15 Jahre Kiezgeschichten

In 15 Jahren Kiez und Kneipe hat sich nicht nur die Zeitung weiterentwickelt, sondern auch der Kiez. Wir haben einige Schlaglichter aus 15 Jahren Lokaljournalismus aus dem Archiv geholt.

2004/2005

Nach der Erstausgabe im Dezember 2004 bleibt der Einzugsbereich der Kiez und Kneipe im ersten Jahr noch überschaubar. So geht es auch inhaltlich meist um Ereignisse aus dem »Kiez ohne Namen« nördlich der Gneisenaustraße. Ausgiebig berichtet das junge Kiezblatt über Partys, Konzerte und Kneipenjubiläen, die damals in der Tat mit merklich mehr Verve zelebriert wurden. Doch auch Themen, die größer sind als der Kiez, finden ihren Niederschlag in der Zeitung: Nach der Tsunamikatastrophe in Asien Ende 2004 begleitet die KuK die private Hilfsinitiative »Khao Lak Friends« medial und rührt die Spendentrommel. Zur Bundestagswahl werden die Direktkandidaten des Wahlkreises zu öffentlichen Gesprächen eingeladen.

2006

Jubel bei der Fußball-WMZum einjährigen Bestehen dehnt die KuK ihr Verbreitungsgebiet auf den Bergmannkiez aus – und der liefert prompt berichtenswerten Gesprächsstoff: Das umstrittene Projekt Ärzte­haus wird trotz enormer Widerstände von der BVV beschlossen, und bei der Marheineke-Markthalle stehen Veränderungen ins Haus. Das Lieblingsthema des Sommers aber ist die Fußball-WM im eigenen Land, die mehr denn je auch Fußball-Muffel vor die Leinwände der Kiezgastronomie lockt.

2007

FichtebunkerWährend die Markthalle am Marheinekeplatz rund zehn Monate lang aufwändig saniert wird, zeichnen sich bereits Anfang des Jahres weitere Veränderungen im Kiez und der Nachbarschaft ab. Große Uneinigkeit herrscht über die im Raum stehende Schließung des Flughafens Tempelhof. Die Pläne zur Überbauung des Fichtebunkers mit Eigentumswohnungen stoßen auf überwiegend kritische Stimmen. Nach einem Brand in der KuK-Redaktion ist die Zeitung für zwei Monate obdachlos, bevor die jetzigen Räume in der Fürbringerstraße bezogen werden.

2008

Zigaretten im Aschenbecher2007 geht und das Rauchverbot kommt, zumindest in gastronomischen Betrieben, die auch »zubereitete Speisen« anbieten – was auch immer unter diese Definition fallen mag. Lokalpolitisch stehen die Media­spree und die Zukunft von THF zur Abstimmung – mit dem bekannten Ergebnis.

2009

Menschen auf der AdmiralbrückeDas Thema Nichtraucherschutzgesetz ist noch nicht ausgestanden, aber auch lärmempfindliche Nachbarn werden für manchen Wirt zur Bedrohung. Die gibt es auch an der Admiralbrücke, die sich im Sommer eines regen Zulaufs durch laute Touristengruppen erfreut. Die Kleingärtner im Gleisdreieckpark bangen um ihre Existenz, und dann ist ja auch mal wieder Bundestagswahl.

2010

Tempelhofer Feld mit FlughafengebäudeWas lange währt wird endlich gut: Das Tempelhofer Feld wird für die Öffentlichkeit geöffnet. Im heißesten Sommer seit Jahren bevorzugen viele trotzdem ein kühles Bier zum Public Viewing der WM. Und im Nachbarbezirk gründet sich die Kiez und Kneipe Neukölln.

2011

Mitglieder der PiratenparteiIn der Mittenwalder Straße, also quasi im Zentrum von KuK-Land, gründet sich der Nachbarschaftsverein mog61 e.V., von dem man noch viel hören und lesen wird. Ende September sorgt der Papstbesuch für Verkehrschaos am Südstern. Bei der Berlinwahl überraschen die Piraten in Kreuzberg mit einem deutlich zweistelligen Ergebnis und zu wenig Abgeordneten für die gewonnenen BVV-Sitze.

