Kettensägenmassaker statt Karneval

Umfangreiche Sanierungen am U-Bahnhof Gneisenaustraße schockieren Anwohner

Grünstreifen mit gefällten Bäumen oberhalb des U-Bahnhofs Gneisenaustraße, links ein Wahlplakat der Grünen mit dem Slogan "Wir schützen nicht das Klima, sondern: Menschen"Keine gute Werbung für den Klimaschutz: Kahlschlag über dem U-Bahnhof Gneisenaustraße. Foto: cs

Mit großer Fassungslosigkeit wurden die Bewohner:innen des Gneisenaustraßen-Kiezes Mitte Februar Zeugen der Fällung teils über 100 Jahre alter Platanen und Linden oberhalb des U-Bahnhofs Gneisenaustraße zwischen Mittenwalder und Zossener Straße. Grund dafür ist eine gemeinsame Baumaßnahme der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) und der Berliner Wasserbetriebe (BWB).

Geplant sind umfangreiche Sanierungsarbeiten an der überalterten Infrastruktur aus der Gründerzeit. Die BVG ist verantwortlich für die Tunnelsanierung und die Arbeiten am U-Bahnhof. Dazu gehören die Erneuerung der äußeren Abdichtung und der Einbau eines zusätzlichen Rettungswegs. Diese Maßnahmen stehen jedoch nicht im Zusammenhang mit dem seit Monaten im Bau befindlichen Aufzug am U-Bahnhof. Die BWB übernehmen die Arbeiten an den zentralen Trink- und Abwasserleitungen, während die NBB die Gastransportleitungen erneuert.

Die koordinierte Planung soll nicht nur die Bauzeiten optimieren, sondern auch die Einschränkungen des Autoverkehrs und des U-Bahnbetriebs so gering wie möglich halten. Dennoch werden die Eingriffe einen großen Teil des Straßenraums betreffen. Es wird wechselnde Baugruben, zeitweilige Straßensperrungen, Verkehrsbehinderungen, weniger Parkplätze und eine erhöhte Lärmbelastung geben. Ein weiterer Nebeneffekt der Maßnahmen ist, dass der Umzug des Karnevals der Kulturen 2025 nicht wie gewohnt durch Kreuzberg führen kann.

Baumfällungen womöglich ohne vorgeschriebene ökologische Baubegleitung

Laut Bezirksamt und BVG ist die Fällung der Bäume auf der U-Bahn-Trasse unvermeidlich. Die Wurzeln seien in die alte Tunneldecke eingewachsen und würden die dringend notwendige Sanierung gefährden.

Obwohl das Projekt bereits seit drei Jahren geplant ist und am 21. Februar vergangenen Jahres in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz vorgestellt wurde, kritisieren zahlreiche Kiezbewohner:innen die unzureichende und viel zu späte Informationspolitik.

Erst am 12. Februar, knapp eine Woche vor der Fällung der 18 Bäume, fand eine Informationsveranstaltung im Nachbarschaftshaus Urbanstraße (NHU) statt. Weniger als 20 Personen nahmen teil, davon knapp die Hälfte betroffene Anwohner:innen. Der Grüne Abgeordnete Dr. Turgut Altuğ war als einziger Politiker anwesend.

Die von den BWB, der NBB, der BVG und dem Architekturbüro N. Lehmann Artus GmbH vorbereitete PowerPoint-Präsentation gab zwar einen umfassenden Einblick in das Sanierungsprojekt, hinterließ aber den bitteren Eindruck, dass die Baumfällungen längst beschlossene Sache waren. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass es sich um eine Art Alibi-Veranstaltung handelte.

