Niemand hat die Absicht…

Jeder wird wohl wissen, wie dieser Satz von Walter Ulbricht weiter ging und jeder wird auch wissen, was zwei Wochen nach diesem Satz passierte. Die Mauer wurde eben doch gebaut.

Kurt Wansner, Urgestein der Kreuzberger CDU, lehnt eine Bürgerwehr ab. Gleichzeitig fürchtete er jedoch, dass seine wackeren Kreuzberger zur Selbstjustiz greifen könnten, wenn das Anzünden von Autos nicht bald aufhören würde. Vielleicht wäre eine Bürgerwehr dann ja doch ganz schlau, dann hätte man all die Selbstjustizaspiranten unter Kontrolle? Nicht wahr? So könnte die Argumentation doch weiter gehen.

Kurt Wansner ist für rustikale und krachlederne Vorstöße bekannt, manchmal sind sie auch ganz amüsant. Aber hier scheint einer mit Hilfe von Brandstiftern politisch zu zündeln. Bürgerwehr in Kreuzberg? Schwachsinn.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Hubschrauber, Bürgerwehr und gute Worte

Ratlosigkeit im Kampf gegen Autobrandstifter

Brennende Autos in Kreuzberg und Friedrichshain scheinen inzwischen zum Alltag zu gehören. Wie die Berliner Polizei diesem inzwischen chronischen Problem endlich Herr werden will, hat Polizeipräsident Glietsch in einem großen Interview, das er dem »Tagespiegel« gegeben hat, leider nicht verraten. Dagegen hat der frühere CDU-Bundestagskandidat für Kreuzberg der gleichen Zeitung verraten, was er ablehnt, nämlich eine Bürgerwehr.

Tatsächlich ist die Ratlosigkeit aller Orten inzwischen ziemlich groß. Die Bürgerlichen Parteien werfen der Berliner Polizei vor, zu wenig gegen die steigende Zahl der Brandstiftungen zu unternehmen, doch ein Patentrezept haben auch sie nicht.

Einen Rückschlag mussten die Ermittlungsbehörden nun hinnehmen, als die Justiz zwei Verdächtige wieder laufen ließ und der Polizei mehr oder minder deutlich Schwächen in der Ermittlung unterstellten.

Tatsächlich scheinen die Beamten bisweilen etwas unbedarft zur Werke zu gehen. In der militanten linken Szene amüsiert man sich jetzt noch über die polizeiliche Einschätzung eines Brandanschlages auf einen mehr als zehn Jahre alten japanischen Mittelklassewagen. Da dieses Modell nun schon ziemlich betagt war und außerdem entschieden nicht ins Hochpreissegment passte, entschied die Polizei messerscharf, dass es sich dabei nicht um einen politisch motivierten Brandanschlag handele.

Die Polizei musste sich dann allerdings von der linken Szene korrigieren lassen. Ein Wagen mit dem Kennzeichen B-DM 1933 habe durchaus eine politische Bedeutung, zumal er einer, wie die Linken behaupteten, bekennenden Rechtsextremistin gehöre.

Dieter Glietsch, will im Kampf gegen die Autozündler weder Hubschrauber einsetzen, wie das zum Beispiel schon im Kampf gegen Sprayer passiert ist, noch will er bestätigen, dass die Polizei Lockfahrzeuge einsetzt.

Er hofft, dass vor allem linke Politiker mit guten Worten auf die Szene einwirken können, damit die Brandanschläge aufhören. Kurt Wanser wird das nicht genügen. Er fürchtet sowohl um seinen Kiez, als auch, dass Bürger zur Selbtsjustiz schreiten könnten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Bau auf, Bau auf

Baustellen legen Verkehr in Kreuzberg lahm

Hier baut der Bund: Baustelle Gneisenau.

Foto: piHier baut der Bund: Baustelle Gneisenau. Foto: pi

Selbst das Bauamt hat es inzwischen wohl aufgegeben und den Überblick über die Baustellen verloren. Eine Liste gibt es jedenfalls nicht. Nur soviel ist klar: Die Bauorgie im Bezirk wird noch einige Wochen weitergehen.

Ärgerlich ist es für die Autofahrer vor allem, wenn sie in Ost-West-Richtung unterwegs sind. Die drei Magistralen Gitschiner/Skalitzer, Urbanstraße und Gneise­nau­straße sind alle unterschiedlich von Baustellen betroffen. Es nützt also nicht besonders viel, von der einen auf die andere auszuweichen.