2012

Schüler und Künstler bemalen TelefonkastenEs ist nicht die erste Kneipe, die dicht macht, und es wird auch nicht die letzte sein. Trotzdem trauern viele dem Mrs. Lovell hinterher. Im Graefekiez üben sich mehrere Wirte in Selbstbeschränkung, was den abendlichen Außenausschank angeht. Am Südstern eröffnet ein neuer Wochenmarkt, und mog61 bemalt Stromkästen.

2013

Gleisdreieckpark (Westgelände)Schon wieder mog61: Der Verein veranstaltet das erste Straßenfest in der Mittenwalder. Monika Herrmann löst Franz Schulz als Bezirksbürgermeisterin ab und »erbt« nicht nur einen eröffnungsreifen Gleisdreieckpark, sondern auch eine besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS). Neuer Ärger bei den Wirten: Der Bundesliga-Pay-TV-Sender SKY wird erheblich teurer.

2014

Bettie Berlin mit Kiez und KneipeNicht nur die GHS, sondern auch die Dealer im Görli schlagen hohe Wellen im Bezirk und darüber hinaus. Kiez-und-Kneipe-Chef Peter lädt das erste Mal zum Pub-Quiz ins TooDark, das, kurz nach einem rauschenden KuK-Fest zum Zehnjährigen, zwecks Umfirmierung und Inhaberwechsel seine Pforten schließt.

2015

Gemüseladen »Bizim Bakkal«Das Jahr steht im Zeichen der Ini­tiativen: Kreuzberg hilft sammelt Spenden für Geflüchtete, in der Schleiermacherstraße organisiert sich Widerstand gegen eine Verlegung des Spielplatzes an der Ecke Fürbringerstraße, und Bizim Kiez kämpft in SO36 gegen Verdrängung von Mietern – mit gewissem Erfolg: Im Dezember nimmt der Bezirk erstmals sein Vorkaufsrecht wahr, um ein Haus der Spekulation zu entziehen.

2016

Kottbusser TorManchmal schreiben auch andere die Schlagzeilen: Im Frühjahr jedenfalls erklären mehrere bundesdeutsche Medien den Kotti zur No-Go-Area. Ob da was dran ist? Unklar ebenfalls: die Zukunft der Cuvry-Brache. Nur zwei von vielen Problemen, mit denen sich die insgesamt acht in die BVV gewählten Parteien beschäftigen dürfen.

2017

Canan Bayram mit KuK-Redakteurin Manuela Albicker.Der Bericht über Methadonpatienten am U-Bahnhof Gneisenaustraße und zwei gegenläufige Initiativen beschert der Kiez und Kneipe einen kostspieligen Rechtsstreit. Bei der Bundestagswahl im September beerbt Canan Bayram den langjährigen grünen Direktkandidaten Christian Ströbele.

2018

MöckernkiezMan mochte schon gar nicht mehr dran glauben: Nach Finanzierungsproblemen und Baustopp sind die Mietwohnungen im Möckernkiez nun doch noch fertig geworden. In der Friesenstraße hingegen gehen die Bauarbeiten am Straßenbelag erst los.

2019

Elektro-Tretroller mitten auf dem BürgersteigZum Dauerthema entwickelt sich die geplante Begegnungszone in der Bergmannstraße mit ihren Parklets, Findlingen und farbigen Punkten. Der Kiez wird derweil von Elektro-Tretrollern überflutet, die auch von der Redaktion mutig getestet werden. Neue Hoffnung für Gentrifizierungsbedrohte: Der Mietendeckel kommt.

