz umbenannten Platz spiegeln sich fast 300 Jahre Berliner Geschichte.

Vier Bevölkerungsgruppen haben diesen Kiez am deutlichsten geprägt: Soldaten, Bürger, Arbeiter und Einwanderer. Ihre Spuren macht die textile Installation weithin sichtbar.

Die Friedenssäule wird durch eine textile Hülle zur BildersäuleDie Friedenssäule wird durch eine textile Hülle zur "Bildersäule"

Soldaten
Exerzierender Soldat – Seit der Anlage des Rondells wurde der Platz hinter dem Halleschen Tor als Exerzierplatz genutzt. In unmittelbarer
Nähe lag eine Vielzahl von Kasernen.
Eisernes Kreuz – Die Friedenssäule markierte bis 1945 als Siegessäule
den militärischen Sieg Preußens und seiner Allierten über Napoleon.
Bomben – 1945 wurde der Platz durch einen amerikanischen
Bombenangriff zerstört. Mit der Niederlage im von den Nazis verursachten II. Welkrieg endet die militaristische Deutung des Platzes durch die Umbenennung in Mehringplatz.

Bürger
Seit der Gründerzeit wandelte sich der Belle-Alliance-Platz durch den Zuzug wohlsituierter Bürger in repräsentative Neubauten. Die Parkanlage um den Brunnen wurde mit vier Skulpturengruppen verschönert. Der Platz war als Promenade und vor allem als Kinderspielplatz beliebt.

Arbeiter
Ochsenkopf – Das Armenhaus „Ochsenkopf“ am Rondell Nr. 5 beherbergte die Verlierer der Preußischen Gesellschaft.
3 Pfeile – In der Lindenstraße 3 saß bis 1933 die SPD-Parteiführung. Das nach dem Zentralorgan benannte „Vorwärts“-Haus war 1918 heftig umkämpft. Die drei Pfeile der „Eiseren Front“ stehen für die Verteidigung der Weimarer Republik. Seit 1996 hat die SPD ihren Sitz in der Wilhelmstraße.
Zahnrad – 1848, 1918 und 1933 kämpfen Arbeiter auf und in der Nähe des Platzes für ihre Rechte. In der Lindenstraße hatte seit 1930 die Metallgewerkschaft ihre Zentrale. Heute befindet sich dort die IGM als Nachfolgeorganisation.

Einwanderer
Hugenottenkreuz und Böhmischer Kelch – Beide protestantischen Gruppen wurden in ihrer Heimat verfolgt und von Preußen aufgenommen. Sie prägten den Platz besonders im 18. Jhd.
Halbmond – Heute leben viele muslimische Einwanderer in den Plattenbauten. Als „Gastarbeiter“ stützten sie den Wohlstand Westdeutschlands und kämpfen bis heute für eine Integration in die deutsche Gesellschaft.
Platzsymbol – Bis zur Neubebauung nach dem Krieg vereinigten sich drei wichtige Straßen (Wilhelm-, Friedrich- und Lindenstraße) auf dem Mehringplatz. Die heutige Situation einer Sackgasse im verkehrs- und gesellschaftspolitischen Sinn soll durch Umbauten ab 2010 verbessert werden.