Hart hat es die Bewohner rund um den Südstern getroffen. Seit gefühlten fünf Jahren wird da nun gebaut. Grund war der Umbau des U-Bahnhofs. In den letzten Jahren waren sogar Karneval der Kulturen und der Berlin-Marathon immer wieder gezwungen gewesen, ihre angestammten Routen zu verändern. Endlich, so schien es, war ein Ende abzusehen. Die Anlagen nördlich der Kirche waren frisch eingesät, die letzten Bagger verschwunden, und dann kamen schon die nächsten. Jetzt wurde die Fahrbahndecke im Zuge der Stra­ßen­sa­nie­rung erneuert.

Inzwischen ist auch die Zufahrt zur Blücherstraße blockiert, womit eine weitere Ausweichmöglichkeit, dem zwangsläufigen Stau in der Gneisenau zu entkommen, genommen ist.

Immerhin outet sich der Übeltäter an der Gneisenau sehr klar. Hier baut nämlich die Bundesregierung, die dem staunenden Autofahrer mehr oder weniger aufdringlich auf einem Schild klarmacht, dass die Gelder aus dem Konjunkturpaket II gerade in der Gneisenaustraße verbuddelt werden.

Wenn diese Gelder ihre segensreiche Wirkung getan haben werden, dann wird der Verkehr wunderbar und ungestört durch die Gnei­se­nau­straße rollen? Von wegen. Die BVG saniert derzeit die Tunnel der U7, und das bleibt auch nicht ganz ohne Auswirkungen auf den oberirdischen Verkehr.

Wer sich dem Ost-West-Chaos entziehen will, der kann es ja einfach mit einer Nord-Süd-Verbindung versuchen. Auf der Baerwald- und Prinzenstraße kommt er allerdings auch nicht besonders weit. Auch hier wird seit Wochen gebaut. Dann nichts wie raus aus der Stadt, am besten über die Stadtautobahn, doch um dorthin zu kommen, muss der Autofahrer erstmal den Engpass auf dem Tempelhofer Damm passieren.

Bleibt noch die U-Bahn zu benutzen. Aber bitte nicht die U1. Zwischen Warschauer Brücke und Kotti gibt es Schienenersatzverkehr. Vorausgesetzt, der Bus steckt nicht im Stau fest.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Frau bei Verkehrsunfall schwer verletzt

Eine Fußgängerin erlitt bei einem Verkehrsunfall in Kreuzberg in der Nacht zu Donnerstag schwere Verletzungen. Nach den bisherigen Ermittlungen befuhr gegen halb zwei ein 53jähriger Mercedes-Fahrer die Gneisenaustraße in Richtung Mehringdamm. An der Kreuzung Gneisenau-/Zossener Straße betrat die 23jährige bei Rot die Straße und übersah den heranfahrenden Wagen. Die junge Frau wurde von dem Auto erfasst und erlitt schwere Verletzungen. Die Feuerwehr brachte sie mit Kopfverletzungen und Beinbrüchen zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus.

Spielhallenraub endet am Laternenmast

Zivilbeamte der Polizeidirektion 5 nahmen Mittwoch nachmittag einen Räuber fest, der mit zwei unbekannt gebliebenen Komplizen eine Spielhalle in Kreuzberg überfallen hatte. Gegen 16 Uhr betraten die drei maskierten Räuber das Spielcasino in der Glogauer Straße und bedrohten die Angestellten und Kunden mit einer Pistole. Anschließend brachen sie die Spielautomaten auf und entwendeten das Geld. Nachdem sie aus der Ladenkasse ebenfalls Bargeld entnommen hatten, flüchteten sie aus dem Lokal. Bevor das Trio mit einem BMW entkam, alarmierte eine Angestellte unbemerkt die Polizei. Die Beamten verfolgten kurz darauf das Fluchtauto, das wenig später in der Görlitzer Straße gegen einen Laternenmast prallte. Die Fahnder nahmen den 19jährigen Fahrer fest. Seine beiden Komplizen flüchteten in unbekannte Richtung. Das Fahrzeug wurde beschlagnahmt, und der Mann einem Raubkommissariat des Landeskriminalamtes überstellt.