 

Fotos: Hoepfner (2012), Hungerbühler (2010), Kaspar (2007, 2008, 2015, 2016), Plaul (2009, 2011, 2013, 2017, 2018), Stark (2019), Tiesel (2014), Vierjahn (2006)

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Glühlämpchen, Glühlämpchen flimmre (flimmre)

Marcel Marotzke hat Lichtstimmungsschwankungen

Mein Freund Stefan könnte stundenlang über Lichtstimmungen philosophieren. Schon Jahre bevor das »Smart Home« zum Massenphänomen wurde und selbst bei Aldi und Lidl in den Regalen mit der Aktionsware irgendwelche »smarten« Fernost-Leuchter mit App-Steuerung auf experimentierfreudige Käufer warteten, hatte Stefan seine Anderthalbzimmerwohnung komplett auf LEDs umgestellt. Die waren damals freilich noch nicht warmweiß, sondern rot, gelb und grün, und sorgten für eine eher spärliche Ausleuchtung, aber sie konnten per PC gesteuert werden. Also ausschließlich per PC. Über die Tastatur durch Eingabe einiger einfacher Befehle, wie er mir erklärte. Ich stellte mir das unheimlich praktisch vor, vor allem wenn man nachts mal auf Klo muss und dafür erst den Steuerrechner hochfahren darf, der aus Lärmschutzgründen in der Speisekammer hinter der Küche steht.

»Heutzutage ist das alles viel praktischer«, versichert mir Stefan, der durchaus um den Experimentalcharakter seiner damaligen Installationen weiß. »Das geht ganz unkompliziert per App.«

Die Bestandteile einer GlühbirneEine Glühbirne ist eine Glühbirne, ist eine Glühbirne – oder war sie zu Opas Zeiten. Illustration: Otto Lueger

Er steht auf, geht am deaktivierten Lichtschalter vorbei zum Tisch und holt sein iPhone. »Siri, schalte die Deckenleuchte ein«, bittet er sein Handy. Keine fünf Sekunden später sitzen wir im Flutlicht. »Diese Sorte LED ist leider nicht dimmbar«, erklärt er mir, »aber dafür stimmt die Farbtemperatur.«

»Farbtemperatur« ist mein Lieblingshasswort, spätestens seit dem letzten Elektroabteilungsbesuch im Baumarkt. Vor ein paar Jahren war der Leuchtmittelkauf noch einfach: 60 Watt für normal, 100 Watt für besonders hell, wahlweise in klar oder matt. Alternativ eine Energiesparlampe, wenn man es lieber funzlig haben wollte oder etwas fürs gute Gewissen oder die Stromrechnung tun wollte. Inzwischen muss man wissen, wie viel Lumen es sein sollen, und wie viel Kelvin. Nie zuvor kam ich mir so unqualifiziert vor wie vorm Osram-Regal im Bauhaus.

Aber ich habe ja einen Profi im Freundeskreis, der mir jetzt mein ganz eigenes Smart Home geplant hat.

Leider hat er mir ein striktes Discounter-Kaufverbot auferlegt, denn was dort angeboten würde, sei hoffnungsloser Murks, der sich, wie er sagte, »nicht vernünftig in eine anständige Smart-Home-Infrastruktur integrieren lässt«.

Etliche hundert Euro später habe ich das Gefühl, dass die Stromrechnung mein geringstes Problem ist. Dafür kann ich jetzt, von der Deckenlampe bis zum Stehleuchter, von der Heizung bis zur Kaffeemaschine alles per App steuern, sogar von unterwegs – vorausgesetzt, ich habe mein Telefon dabei und der Akku ist nicht mal wieder leer.

Nur die Spracherkennung funktioniert noch nicht so richtig, so dass ich schon einige Mal einen Kaffee kochte, wo ich doch eigentlich nur die Nachttischlampe einschalten wollte. Aber auch dafür gibt es eine Smartphone-Lösung. Mit der Taschenlampen-App kann man prima im Bett lesen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Was kommt da noch?

Rolf-Dieter Reuter blickt schon mal voraus

Das Jahr geht zu Ende und man würde ihm wohl kaum ein Unrecht antun, wenn man es als etwas zäh bezeichnen würde.

In den USA reiht sich eine trumpsche Ungeheuerlichkeit an die andere, und jede neue Ungeheuerlichkeit ist noch ungeheurer als die vorige, und je ungeheurer die Ungeheurigkeiten werden, desto wurstiger werden die Wähler, die Trump in einem Jahr wiederwählen werden.