Baumschnitt an der GneisenaustraßeAlle 18 Linden und Platanen zwischen Mittenwalder und Zossener Straße wurden gefällt. Foto: cs

Die Bauzeit ist in fünf Bauabschnitten bis 2028/2029 geplant. Wer Berlin kennt, weiß aber, dass sich solche Projekte oft um einige Jahre verzögern können. Der anwesende Verein mog61 e.V. kritisierte die unzureichende Ankündigung der Informationsveranstaltung. Von der BVG wurde dann angegeben, dass angeblich 14.700 Flyer im Kiez verteilt worden seien. Doch alle vom Verein befragten Anwohner:innen gaben an, keine Informationen erhalten zu haben. Auch dem Verein ist niemand bekannt, der einen Flyer oder eine Postwurfsendung im Briefkasten gefunden hat. Kein Wunder also, dass so wenige an der Veranstaltung teilnahmen. Der Verein und einige weitere Anwesende erfuhren nur durch die Vernetzung mit dem NHU von der Veranstaltung. Die Frage nach weiteren Veranstaltungen wurde von der BVG an diesem Tag mit der Begründung abgelehnt, dass der organisatorische Aufwand zu groß sei.

Katrin Schmidberger, MdA, antwortete schriftlich auf eine Anfrage mit Kritik von Anwohner:innen: »Der Bezirk hat für die Baumfällungen nicht nur hohe Anforderungen an Ausgleichsmaßnahmen (sowohl monetär als auch qualitativ) gestellt, sondern auch die BVG verpflichtet, sämtliche Öffentlichkeitsarbeit in Form von Pressemitteilungen, Aushängen und Infoveranstaltungen zu übernehmen, damit die Anwohner:innen informiert sind. Eine Informationsveranstaltung der BVG hat am 12.2. stattgefunden und sollte eigentlich per Postwurfsendung an alle Anwohner:innen, Gewerbetreibenden und Einrichtungen gehen. Sollte diese Information euch nicht erreicht haben, ist dies natürlich mehr als ärgerlich.«

Zwischenzeitlich haben sich verschiedene Widerstandsinitiativen gebildet. Unter anderem die Berliner NaturFreunde und das Bündnis Stadtnatur in K61 appellieren eindringlich an die zuständigen Behörden, alle weiteren Maßnahmen auszusetzen, bis alle ökologischen und artenschutzrechtlichen Bedenken umfassend geklärt sind.

Ein Schreiben des Bezirksamts auf Anfrage des Bündnisses Stadtnatur in K61 gibt Anlass zur Sorge. Darin heißt es: »Seitens der Bauherren wurde uns im vergangenen Jahr eine artenschutzfachliche Bewertung vorgelegt. Da diese nicht den herkömmlichen Standards hinsichtlich Brutvögelerfassung, Fledermausfauna und Habitatstrukturen entsprach, wurden entsprechende Nachuntersuchungen gefordert. Diese wurden jedoch nicht vorgelegt. Nach wie vor ist unklar, ob die mit dem Gestattungsvertrag des Straßen- und Grünflächenamtes zur Fällung der Bäume beauflagte ökologische Baubegleitung stattgefunden hat.«

Fest steht: Die U7 wird saniert, die Bäume sind bereits gefällt, und eine weitere öffentliche Informationsveranstaltung ist nicht geplant. Die Anwohner:innen fühlen sich übergangen, und der Unmut dürfte noch lange anhalten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2025 (auf Seite 1).

Straßenbahn soll durch den Görli fahren

Senat veröffentlicht Details zur geplanten Verlängerung der Tramlinie M10

Geplanter Streckenverlauf der M10. Karte: K5 Geoportal Berlin / SenMVKU

Anfang Juni hat die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) Details zur geplanten Verlängerung der Tramlinie M10 veröffentlicht. Die soll, wie berichtet, von der Warschauer Straße aus über die Oberbaumbrücke durch Wrangel-, Reichenberger und Reuterkiez bis zum Hermannplatz führen – angeblich bereits ab 2030.

Bereits 2021 war die »planerisch zu bevorzugende Trassenvariante« festgelegt worden, die sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, dass sie bis hin zur Sonnenallee einer geraden Linie folgt – und damit auch quer durch den Görlitzer Park führt.

Daran hat sich auch mit den jetzt veröffentlichten Details nichts geändert. Im Rahmen eines nur 14-tägigen Online-Beteiligungsverfahrens auf der Plattform mein.berlin.de wurden lediglich für den Abschnitt Falckensteinstraße zwei verschiedene Varianten zur Diskussion gestellt: In der einen Variante liegen die Schienen mittig auf der Straße, in der anderen auf der westlichen Seite, während auf der gegenüberliegenden Seite ein Zweirichtungsradweg errichtet werden würde.