Diebe bei der Müllentsorgung gestellt

Dienstag nachmittag wurden zwei junge Männer beim Entsorgen diverser Gegenstände in Kreuzberg festgenommen. Zivilbeamte des Polizeiabschnitts 52 beobachteten gegen 14:20 Uhr die beiden 23jährigen Männer, die verschiedene Wohnhäuser in der Hagelberger Straße betraten und anschließend Gegenstände untereinander austauschten und in umliegende Mülleimer warfen. Bei der Überprüfung der Verdächtigen fanden die Beamten Diebesgut aus einer kurz zuvor entwendeten Handtasche sowie Plastikkarten, die zur Öffnung von Wohnungstüren verwendet werden können. Während einer der Täter nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung entlassen wurde, wurde dessen Komplize der Kriminalpolizei überstellt.

Brennende Müllcontainer

In der Nacht zu Dienstag zündeten unbekannte Täter mehrere Mülltonnen in Kreuzberg an und beschädigten daneben parkende Fahrzeuge.

Gegen 1:10 Uhr brannte ein Müllcontainer in der Skalitzer Straße, welcher zwischen zwei VW-Transportern der Deutschen Post abgestellt war. Die beiden Fahrzeuge sowie zwei weitere Transporter, die daneben parkten, gerieten durch die Flammen ebenfalls in Brand und wurden beschädigt.

Durch eine brennende Mülltonne in der Muskauer Straße wurde gegen halb drei ein daneben parkender BMW beschädigt.

Kurz vor 3 Uhr setzten Unbekannte einen Müllcontainer in der Pücklerstraße in Brand.

Etwa 45 Minuten später brannten drei Mülltonnen auf einem Hof in der Waldemarstraße.

In allen Fällen haben Einsatzkräfte der Feuerwehr die Flammen gelöscht. Verletzt wurde niemand.
Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts hat die weiteren Ermittlungen übernommen.

Zwei Kieze, zwei Filme

Robert S. Plaul war unterwegs zwischen Neukölln und Kreuzberg

Murat und Hakan hängen und albern an ihrer Stra­ßen­ecke rum

Foto: Dirk LütterMurat und Hakan hängen und albern an ihrer Stra­ßen­ecke rum Foto: Dirk Lütter

Eigentlich bezeichnet das Wort »Kreuzkölln« den Reuterkiez und steht zugleich für einen Ort wie auch dessen Entwicklung, eine geo­gra­fi­sche und eine gesellschaftliche Lage gewissermaßen. Unter dem gemeinsamen Titel »Kreuzkölln« kommen jetzt aber auch zwei Filme ins Kino, von denen nur der erste, »Moruk«, zumindest teilweise in jenem nördlichen Zipfel Neuköllns spielt.

Die beiden Deutschtürken Murat (Oktay Özdemir) und Hakan (Burak Yigit) hängen die meiste Zeit an ihrer Straßenecke herum, kiffen, träumen und philosophieren. Ab und zu ziehen sie mal jemanden ab, der sie für Dealer hält. Da begegnen sie Irina (Irina Potapenko) und Klara (Klara Reinacher) und ihr Leben gerät ein wenig in Bewegung. Viel mehr passiert in dem 29minütigen Kurzfilm von Serdal Karaça eigentlich nicht. Trotzdem ein gelungener Blick über den soziokulturellen Tellerrand – und eine gute Einstimmung auf den ‚Hauptfilm‘, die Dokumentation »24 Stunden Schlesisches Tor«.

Einen Tag und eine Nacht lang waren die Regisseurinnen Eva Lia Reinegger und Anna de Paoli mit ihrem Team rund ums Schlesische Tor unterwegs und haben die Menschen dort beobachtet und interviewt. Anwohner und Ausgehwütige, Migranten und Müllwerker, Künstler und Kaputte – die Mischung der Gesprächspartner ist chaotisch und teilweise bizarr, aber irgendwie auch ziemlich treffend. Ohne störenden Erzählerkommentar aus dem Off portraitiert der Film eine Gegend und deren Menschen, die erstaunlich offen von ihrem Leben, ihren Problemen und Träumen oder ihren Ansichten erzählen.