Erinnert einen irgendwie an den Brexit, nicht wahr? Immer wenn man meint, es ginge nicht mehr schlimmer, beweisen die Briten dem restlichen Kontinent das Gegenteil. Der Brexit kommt und kommt nicht.

In unseren schönen Landen ist es ja auch nicht viel besser. Die kleinste große Koalition aller Zeiten quält sich durch die Legislatur, und alle hoffen, dass es bald ein Ende nähme. Es traut sich aber niemand aus der Koalition raus, weil vor der Tür ein zähnefletschender blauroter Hund sitzt. Hätten die Koalitionäre mehr Mut, müssten sie sich vielleicht auch nicht vor diesem knurrenden Köter fürchten.

Holzschnitt einer Ratte in Brehms Thierleben2020 ist das Jahr der Ratte.
Zumindest im chinesischen Horoskop. Holzschnitt: Brehms Thierleben

Und so ging es 2019 weiter … oder besser nicht. Der Berliner Flughafen … oje. Bayern München schon wieder Meister. Inzwischen werden in Deutschland Kinder eingeschult, die nie einen anderen deutschen Fußballmeister erlebt haben. Es ist zum Heulen.

Immerhin hat dieses Jahr der Welt eine wütende 16-jährige Schwedin gebracht. Nach dem ersten Schock hat sich schnell der Widerstand gegen das bezopfte Mädchen aus Stockholm formiert, wobei den Zöpfen durchaus eine entscheidende Rolle zukommt. Der eine oder andere Greta-Hasser hat dann auch noch versucht, sich an ihrem Asperger-Syndrom abzuarbeiten. Das war freilich ein Rohrkrepierer, weil sich unter den Greta-Feinden kaum einer etwas unter Asperger vorstellen kann.

Und jetzt? Wie geht’s weiter? Erwartet uns 2020 noch mal so ein Jahr, das sich thematisch zieht wie Kaugummi?

Fangen wir mal von hinten an. Ja, Trump wird wiedergewählt (war ja damals bei Nixon auch so). Doch er hat sich so viele Feinde auch in seiner Partei gemacht, dass das Impeachment gegen ihn knapp erfolgreich ist. Und da sein Vize Mike Pence gleich mitstolpert, wird Nancy Pelosi die erste Frau im Oval Office – und die erste Präsidentin, die gar nicht gewählt wurde (auch nicht als Vizepräsidentin).

Aber Wahlen sind überschätzt. In Großbritannien gibt es kein eindeutiges Ergebnis. Die EU schmeißt die Briten jetzt raus. Da ruft das Parlament den Ex-Speaker John Berkow (»Order«) zurück. Der wird Premier, hält ein zweites Referendum ab und die EU muss die Briten wieder zurücknehmen.

Auch in Deutschland wird es Neuwahlen geben, ohne eindeutiges Ergebnis. Grüne und Union sind gleichauf. Da Söder niemals mit Robert Habeck oder Annalena Baerbock als Kanzler leben könnte, einigt man sich in der Grün-Schwarz-Rot-Rot-Gelben Koalition auf Winfried Kretschmann als neuen Kanzler. Und Cem Özdemir wird sein Nachfolger als MP in BaWü.

Bleiben schließlich noch zwei Fragen offen: Wann öffnet der Berliner Flughafen und bekommt Greta Thunberg den Friedensnobelpreis? Zwei kurze Antworten: Nie und ja, aber sie lehnt ihn ab.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Schon wieder Kult?

2020 feiern die Einstürzenden Neubauten 30-Jähriges

Ich lese einen Wikipedia-Artikel. Dort heißt es: »Die Besetzung fluktuierte anfangs und konsolidierte sich 1981 personell um Bargeld, […]«. Ha, denke ich mir, wenn man den Satz jetzt einfach jemandem zu lesen geben würde, da wüsste die Person wohl auch nicht recht, was damit anzufangen wäre.

Auflösung: es gibt einen Menschen, der heißt Blixa Bargeld. Blixa Bargeld hat Bandkollegen und -innen: NU Unruh, Gudrun Gut, Beate Bartel. Nach viel Hin und Her, Für und Wider, und einer gro­ßen Durchmischung kamen FM Einheit, Mark Chung und Alexander Hacke dazu. Und um dieses Namedropping zu beenden und zum Inhalt zu kommen: Heutzutage spielen noch Jochen Arbeit, Rudolf Moser und Felix Gebhard bei den Einstürzenden Neubauten mit.