Letztere Anordnung entspräche auch im Groben der Planung für den Görlitzer Park, Radfahrer müssten also nicht die Schienen kreuzen, wenn sie der Strecke weiter nach Süden folgen. Unangenehmer wird die Situation für Fußgänger, die beim Kreuzen der Falckensteinstraße gleich zweimal mit Verkehr aus zwei Richtungen konfrontiert werden. Beiden Varianten ist gemein, dass Kfz-Verkehr nur noch als Lieferverkehr in Richtung Wrangelstraße erlaubt sein soll.

Mit zusammen über 100 Beiträgen und Kommentaren sind die Falckensteinstraßenvarianten auch der am heißesten diskutierte Abschnitt der Tramstrecke im Online-Beteiligungsverfahren. Tatsächlich darf sich die M10 durchaus vieler Fürsprecher erfreuen.

Beteiligungsverfahren offenbart geteiltes Meinungsbild zur Görli-Route

Viele halten die Falckensteinstraße jedoch für zu schmal, um zusätzlich zur Tramstrecke genug Platz für andere Nutzer zu bieten. Tatsächlich dürfte es einerseits im Norden im Bereich der U1-Unterführung und andererseits an der geplanten Haltestelle »Gör­litzer Park« eng werden.

Die Haltestelle soll nämlich außerhalb des Parks liegen, der von der M10 ohne Halt durchfahren werden soll. Und auch dort wird es eng, insbesondere zwischen Kinderbauernhof und Sportplatz, weswegen letzterer einen schmalen Streifen seiner Fläche einbüßen soll.

Dementsprechend umstritten ist die Streckenführung durch den Park. So spricht sich der Park­rat des Görli eindeutig gegen die Tram-Route aus: »Straßenbahntrassen würden diese für den Kiez wichtige und vor allem auch knappe Grünfläche nicht nur durchschneiden, sondern auch bleibend verändern«, heißt es in einer Stellungnahme. »Hinzu kommt, dass der Aufenthalts- und Erholungswert des Parkes massiv beeinträchtigt und somit die Gründe seiner Gründung wieder in Frage gestellt würden.«

Auch das Bündnis Stadtnatur befürchtet Umwelt-, artenschutzrechtliche und Nutzungskonflikte. Da die (inklusive Radweg) 16 Meter breite Trasse durch einen sehr grünen Streifen des Parks führe, sei diese Trassenführung nur realisierbar durch Fällung zahlreicher Bestandsbäume sowie Rodung von Hecken und Gebüschinseln. Als Grünanlage sollte der Park Fußgängern jeden Alters und jeder Mobilität vorbehalten bleiben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2024 (auf Seite 1).

Verkehrssenatorin stoppt Radwegebau

Finanzierung »vorläufig« ausgesetzt

Radstreifen entlang der Zossener Straße (Höhe Heilig-Kreuz-Kirche) mit einem RadfahrerVermutlich »vorläufig« nicht gefährdet: Radstreifen in der Zossener Straße. Foto: psk

Update: Bezirk bezweifelt Rechtmäßigkeit des Stopps / Radweg in der Stallschreiberstraße wird gebaut (s.u.)

Es fing an mit ein paar E-Mails: Mitte Juni teilte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) den Bezirken mit, dass die neue Hausleitung – also Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) – darum bitte, geplante Radwegeprojekte auszusetzen, sofern dafür auch nur ein einziger Parkplatz oder ein Fahrstreifen für Autos wegfiele.

Schon einen Tag später ruderte Schreiner zurück: »nicht mehr als zehn Parkplätze auf 500m« seien einer Pressemitteilung zufolge dann doch akzeptabel, sofern Wirtschafts- und Lieferverkehr nicht erheblich beeinträchtigt würden und, weiterhin, keine Fahrstreifen wegfielen. Alle anderen Projekte würden »überprüft und priorisiert«.

Doch »priorisiert« heißt in dem Kontext: erstmal gestoppt.