Leider geht keiner der Filme auf das ein, was der Titel nahelegen würde: Das Problem der Gentrifizierung, der steigenden Mieten und der Verdrängung ärmerer Bevölkerungsteile – dabei hätte sich das gerade am Beispiel des Schlesischen Tors gut zeigen lassen können. Nichtsdestotrotz aber zwei sehr stimmungsvolle Filme, die man auch und gerade jedem Neu-Berliner sehr ans Herz legen kann.

Ab 29. Oktober im Moviemento

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2009.

Es geht voran

Die Bedeutung der Baucontainer im Kiez

Der Blick auf schutt­überladene Baucontainer beim Spaziergang durch den Kiez regt den Gedanken an, die Renovierung Kreuzbergs schreite voran. Da keimt die Hoffnung auf eine Zukunft in einer zentralbeheizten Altbauwohnung mit gefliestem Badezimmer, Geschirrspülmaschine und romantischer Aussicht auf die Hasenheide auf. Doch der Blick auf die Marktsituation zum Beispiel in der Bergmannstrasse lässt dieses Luftschloss zerplatzen wie eine Seifenblase. Eine solche Wohnung muss man sich heutzutage schon kaufen, dumm nur, dass sich das kaum einer leisten kann.

Wo wie hier gebaut wird steigen vermutlich bald die Mieten.

Foto: pskWo wie hier gebaut wird steigen vermutlich bald die Mieten. Foto: psk

Dass hier irgendetwas schiefläuft, fiel sogar der Wirtschaftswoche auf. Im März 2009 bescheinigte sie dem Berliner Immobilienmarkt den drittletzten Platz: Mäßige Wirtschaftskraft, sehr mäßige Standortqualität, stagnierende Sozialstruktur – alles durch die Brille des Kapitalanlegers gesehen.

Doch unverdrossen wird weiter renoviert, entmietet, die Miete erhöht und gebaut. Nun hat ein aktiv-kreativer Umgang der Kreuzberger mit gesellschaftlich wirtschaftlichen Gegebenheiten eine lange Tradition. Die Polit-Bewegung der 70er mündete fließend in die Hausbesetzer-Bewegung der 80er, die sich gegen spekulativ erzeugten Leerstand richtete, der Platz für schöne neue Betonbunker geschaffen hätte.

Paradoxerweise wird der Erfolg dieser Hausbesetzer-Bewegung dem Kiez jetzt zum Verhängnis. Das Blatt hat sich gewendet, trotz schlechter Bewertung in Kapital-Fachzeitschriften treten auf dem Kreuzberger Wohnungsmarkt vermehrt solvente Käufer auf, die schicke, szenenahe Altbau-Eigentumswohnungen zu horrenden Preisen erstehen. Aber keine Sorge, auch diese Käufer tragen ihr eigenes Paradoxon mit sich herum. Ist der Umzug ersteinmal überstanden, geht es an die Neustrukturierung des Wohnumfeldes. Wer zwischen zweihunderttausend und einer Million Euro für eine Eigentumswohnung hinblättert, toleriert keine Lärmbelästigung. Mit Hilfe des Ordnungsamtes wird genau die Szene, wegen deren Nähe der Preis gezahlt wurde, mundtot gemacht. Kiez und Kneipe berichtet seit geraumer Zeit über die einschlägigen Probleme der Wirte in dieser Hinsicht.

Trotz der aktuellen Maßnahmen zum Milieuschutz scheint der Raum für die lebendige Szene in Kreuzberg zu schwinden. Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen?

Die politischen Direktkandidaten fordern – je nach politischer Couleur – Veränderungen im Mechanismus der Vergleichsmieten (Wawzyniak), Mietpreisbindungen (Ströbele), Raumzuweisungen für Kulturschaffende (Böhning), flexiblere Handhabung amtlicher Auflagen (Löning) oder bedingungsloses Grundeinkommen (Lengsfeld). Ob irgendeine dieser Maßnahmen gegen einen Verdrängungswettbewerb wirkt, der über die Umwandlung in (oder »Schaffung von«) Eigentumswohnungen geführt wird, bleibt zu beobachten. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass überhaupt Schutzmaßnahmen durchgesetzt werden können.