Blixa Bargeld jedenfalls, die wohl am meisten treibende Kraft der Band, gründete eben diese nach einem Auftritt mit Freunden. Dieser Blixa Bargeld war es auch, der Gerüchten zufolge in den 80ern in der Mittenwalder Straße eine Bar namens »Blechbüchse« betrieb, quasi um die Ecke der heutigen Redaktionsräume der Kiez und Kneipe. Falsch hingegen sind Gerüchte, eine gute Freundin der KuK habe dort Bier gezapft: »Und gezapft hat man damals sowieso nicht, sondern nur Flaschenbier getrunken. Zum Zapfen gab es damals in der Mauerstadt nämlich nur Schulle und Kindl und das war Würg!«, stellt sie richtig.

Einen Musikstil, oder was man so Musikstil nennt, hat die Band nicht. Die zuständigen Schubladen wären hier wohl Post-Punk, Krautrock, Hamburger Schule. Doch lässt sich ihr Schaffen wohl eher durch »Höre ich da gerade ein Didgeridoo aus Abwasserrohren?« beschreiben.

Die Einstürzenden Neubauten bewegen sich zwischen Kult und Kultur. Blixa Bargeld ist ein Phänomen – und dabei lebt er noch. Und auch wenn die Bewerbung der neuen Platte auf der Website wohl vor Eigenlob trieft, schafft es die Band, soweit ich das beurteilen kann, seit fast 30 Jahren, sympathisch zu bleiben. Sie sind dann eben doch das Original, das alles irgendwie so macht, dass es schon passt. Sind wir gespannt, welche klangvollen Namen das in Zukunft noch einschließen wird.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

»Ich habe meinen Beruf zum Hobby gemacht«

Robert S. Plaul traf den KuK-Drucker Ulrich Sattler

Uli SattlerUli Sattler. Foto: rsp

»Sag mal Uli, kennst du eine gute Druckerei?« Mit dieser unschuldigen Frage fing das alles an, als Miran Hauptmann und Peter S. Kaspar vor etwas über 15 Jahren die Idee für eine Kiezzeitung hatten. Heute ist Uli Sattler neben dem Chefredakteur gewissermaßen der dienstälteste Mitarbeiter der Kiez und Kneipe. Als freier Mitarbeiter der Druckerei KOMAG hat er beinahe alle Ausgaben der KuK gedruckt.

Dass Uli, geboren 1958 in Krefeld, überhaupt eine Druckerkarriere einschlug, war eher ein Zufall, der auch der Berufsschulpflicht geschuldet war. Jedenfalls schloss er seine Ausbildung an der Assistentenschule für Gestaltung 1980 mit der »Fachprüfung Offsetdrucker« ab.

Der erste Job in einer lokalen Druckerei machte Spaß, auch wenn die dort produzierten Drucksachen – Fachzeitschriften über Schweißtechnik sowie Branchenblätter im Bereich Kfz, Bus und Bau – wenig Abwechslung versprachen.

Da trotz Ausbildung und Abendschule auch immer wieder die Wehrpflicht drohte, flüchtete Uli 1984 wie so viele andere nach Berlin. Drucker waren damals heiß begehrt. »Wann können Sie anfangen?«, fragte man ihn. »Morgen?

Die Druckerei Johann Schönwald in der Alexandrinenstraße war »die erste Druckerei, wo richtig alles funktionierte«, erzählt er – aber auf Dauer war es ihm auch hier zu langweilig.

Mehr Herausforderung fand er bei Felgentreff & Goebel in der Zossener Straße. Er erinnert sich an hochwertige Auktionskataloge für die Villa Grisebach. Mit der Übernahme der Firma durch den Bauer Verlag kamen dann allerdings nicht nur Pferdepostkarten für die Bravo Girl, sondern auch die baldige Schließung des Betriebs.