In den Bezirken herrscht seitdem erhebliche Unsicherheit. Auch in Friedrichshain-Kreuzberg könnten mehr als zehn Projekte betroffen sein, teilte das Bezirksamt auf Anfrage mit, jedoch ließe »die Kommunikation der SenMVKU sehr viele Fragen offen«.

Bei Projekten wie der Stallschreiberstraße dürfte die von der Senatsverwaltung formulierte Ausnahme für Maßnahmen gelten, die die Schulwegsicherheit erhöhen. Tatsächlich hat die Senatsverwaltung den Stopp für diesen Radweg am Dienstag zurückgenommen. Anderswo jedoch, etwa in der Urbanstraße und der Oranienstraße, ist fraglich, welche Zukunft die­se Projekte haben. Hier läuft die Vorplanung teilweise bereits seit Jahren. Doch mit der »Bitte« der Senatsverwaltung sei auch ein vorläufiges Aussetzen der Finanzierungszusagen verbunden, erklärte Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne). Ein entsprechendes Schreiben war dem Bezirk am 20. Juni zugegangen.

1,5 Millionen Euro drohen zu verfallen

Allein im Bezirk geht es um Gelder in Höhe von insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, die jetzt auf der Kippe stehen. Darunter sind vor allem Fördermittel des Bundes, die zu verfallen drohen, wenn sie nicht noch dieses Jahr ausgegeben werden oder wenn die von Senatorin Schreiner an­ge­kün­dig­te Überprüfung der Projekte zu größeren Umplanungen führt.

Ende Juni fand eine Gesprächsrunde zwischen Bezirksstadträten und Senatorin statt – zur Frage, wie konstruktiv die lief, gibt es jedoch sehr unterschiedliche Einschätzungen. Zuletzt hatten Verkehrsstadträte aus mehreren Bezirken der Senatorin ein Ultimatum gestellt, den allgemeinen Projektstopp zurückzunehmen und für Planbarkeit zu sorgen.

Rechtsamt bezweifelt Rechtmäßigkeit

Bereits vor einigen Tagen hatte Friedrichshain-Kreuzberg sein Rechtsamt mit einer juristischen Überprüfung des Radwegestopps beauftragt. Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am heutigen Mittwoch wurde jetzt das Ergebnis verkündet. Demnach bestünden seitens des Bezirks Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Senatsverwaltung. Eine temporäre Außerkraftsetzung der Mittelzusagen gäbe die Landeshaushaltsordnung nicht her. »Wir haben einen geltenden Haushalt«, betonte Rolfdieter Bohm, Leiter des Rechtsamts. Der Doppelhaushalt sei vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden und sei so auch vom Senat und den Bezirken zu beachten. Wenn darin Mittel für Fahrradwege vorgesehen seien, so die Argumentation, könnten diese nicht einfach vorübergehend außer Kraft gesetzt werden.

Zudem bestünde bei laufenden Ausschreibungen die Gefahr, dass sich das Land Berlin regresspflichtig mache, wenn die Ausschreibung wegen eines Aussetzens der Finanzierung gestoppt werde.

Eine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit vor Gericht prüfen zu lassen gibt es allerdings nicht. Berlin ist eine sogenannte Einheitsgemeinde, sodass die Bezirke keine eigenen Rechtspersönlichkeiten sind, die etwa gegen »das Land Berlin« klagen könnten. Von dem Ergebnis der Prüfung durch das Rechtsamt verspricht man sich allerdings eine weitere Argumentationsebene gegen die Senatsverwaltung, denn auch die könne kein Interesse daran haben, gegen Recht und Gesetz zu handeln.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2023.

Kiezblocks – außenrum statt mittendurch

Zahlreiche Initiativen wollen den Durchgangsverkehr aussperren

Wollen keinen Durchgangsverkehr: Gneisenau-Kiezblock-Initiatoren Andreas Langner und Philipp Stiegel. Foto: rsp

Wer sich in den letzten Monaten mit den verkehrspolitischen Maßnahmen in Berlin und im Bezirk beschäftigt hat, dürfte auch immer wieder über den Begriff Kiezblock gestolpert sein. Aber was ist ein Kiezblock eigentlich – und was nicht?

