Pornografie einst und jetzt

Das 14. Pornfilmfestival blickt zurück und kampfbereit nach vorn

Filmstill aus dem Kurzfilm »Riot not Diet«»Riot not Diet« ist ein Kampf um Sichtbarkeit und gegen Fat-Shaming. Foto: PFFB

Mit einem umfassenden Retrospektiven- und Klassiker-Programm warf das 14. Pornfilmfestival Berlin, das Ende Oktober im Moviemento und Babylon Kreuzberg stattfand, mehr als in den Jahren zuvor einen Blick zurück in die Geschichte der ebenso kontrovers diskutierten wie missverstandenen Filmgattung. Werke wie »La Planque 1« (1975) des weitgehend vergessenen französischen Regisseurs José Bénazéraf lassen mit ihrer tief eingeschriebenen Rape-Culture erahnen, woher die Pornografie ihren schlechten Ruf hat – auch wegen der unsäglichen deutschen Synchronisation, die ihren Namen nicht verdient,  aber für viel Gelächter im Kinosaal sorgte. »Body Lust« (1979) ist – was die Synchro der 35mm-Kopie angeht – fast noch erheiternder und kann auf der Habenseite zudem verbuchen, als einer der frühesten Pornos mit weiblicher Regie (Monique Carrera) ein Frauenbild zu vermitteln, das stärker von Selbstbestimmtheit geprägt ist.

Die Filme »Hungry Hearts« (1989) und »Suburban Dykes« (1990) der Regisseurin und Produzentin Nan Kinney gehören zu den Frühwerken eines lesbisch-emanzipatorischen Kinos. Kinneys Platz im Filmmaker-in-Focus-Programm war jedenfalls hochverdient.

Bei den zeitgenössischen Filmen des Festivals zeigt sich eine immer stärkere Politisierung – die nicht von Ungefähr kommt: In vielen Ländern werden LGBTQ-Rechte zunehmend beschnitten, in Brasilien wird durchschnittlich alle 20 Stunden ein queerer Mensch ermordet. Mutige Kurzfilme wie »Etérea – Criolo« (Musikvideo+Making-of) und »Polish Cumbucket« setzen sich damit auseinander und dürfen getrost als Kampfaufrufe verstanden werden.

Derweil gedeihen die Produktionen weiblicher Filmemacher: Beeindruckend intim geriet der Kurzfilm »We see you« von Jenz Mau, der mit dem Blick des Zuschauers spielt. »Veux moi« von Bambi Rainotte setzt sich selbstbewusst mit dem Wunsch nach Begehrtwerden auseinander und ist die sehenswerteste No-Budget-Produktion seit Jahren.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2019.

Lieblingslokal

Das Clash und die Kiez und Kneipe sind gleich alt Clash bedeutet Zusammenprall. Das ist mir letztendlich und erstmalig bei der Recherche für diesen Artikel aufgefallen. Ich finde, das ergibt auch ziemlich viel Sinn, wenn man an eine Punkrockband aus England denkt. Die ja an sich gar nicht viel mit Kreuzberg zu tun hätte. Gäbe […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2019.

Humppa aus Berlin

Was Friedrichshain und Kreuzberg verbindet Denke ich an Kreuzberg, so denke ich nicht an die Wallerts. Jedenfalls nicht gleich. Denn die sind eingeborene Friedrichshainer. Und trotzdem verirren sich die fünf Humppamänner, namentlich Dawa, Stefan, Laui, Willie und Peter Wallert, doch das ein oder andere Mal in den »richtigeren« der beiden Teile. Aber was genau sind […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2019.

Mal rauchig, mal melancholisch

Viele Liebeslieder über Kreuzberg Sommerloch. Und weit und breit keine OpenAir-Bühne in Kreuzberg. Höchste Zeit, den Bezirk mal songgeschichtlich ein wenig aufzuarbeiten. Den Anfang macht Klaus Hoffmann, der mit seinem »Kreuzberger Walzer« eine einigermaßen romantische Nacht zwischen lyrischem Ich und Dir einigermaßen unverständlich mit einer gepresst rauchigen Stimme besingt. Dagegen überzeugt das süße »Kreuzberg, meine […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2019.

Die meisten Brunnen sind kaputt

Mitten in der Jahrhunderthitze macht Kiez und Kneipe den großen Schwengelpumpentest Unauffällig stehen sie am Gehsteigrand. Wer nicht bewusst auf sie achtet, sieht sie oft gar nicht. Wahre Kunstwerke sind darunter, zum Beispiel die alten Lauchhammerpumpen aus dem 19. Jahrhundert mit dem Fischkopf, dem Drachenkopf oder dem Pelikan. Berlin hat einen großen Schatz: Es sind […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2019.

Umsonst & draußen

Sommeranfang reimt sich auf Musikvielfalt Und jetzt alle: Wir! Lieben! Die! Fête! »Wie? Und dann spielen die da kostenlos auf den Straßen?« Eltern sind oft ein guter Realitätscheck, wenn man die Bonbons der Gegebenheiten, die zauberhaften Selbstverständichkeiten, die Ja-ja-das-ist-immer-so’s der Berliner Musikszene mal wieder unterschätzt hat. In meiner Heimatstadt gibt es nämlich keine Fête de […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2019.

Stoff für Schallplatten-Junkies

Bei »Lefter Records« in der Gneisenau gibt’s Vinyl aus aller Welt Als ich den Laden an der Gneisenaustraße 114 betrete, läuft gute, laute Soulmusik. Inhaber Erbatur Çavuşoğlu begrüßt mich freundlich, er stellt die Musik leiser und führt mich herum. Obwohl sich das Geschäft halb im Keller befindet, ist es schön hell und gar nicht so […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.

Schön sortiert von A bis Z

Tocotronic-Texter Dirk von Lowtzow verrät erneut Privates Es ist Mittwoch, ich bin seit einer Woche wieder in Berlin und freue mich auf die »Aus dem Dachsbau«-Lesung von Dirk von Lowtzow im Kreuzberger HAU. In dieser Kolumne hier habe ich schon einmal über Dirk von Lowtzow erzählt, der als zauberhaftes Sprachtalent die so kunstvoll ausgestalteten, perfekt […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2019.

Mauschelei ohne Not

Mit der Transparenz und der Bürgerbeteiligung ist das ja immer so eine Sache: Einerseits ist es wünschenswert (und wohl auch politischer Wille), möglichst viele Betroffene am Entscheidungsfindungsprozess teilhaben zu lassen, andererseits gilt gerade bei komplexeren Themen, die umfangreiche Einarbeitung erfordern: Viele Köche verderben den Brei. In so einer Situation ist eine Institution wie die Steuerungsgruppe […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2019.

Die Hasenheide ist dicht

Neue Verkehrsführung provoziert Dauerstau Es war seit Jahren ein Defizit in der Hasenheide: Für Radler gab es nur eine Spur vom Hermannplatz bis zum Südstern. Wer in umgekehrter Richtung unterwegs war, musste entweder – verkehrswidrig – den Radweg an der Nordseite benutzen und wurde so zum pedalierenden Geisterfahrer oder – verkehrswidrig – den Gehweg auf […]

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2019.