So stand Uli, der dort noch seinen »Industriemeister Druck« gemacht hatte, 1992 erstmal auf der Straße. Sein Berufswunsch war klar: Er wollte eine Stelle als Auftragsbearbeiter, gewissermaßen die Schnittstelle zwischen Kunde und Drucker. Doch solche Jobs werden bevorzugt an Personen mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Posten vergeben.

Nach einer Zwischenstation bei einer Druckerei im Oranienhof, fand er dann im Sommer 1995 eine Stellenanzeige der Verwaltungsdruckerei, die genau seinen Traumjob ausschrieb. Uli bewarb sich – und wurde genommen.

Als das Land Berlin die eigene Druckerei 2002 schloss, hätte Uli über genug Erfahrung verfügt, um sich überall als Auftragsbearbeiter zu bewerben, doch nun war er ja auch unbefristet Angestellter im öffentlichen Dienst – keine schlechte Situation in Zeiten des Druckereisterbens.

Das »Zentrale Personalmanagement« des Landes wusste allerdings nicht so recht, wohin mit ihm, und auch die meisten Behörden suchten eher einen gelernten Verwalter als einen Drucker. Nur in Neukölln zeigte man sich offen für Quereinsteiger. Seit 2010 arbeitet er dort als Sachbearbeiter im Bereich »Hilfe zur Pflege« des Sozialamtes. Seine Behörde springt ein, wenn Pflegeversicherung und Einkommen nicht ausreichen, um die Kosten einer häuslichen Krankenpflege zu decken.

Und das Drucken? Der Kontakt zu KOMAG kam noch zu Verwaltungsdruckereizeiten, als beide Druckereien in der Kohlfurter Straße residierten. Immer wieder sprang er seitdem für einzelne Aufträge als Aushilfe ein. »Andere machen ihr Hobby zum Beruf«, sagt er. »Ich habe meinen Beruf zum Hobby gemacht.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Ansporn und Motivation

Kiez und Kneipe feiert Geburtstag und geht optimistisch ins 16. Jahr

Dies ist eine ganz besondere Ausgabe der Kiez und Kneipe. Einerseits markiert sie unseren Geburtstag. Am 4. Dezember vor 15 Jahren erschien das Kreuzberger Lokalblättchen nämlich zum ersten Mal.

Dass wir nun in unseren 16. Jahrgang gehen, ist so selbstverständlich nicht. Wer in den letzten Wochen und Monaten die Berichterstattung in eigener Sache verfolgt hat, wird registriert haben, dass diese Ausgabe und damit auch der weitere Fortbestand der KuK zeitweise in den Sternen stand.

Mittlerweile hat sich einiges geändert. Getragen von einer Welle der Solidarität und aktiver Unterstützung, die uns überrascht und berührt hat, ist die Existenz der KuK für das kommende Jahr und hoffentlich darüber hinaus aus heutiger Sicht gesichert.

Wir sind sehr froh und all jenen dankbar, die mitgeholfen haben, dass dieses kleine journalistische und unabhängige Biotop weiter existieren kann – und dass es offensichtlich eine ganze Menge Leute gibt, die wollen, dass die KuK auch in Zukunft erscheint. Natürlich ist das für die Redaktion jetzt Ansporn und Motivation, unseren Lesern möglichst viel wieder zurück zu geben.

In den letzten Wochen haben wir mit den unterschiedlichsten Leuten gesprochen und diskutiert. Manche wünschen sich, dass die KuK wieder ein wenig wird wie früher, zu ihren Anfangszeiten, als viel direkt aus den Kneipen berichtet wurde, dafür aber damals noch weniger über die lokale Politik.

Anderen kommt gerade die Politik immer noch ein wenig zu kurz. Sie wünschen sich mehr härtere Themen und eine klare Kante.

Allen werden wir es gewiss nie recht machen können, doch die Redaktion wird sich auch in Zukunft darum bemühen, dass jeder wenigstens ein bisschen von dem wiederfindet, was er sich in seinem Kiezblatt erhofft.

In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal im Namen der ganzen Redaktion bedanken und allen schöne Feiertage und ein erfolgreiches 2020 wünschen.

Herzlichst,
Peter S. Kaspar

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.