Unter dem Dach des Vereins Changing Cities e.V. haben sich in ganz Berlin Initiativen gegründet, die die Verkehrssituation in ihrem jeweiligen Kiez verbessern wollen. Auch wenn die annähernd autofreien »Superblocks« in Barcelona Pate stehen für die Idee, geht es den Initiativen nicht um so etwas wie flächendeckende Fußgängerzonen.

»Wir sind ja keine Radikalen«, sagt Philipp Stiegel, der für den Gneisenau-Kiezblock, also den Bereich zwischen Blücher-, Schleiermacher-, Gneisenaustraße und Mehringdamm, einen Einwohner*innenantrag vorbereitet hat und derzeit Unterschriften sammelt. »Wir sind nicht grundsätzlich gegen Autoverkehr, sondern gegen motorisierten Durchgangsverkehr.« Von dem gibt es im Kiez reichlich, und das nicht nur in der Zossener Straße, die nach dem Willen der Initiative möglichst bald ihren Status als übergeordnete Straße verlieren soll, damit der Bezirk und nicht der Senat für die Straße zuständig ist. Auch die kleineren Straßen werden gerne als vermeintlich zeitsparende Schleichwege genutzt, insbesondere sobald es auf den Hauptstraßen ein wenig stockt.

Ein Problem seien auch Navigationssysteme, die die kleinen Nebenstraßen als kürzeste Route vorschlagen, ergänzt sein Mitstreiter Andreas Langner. Der hat bereits einen ersten Entwurf erstellt, der zeigt, wie man mit wenigen kleinen Maßnahmen den Durchgangsverkehr fernhalten könnte. Zu den Ideen gehören beispielsweise Dia­go­nal­sperren oder auch Einbahnstraßenregelungen, die den Kiezblock für Autos und Lkw zwar befahrbar, aber eben nicht durchfahrbar machen. Für Rettungsdienste und den 248er-Bus könnte in der Zossener Straße ein versenkbarer Poller installiert werden. In anderen Straßen würden Kraftfahrzeuge gewissermaßen in Schleifen wieder aus dem Kiez herausgeführt. Für den Fuß- und Fahrradverkehr gäbe es keine Änderungen.

Zwei Diagonalsperren, ein versenkbarer Poller – so einfach könnte der Durchgangsverkehr aus dem Kiez genommen werden. Illustration: Andreas Langner, rsp

Wieviel nur eine einzige Sperrung ausmacht, zeigte sich, als die Ampel an der Kreuzung Mittenwalder Straße/Blücherstraße errichtet wurde und der nördliche Teil der Mittenwalder zeitweise zur Sackgasse wurde. »Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht«, erzählt Philipp. Obwohl er in der Fürbringerstraße wohnt, bekommt er akustisch mehr vom Verkehr in der Mittenwalder Straße mit, als ihm lieb ist – auch wegen des Kopfsteinpflasters.

Ein anderes Mitglied der Initiative hat in der Solmsstraße die durchfahrenden Autos gezählt. Als vor einiger Zeit wegen einer Bombenentschärfung die Lindenstraße gesperrt war, seien es 40 Kraftfahrzeuge pro Stunde gewesen, an einem normalen Wochentag kam er tagsüber auf 420 pro Stunde.

Tatsächlich gibt der Einwohner*innenantrag, für den 1000 Unterschriften zusammenkommen müsen, allerdings keine konkreten Baumaßnahmen vor, sondern enthält nur die Forderung, einen verkehrsberuhigten Bereich zu schaffen und auf den angrenzenden Straßen für Tempo 30 zu sorgen. Wie das dann genau geschieht, darüber muss die Ende September zu wählende Bezirksverordnetenversammlung (BVV) abstimmen.

Es wird nicht der einzige derartige Antrag sein, weder im Bezirk, noch berlinweit. 180 potentielle Kiezblocks hat Changing Cities in Berlin ausgemacht. In 47 von ihnen gibt es entsprechende Initiativen, zehn davon allein in Kreuzberg sowie weitere drei in Friedrichshain. In der hiesigen BVV treffen die Anträge dabei auf fruchtbaren Boden. Erst Ende Mai wurde die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Viktoriakiezes beschlossen.