Kultur und Szene werden von real existierenden, lebendigen Menschen gemacht. Falls die aktuellen Tendenzen anhalten, werden diese Menschen durch einen Typus verdrängt, der »Szene« als ein Produkt begreift, das man kaufen und konsumieren kann. Es bleibt die Frage, wie ein kreativer Umgang mit solchen Gegebenheiten aussehen könnte. Die ersten Flucht-Tendenzen nach Neukölln werden sichtbar – sollte sich die Geschichte dort wiederholen? Der gemeinschaftliche Kauf eines Bonner Stadtteils und anschließende Umwandlung à la Worpswede scheint wenig wahrscheinlich und es ist als Kreuzberger auch nicht einzusehen, weshalb man sich von seinem eigenen Publikum aus der Stadt jagen lassen sollte.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2009.

Erkenne den Kiez

Nein, ein Bundestagsabgeordneter muss nicht ein Nebenbürgermeister im Kiez sein. Und sicher kann er nicht die bundespolitische Gesetzgebung nach den Bedürfnissen der Kreuzberger umschmieden. Da ist es nur verständlich, wenn der ein oder andere bei einer Wahlveranstaltung klar macht, wie weit die Möglichkeiten eines Bundespolitikers im lokalen Bereich reichen. Doch wo, wenn nicht im eigenen Kiez, kann er seine Persönlichkeit vor dem Wähler herausarbeiten. Die Wahlprogramme der einzelnen Parteien sind ja bekannt und dass sich die Kandidaten diesen Programmen im Großen und Ganzen verpflichtet fühlen sollten, versteht sich von selbst. Wer also noch nicht weiß, wo er am 27. September sein Kreuzchen machen soll, der kann doch seine Entscheidung davon abhängig machen, wie es der Kandidat mit dem Kiez hält.

Vier gegen Ströbele

Kiez und Kneipe lädt Bundestagskandidaten zum Redaktionsgespräch ein

Die Klage, dass dem Bundestagswahlkampf die großen Themen fehlen, mag ja bundesweit berechtigt sein. Doch Kandidaten treten schließlich auch in einem Wahlkreis an, den sie im Erfolgsfall im Bundestag vertreten sollen. So gesehen gibt es natürlich in Kreuzberg eine ganze Menge Themen, mit denen Bundestagskandidaten konfrontiert werden können.

Bereits vor vier Jahren hatte die KuK alle Kandidaten der im damaligen Bundestag vertretenen Parteien zu öffentlichen Redaktionsgesprächen eingeladen. Alle waren dieser Einladung gefolgt. So auch in diesem Jahr, vor einem Wahlkampf, der zumindest in Kreuzberg einige Spannung verheißt.

Da ist zunächst einmal Hans-Christian Ströbele. Der einzige Grüne, der je durch ein Direktmandat in den Bundestag eingezogen ist, gilt nicht nur den Grünen inzwischen als Ikone. Bundesweit eher als kritischer Nachfrager in heiklen Untersuchungsausschüssen bekannt, ist er auch im Kiez sehr präsent. Ob als Vermittler im McDonaldsstreit, als Schlichter am Kotti oder als Mutmacher bei der Paddelparade. An Kreuzbergs bekanntestem Radler kommt kaum einer vorbei.

Das ist auch den anderen Parteien klar, die dieses Mal ausnahmslos Parteiprominenz ins Rennen schicken.

Die SPD setzt auf Björn Böhning. Der einstige Juso-Vorsitzende ist Sprecher der Partei-Linken und leitet in der Senatskanzlei das Grundsatzreferat. Er kann sich also der besonderen Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit sicher sein.

Die Mitbegründerin von Bündnis 90 ist heute bei der CDU. Mit der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld will die Union in Deutschlands grünstem Wahlbezirk Punkte machen. Mit einem überraschend guten Listenplatz ausgestattet könnte ihr auch ohne Sieg der Sprung in den Bundestag gelingen.

Ein wenig pikant wirkt der Fall FDP. Für sie kandidiert im Wahlkreis kein geringerer als der Landesvorsitzende Markus Löning. Der sitzt bereits im Bundestag und wäre wohl als Spitzenkadidat auf der Landesliste wieder gewählt worden. Doch diesen Platz hat ihm der Berliner Fraktionsvorsitzende Markus Lindner erfolgreich streitig gemacht. Löning verzichtete auf einen Listenplatz und kämpft nun tapfer als Direktkandidat.