Das dürfte auch daran liegen, dass die Forderungen der Kiezblock-Initiativen deutlich weniger invasiv (und preiswerter in der Umsetzung) sind als beispielsweise die umstrittene Umgestaltung des Bergmann- und Chamissokiezes oder die Pläne für die Oranienstraße, in der sämtliche Parkmöglichkeiten auch für Anwohner wegfallen sollen.

Wer die Gneise­nau-Kiezblock-Initiative kontaktieren oder unterstützen möchte, erreicht die Initiatoren per E-Mail unter und findet sie auf Twitter.

Eine ausführliche Darstellung der Forderungen und einen »Faktencheck« zu Vorbehalten gegenüber dem Vorhaben, hat Changing Cities unter kiezblocks.de/konzept veröffentlicht.

Das Bergmann-Labyrinth

Planungen für die Umgestaltung von Bergmann- und Chamissokiez

Der Entwurf des Bezirksamtes zur Verkehrsplanung in Bergmann- und Chamissokiez lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Möglichst keine Autos.

Wenn die Planungen so umgesetzt werden, dann darf das Areal zwischen Columbia- und Mehringdamm, Gneisenau- und Lilienthalstraße mit Autos und LKW künftig nur noch von Anliegern befahren werden. In der Bergmannstraße wird ab der Nostitzstraße und bis einschließlich Marheinekeplatz eine Fußgängerzone eingerichtet, die nur zu bestimmten Zeiten für den Lieferverkehr offen steht und bis zur nächsten Kreuzung in Solms- und Schenkendorfstraße hineinreicht. Die Zufahrt zum Ärztehaus bleibt frei. So kann auch die Nostitzstraße erreicht werden, die wegen der vielen neuen Einbahnstraßen neben der Zufahrt Friesenstraße am Colum­bia­damm die einzige Möglichkeit ist, motorisiert in den westlichen Chamissokiez zu gelangen. Da der Chamissoplatz selbst samt den angrenzenden Abschnitten von Arndt- und Willibald-Alexis-Straße ebenfalls zur Fußgängerzone wird, gilt das nicht für die Blöcke östlich des Platzes, die mit dem Auto nur vom Columbiadamm angefahren werden dürfen.

Auch die »Abkürzung« zwischen Columbiadamm und Südstern über Golßener, Züllichauer und Lilienthalstraße fällt der Einbahnstraßenregelung zum Opfer.

Von allen Einschränkungen ausgenommen sind lediglich Radfahrer, für die keine der Einbahnstraßenregelungen gilt und die auch die Fußgängerzonen befahren dürfen sollen. In der Bergmannstraße wird für sie vermutlich ein separater zweispuriger Radweg eingerichtet, der räumlich von den Wegen für Fußgänger getrennt wird.

 

Entwurf Verkehrsplan BergmannkiezGrafik: raumscript

Auf der Webseite zum »Modellprojekt Bergmannstraße« kann man den Plan in voller Auflösung herunterladen.

Themenschwerpunkt: Bergmannstraße

Die Zeit des Autos ist vorbei
Bezirk setzt klares Zeichen gegen motorisierten Verkehr
Was lange währt, wird autofrei
Die unendliche Geschichte um die Bergmannstraßen-Neugestaltung neigt sich dem Ende zu
Wo Bächlein durch Straßen fließen
Kreuzberger Konzept funktioniert in Freiburg seit 1000 Jahren
Zukunft Bergmannkiez
Ausstellung zur Neugestaltung
Das Bergmann-Labyrinth
Planungen für die Umgestaltung von Bergmann- und Chamissokiez
Das Ende der Begegnungszone
Kommentar

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2020.

Die Hasenheide ist dicht

Neue Verkehrsführung provoziert Dauerstau

Stau in der Hasenheide. Seit der Umgestaltung ein Dauerzustand. Foto: psk

Es war seit Jahren ein Defizit in der Hasenheide: Für Radler gab es nur eine Spur vom Hermannplatz bis zum Südstern. Wer in umgekehrter Richtung unterwegs war, musste entweder – verkehrswidrig – den Radweg an der Nordseite benutzen und wurde so zum pedalierenden Geisterfahrer oder – verkehrswidrig – den Gehweg auf der Südseite benutzen oder durch den Volkspark Hasenheide (inklusive Steigung) strampeln oder er benutzte  – verkehrsgemäß – die Straße, wo er es aber regelmäßig mit ausgesprochen beherzten Autofahrern zu tun bekam. 

Das gehört nun der Vergangenheit an. Seit einigen Wochen ist die grüne Farbe auf dem neuen Fahrradstreifen am südlichen Rand der Hasenheide getrocknet, die Begrenzungspoller trennen Radfahrer vom (parkenden) Autoverkehr, und damit könnte ja alles gut sein.

Ist es aber nicht. Inzwischen ist es vorbei mit dem beherzten Autofahren auf der Hasenheide. Kurz nach dem Südstern wird der Verkehr in eine Spur geleitet. Es gibt zwischen Fahrbahn und dem neugeschaffenen Gehweg nun einen Parkstreifen. Die Folge ist, dass der Stau auf der Hasenheide nun sozusagen institutionalisiert ist. 

Da ist ja noch die Baustelle am ehemaligen VW-Autohaus Winter, die auch dafür sorgt, dass der neu angelegte Radweg zunächst schon wieder endet. Doch im Grunde hat die Baustelle nur wenig mit dem Verkehrsfluss zu tun, denn nach dem Ende der Bauarbeiten wird auch der Radweg verlängert. Das bedeutet, dass die Hasenheide auf der Südseite dann bis zum Hermannplatz einspurig verlaufen wird. 

Es ist also durchaus anzunehmen, dass der Stau zwischen Südstern und Hermannplatz nun zur Dauereinrichtung wird. Ein Taxiunternehmer sagt, dass er seinen Fahrern empfiehlt, die Hasenheide künftig zu meiden und stattdessen auf den Columbiadamm auszuweichen. Er ist verständlicherweise nicht besonders erfreut über diese neue Verkehrsführung und hält sie für Quatsch.

Es steht zwar nicht zu erwarten, dass sich die Situation auf der Hasenheide verbessern wird, wohl aber, dass alles bald noch schlimmer werden könnte.

In den nächsten Jahren sind mehrere Großbaustellen geplant

Wenn der Radweg bis zum Hermannplatz fertiggestellt ist, warten da schon die nächsten Verkehrsfallen. Derzeit wird  in der Verlängerung, der Karl-Marx-Straße in Neukölln, heftig gebaut. Hinter dem Rathaus Neukölln geht gar nichts mehr.

Doch das Projekt Neugestaltung Karl-Marx-Straße ist bis zum Hermannplatz gedacht. Die Planungen laufen in diesem Jahr an. 

Dann wird sich auch entscheiden, auf welcher Trasse die Tram von der Warschauer Straße aus den Hermannplatz erreichen soll. Spätestens in fünf Jahren sollen die ersten Straßenbahnen am Hermannplatz halten. Die verschiedenen Routen führen zwar alle entweder über die Sonnenallee oder über den Kottbusser Damm, doch wenn dort gebaut wird und die Karl-Marx-Straße zwischen Hermannplatz und Rathaus Neukölln saniert wird, dann dürfte sich die Hasenheide in den nächsten Jahren zu einer wahren Mausefalle für Autofahrer entwickeln.

Aber das ist noch immer nicht das Ende der Fahnenstange. Da gibt es auch noch den milliardenschweren österreichischen Kaufhaus-Mogul René Benko, der sich Karstadt in sein Imperium einverleibt hat und nun am Hermannplatz das altehrwürdige Kaufhaus abreißen und durch einen Art-déco-Bau ersetzen will. Spätestens dann wird es auf Hasenheide und Hermannplatz wirklich eng werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2019.