Halina Wawzyniak kann es zwar in Sachen lokaler Prominenz nicht ganz mit ihrer Vorgängerin, der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer aufnehmen, doch innerhalb der Linken spielt die Justitiarin der Bundestagsfraktion eine gewichtige Rolle. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende und Bezirksvorsitzende von Friedrichshain-Kreuzberg.

11.08. 19h Cantina Orange Markus Löning (FDP)
12.08. 18h Brauhaus Südstern Vera Lengsfeld (CDU)
18.08. 19h Too Dark Hans-Christian Ströbele (B90/Grüne)
24.08. 19h Mrs. Lovell Halina Wawzyniak (Die Linke)
25.08. 18h Gasthaus Valentin Björn Böhning (SPD)

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2009.

Fahrradklau brutal

Heimtückischer Überfall am Südstern: Am Donnerstag Abend wurde einem Mann sein Fahrrad in Kreuzberg geraubt. Der 36-Jährige stand gegen 23 Uhr 50 auf einem Treppenabsatz auf dem U-Bahnhof Südstern und lehnte dabei an seinem Fahrrad. Eine unbekannte Person, die ihn zunächst ansprach und in ein Gespräch verwickelte, schubste den Fahrradbesitzer plötzlich die Treppe hinunter. Der Räuber nahm sich das Rad und fuhr davon. Das Opfer verletzte sich durch den Sturz an den Knien und begab sich selbst in ärztliche Behandlung. Die Kriminalpolizei ermittelt.

Lange Nacht der Sachbeschädigung

Gestern und in der vergangenen Nacht sah sich die Polizei berlinweit mit einer Reihe offenbar politisch motivierter Straftaten konfrontiert, darunter zahlreiche Sachbeschädigungen.

Wie die Berliner Polizei berichtet, wurde bereits gestern in den frühen Morgenstunden das ver.di-Gebäude im Bona-Peiser-Weg in Mitte mit mehreren gewerkschafts- und polizeifeindlichen Schmierereinen verunziert.

In Mitte wurden fünf Autos – zwei Mercedes, zwei 3er BMW und ein Dodge – Opfer von Scratchings, die sich beispielsweise gegen „Bonzen“ richteten.

Auch am Abend gab es zahlreiche Fälle von Sachbeschädigung zu vermelden: In der Warschauer Straße in Friedrichshain etwa kam es zu Vandalismus im Vorraum einer Sparkassenfiliale, in Tempelhof wurde das Gebäude der Bundesagentur für Arbeit mit einem Schriftzug politischen Inhalts versehen, und auch in Kreuzberg in der Liegnitzer Straße mussten die Bewohner eines Gebäudes mit Loftwohnungen Sprünge in den gläsernen Haustüren beklagen.

In Mitte wurde ein Citroen mit französischem Kennzeichen in den Abendstunden Ziel eines Brandanschlags.

Bereits im Laufe des Nachmittags hatten sich 40 Personen unberechtigt auf einem umzäunten Gelände in der Rigaer Straße in Friedrichshain niedergelassen, vier Zelte aufgebaut und Transparente an den Zäunen angebracht. Die 27 Männer und 13 Frauen hatten Tische, Bänke, Lebensmittel und Kochgelegenheiten mitgebracht sowie Material zum Herstellen von Transparenten. Die Polizei räumte, stellte die Personalien fest und erteilte Platzverweise. Der Einsatz verlief ruhig.

Messerstiche unter Bekannten

In der vergangenen Nacht kam es in der Skalitzer Straße gegen 2:30 Uhr zu einer Messerstecherei. Wie die Berliner Polizei berichtet, handelt es sich offenbar um einen Streit im Bekanntenkreis. Ersten Ermittlungen zufolge hatte ein 26jähriger einen 24jährigen mit einem Messer bedroht und Geld sowie persönliche Gegenstände verlangt. Der Bedrohte überreichte die geforderten Sachen, als der Ältere unvermittelt mehrmals auf ihn einstach. Dieser wehrte sich nun ebenfalls mit einem Messer und verletzte seinen Kontrahenten. Beide Männer kamen mit schweren Verletzungen zur stationären Behandlung in Krankenhäuser. Gegen den 26jährigen wurde ein Verfahren wegen eines versuchten Tötungsdeliktes, gegen den 24jährigen eines wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. Eine Mordkommission hat die weiteren Ermittlungen übernommen.