Politischer Wille vorhanden, Schilder nicht

Parkraumbewirtschaftung im Bergmann- und Viktoriakiez kommt erst im Januar

Parkscheinautomaten gibt es schon in den Parkzonen. Foto: rsp

Die Einführung der Park­raum­be­wirts­chaf­tung im Bergmann- und Viktoriakiez wird sich weiter verzögern. Ursprünglich sollte das Parken in den neuen Zonen 60 und 61 bereits ab dem 1. Oktober gebührenpflichtig werden. Wie das Bezirksamt mitteilte, gab es jedoch Probleme mit der notwendigen Beschilderung. Zunächst habe man den Aufwand für die Planung unterschätzt. Außerdem mussten die Aufträge für die Aufstellung der Schilder zweimal ausgeschrieben werden, da bei der ersten Runde kein Angebot eingegangen sei. Als der Auftrag schließlich vergeben werden konnte, sei es zu Lieferengpässen gekommen.

Voraussichtlich Mitte Dezember sollen die noch fehlenden Schilder geliefert werden. Offizieller Start der Parkraumbewirtschaftung wird dann – mit Rücksicht auf den Jahreswechsel – der 4. Januar sein. Bereits gekaufte oder beantragte Anwohnervignetten sind automatisch bis zum 31. Januar 2021 gültig.

Viele Anwohner außerhalb der Geltungsbereiche fordern indessen eine Ausweitung der Zonen, da sie »Parktourismus« befürchten und selbst auch keinen Anwohnerparkausweis beantragen können. Dazu sei der politische Wille zwar vorhanden, doch mit einer zeitnahen Einführung weiterer Zonen ist trotzdem nicht zu rechnen.  Wie das Bezirksamt in seiner FAQ vorrechnet, dauere der dafür notwendige Untersuchungsprozess »rund zwei Jahre«, solle aber immerhin »noch im Jahr 2019« beauftragt werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2018.

Verkehrsverknotung Oberbaumbrücke

Einzige direkte Verbindung nach Friechrichshain bis Mai gesperrt

Einseitige Angelegenheit: Wer von Friedrichhain kommt, muss weite Wege fahren.
Foto: psk

Sie gilt als die schönste Brücke Berlins, doch für den Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hat die Oberbaumbrücke darüber hinaus noch eine ganz besondere Bedeutung. Sie ist die einzige Brücke über die Spree, die die beiden Stadtteile direkt miteinander verbindet. Und diese Verbindung ist nun zur Hälfte gekappt. Für ein dreiviertel Jahr.

Es hat heftige Diskussionen über die Dauer der Teilsperrung und die Teilsperrung an sich gegeben. Tatsächlich gelangen Autofahrer von Kreuzberg nach Friedrichshain, aber umgekehrt ist der Weg verbaut. Die Umleitungen führen über die Schillingbrücke, was in der Köpenicker Straße und am Engeldamm zu massiven Behinderungen führt, oder über die Elsenbrücke, die für Kreuzberger dafür recht weit abgelegen ist.

Grund für die Sperrung ist die Sanierung eines Regenüberlaufkanals. Eigentlich hätte es schon im Mai losgehen sollen, doch dann gab es Querelen zwischen dem Senat und den Wasserbetrieben über eine Ampelschaltung. Bis zum 17. Mai 2013 soll die Sperrung nun dauern.

Dass es auf den eh schon belasteten Ausweichstrecken zu regelmäßigen Behinderungen kommen wird, gilt als ausgemacht. Und so könnte die Diskussion über die Brommy-Brücke wieder neu aufflammen. Die nach dem Admiral der kurzlebigen Bundesmarine aus dem 19. Jahrhundert benannte Brücke, wurde kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges gesprengt, um die Rote Armee aufzuhalten.

Sie lag zwischen Schilling- und Oberbaumbrücke. Pläne für einen Neubau sahen vor, eine Brücke nur für Fußgänger, Radfahrer und Busse zu errichten, andere gingen von einer vierspurigen Brücke für den Autoverkehr aus. Vor allem dieses Konzept stieß auf große Vorbehalte, weil dies Verkehrsströme mitten in den verwinkelten Teil von SO36 geleitet hätte.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2012.